Johannes Brahms, 1. Sinfonie, 2. Satz, autographe Partiturseite dern bemerkte gar spöttisch, dass es »jedem Esel« auffallen müsse. Frei lich, die intentionalen Zusammenhänge sind andere, und auf musikali scher Ebene weist insbesondere die strukturelle Prägnanz auf die Moder ne voraus statt auf Beethoven zurück: Der Urgedanke des Werks, ein chromatisch ansteigendes Dreiton-Motiv, gerät zur Keimzelle, aus der die Themen und Motive aller vier Sätze abgeleitet werden. »Alles aus einem, das haben wir von Brahms gelernt«, gab später der Neutöner Anton Webern (1883-1945) gerne zu, und diese pointierte Äußerung war auch und gerade auf die 1. Sinfonie gemünzt, in der sich Brahms als ein Meis ter der Konzentrierungskunst offenbart. Diese Konzentration verbindet sich mit einer tragisch-ernsten Grundhaltung, die sich in der Tonart c-Moll und einem düster-gedämpften Klangbild widerspiegelt. Stoische Pauken schläge beherrschen die spannungsgeladene langsame Einleitung des Kopfsatzes. In chromatischer Gegenbewegung schreiten vom Grundton c