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Michelangelo-Suite > DRESDNER w PHILHARMONIE Morgen Wie mag es diesen Blütenkranz entzücken, der sich um deine goldnen Flechten drängt und heimlich sich auf deine Stirne senkt, um einen sanften Kuß darauf zu drücken! Und dort der Gürtel, der dich eng berührt, er scheint zu flüstern: „Will dich stets umfangen Ach, könnten meine Arme dies doch tun! Quanto si gode, lieta e ben contesta Di fior, sopra’ crin d’ or d’ una, grillanda; Che I’ altro inanzi I’ uno all* altro manda, Come ch’ il primo sia a baciar la testa! Contenta e tutto il giorno quella vesta Che serra ‘1 petto, e poi par ehe si spanda; E quel c’ oro filato si domanda Le guanci’ e ’l collo di toccar non resta. Ma piü lieto quel nastro par ehe goda, Dorato in punta, con si fatte tempre, Che preme e tocca il petto ch’ egli allaccia. E la schietta cintura ehe s’ annoda. Mi par dir seco: qui vo’ stringier sempre! Or ehe farebbon dunche le mie braccia? Viel mehr noch muß das Kleid es wohl beglücken, wenn es wie Wellen deinen Leib umfängt; wie froh das Haar, wenn es herniederhängt, um zärtlich kosend dein Gesicht zu schmücken! Das Seidenband noch größ’re Lust verspürt, mit Gold durchwirkt, umschließt es mit Verlangen dein Kleid, um nah an deiner Brust zu ruhn. Anfang 1508 entstanden und mit einem Mädchen aus Bologna, das zur Familie der Medici gehört, in Verbindung gebracht. Noch an den Stil der Frührenaissance (etwa an die Verse des Lorenzo Medici) angelehnt, „erscheint dieses Gedicht" - nach den Worten des Michelangelo-Übersetzers Edwin Redslob - „wie die Begleitmusik zu der Primavera des Boticelli.” Liebe „Sag, Liebe, mir, ob meine Augen schauen die wahre Schönheit, die ich so erstrebt, ob sie vielleicht in meinem Innern lebt und sich mir zeigt im Bild, aus Stein gehauen? Du weißt es wohl, mir ihr bist du gekommen, um mir den Schlaf zu rauben. Doch ich mag nicht einen Seufzer missen, keinen Tag sei mir die Glut der Seele abgenommen.“ „Die Schönheit selbst erblickst du, das ist wahr, doch wächst ihr Glanz zu überird’schen Sphären, je weiter sie vom Aug’ zur Seele dringt. Dort wird sie göttlich, wahrhaft schöner gar, Unsterblichkeit wird endlich sie verklären: Dies ist die Schönheit, die dein Herz bezwingt.“ Dimmi di grazia, amor, se gli occhi mei Veggono ’l ver della beltä ch’ aspiro, 0 s’ io I’ ho dentro allor ehe, dov’ io miro, Veggio piü bello el viso di costei. Tu ’l de’ saper, po’ ehe tu vien con lei A torm’ ogni mie pace, ond’ io m' adiro; Ne vorre’ manco un minimo sospiro, Ne men ardente foco chiederei. La beltä ehe tu vedi e ben da quella; Ma crescie poi ch’ a miglior loco sale, Se per gli occhi mortali all’ alma corre. Quivi si fa divina, onesta e bella, Corn’ a se simil vuol cosa immortale: Questa, e non quella, a gli occhi tuo’ precorre Das 1529 im Stile Petrarcas verfaßte Gedicht versucht in Frage und Antwort die metaphysische Auffassung der Liebe im Denken Michelangelos zu umschreiben. Die Wirklichkeit sah anders aus: „Für ein gewisses Mädchen und deren .aufreizend heidnisch schöne Hülle’, die .gewogen, keine Unze wert’ war, verzehrten sich seine gewaltigen und hochstrebenden Sinne glaubenslos und er niedrigt. Und wenn er auch wußte, daß die Schönheit meist gründlich lügt, und auch den schrof fen Abgrund kannte, der zwischen Aug’ und Seele gähnt, brachte er es immer wieder fertig, dar an zu glauben, daß Schönheit kein sterblich Ding und für uns vom Himmel herniedergesendet sei." (Thomas Mann)