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Schaffen Wenn hier den Fels der grobe Hammer mein allmählich in ein Menschenbild verwandelt, so fügt er sich der Kraft von dem, der handelt, und seinem Schwung muß er gehorsam sein. Je höher wir hinauf den Hammer schwingen, je stärker fällt der Schlag. Er hat ihn weit noch über meinen himmelwärts gehoben. So muß der meine ruhn, das Werk mißlingen, solang des Himmels Schmied nicht Hilfe leiht: gib mir, o Gott, zum Schlag die Kraft von oben! Se I mie rozzo martello i duri sassi Forma d’ uman aspetto or questo o quello, Dal ministro, ch’ el guida iscorgie e tiello, Prendendo il moto, va con gli altrui passi: Ma quel divin, ch’ in ciela alberga e stassi, Altri, e se piü, col proprio andar fa bello; E se nessun martel senza martello Si puö far, da quel vivo ogni altro fassi. E perche ’l colpo e di valor piü pieno Quant* alza piü se stesso alla fucina, Sopra ’l mie, questo al ciel n’ e gito a volo. Onde a me non finito verrä meno, S’ or non gli da la fabbrica divina Aiuto a farlo, c’ al mondo era solo. Doch Gottes Hammer aus sich selber schafft und schenkt uns so viel Schönheit hier auf Erden. Da Hämmer nur durch seinen Hammer werden, gibt er allein den andern Bildnerkraft. Eines der vielen Sonette, die er 1547 auf den Tod der von ihm hoch verehrten Dichterin Vittoria Colonna schrieb. Im Seelenbund mit der edlen und ernsten Frau (der Witwe des Marchesa von Pescara) hat Michelangelo sein höchstes Glück gefunden. Thomas Mann, der diese Beziehung un nachahmlich schildert und durchleuchtet hat, stellt fest: „Seine Leidenschaft zu ihr erinnert in ih rer Ätherik und als .Bildungserlebnis' sehr an Goethes Verhältnis zu Frau von Stein." Michelangelo selbst hat zu dem nur schwer verständlichen Gedicht folgende Erklärung geliefert: „Sie war die einzige, die auf Erden mit ihrer großen Tugend die Tugenden anderer erhöhte. Jetzt im Himmel wird sie viele Gefährten haben, weil alle dort die Tugend schätzen. So hoffe ich, daß sie von dort oben meinem Hammer hier unten zur Vollendung verhelfen wird.“ Nacht „Welch eine Nacht, die schlafend wir hier sehn, sie schuf gewiß ein Engel eigenhändig. Wenn sie auch steinern, ist sie doch lebendig: weck sie nur auf, sie wird dir Rede stehn.“ „Ich lieb’ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein. Wenn rings nur Schande herrscht und nur Zerstören, so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören. Drum leise, Freund, laß mich im Schlaf allein.“ La Notte, ehe tu vedi in si dolci atti Dormir, fu da un Angelo scolpita In questo sasso, e perche dorme ha vita: Destala, se nol credi, e parleratti. Caro m’ e ’l sonno, e piü I’ esser di sasso, Mentre ehe ’l danno e la vergogna dura: Non veder, non sentir, m’ e gran Ventura; Perö non mi destar, deh! parla basso. Als Michelangelos Statue „Nacht" 1531 in der neuen Sakristei von San Lorenzo / Florenz aufge stellt wurde, befand sich unter den der damaligen Sitte gemäß ihr angehefteten Verszetteln der erste Vierzeiler. Dieses Huldigungs-Epigramm stammte von Giovanni Strozzi, einem gelehrten Freund Michelangelos, der später selbst Florenz verlassen mußte. („Engel“ spielt hier auf die Endung -angelo an.) Als Michelangelo 1545 zufällig erfuhr, daß Strozzi der Urheber gewesen war, griff er den hier geäußerten Gedanken auf und ließ die Statue selbst antworten. In dieser Antwort schwingt sein leidenschaftlicher Zorn über den Untergang der Freiheit in seiner Heimatstadt mit.