talwerk, deutlich aber auch darin durch Zitate aus fremden und eigenen Werken rückblickend auf das eigene Dasein gerichtet. Es sollte die letzte Sinfonie, wenn auch nicht sein letztes Werk sein. Im Spätsommer 1974 verbrachte der bereits schwerkranke Schostakowitsch einige Wochen in der für Künstler eingerichteten Ferienkolonie Repino, inmitten von Wäldern und nahe der finnischen Grenze gelegen. Er nutzte die Zeit, um einen eigenen Beitrag zum 500. Geburtstag des bedeutenden Renaissancekünstlers Michel angelo (1475 - 1564) zu schaffen. So stellte er einen elfteiligen Zyklus nach Dichtungen dieses großen Bildhauers, Malers, Baumeisters und Dichters, die er sich ins Russische übersetzen ließ, zusammen und komponierte diese Texte für eine Baßstimme und Klavier. Nur wenig spä ter hat er das Werk selbst instrumentiert und setzte damit eine bestimmte Linie seines Schaf fens - die nachträgliche Orchestration großer Vokalsuiten - fort. Die Suite nach Gedichten von Michelangelo Buonarroti gehört somit zu den umfangreichen sinfonischen Komplexen, die nach und nach aus Klavierfassungen ent standen waren. In einem Interview meinte der Komponist dazu: „Mich faszinierte die Schön heit der Gedichte von Michelangelo, die Tiefe seiner Gedanken, die Schlichtheit, Leidenschaft und Kraft seiner Aussagen. Alles, was dieser große Mensch vollbrachte, hat mich zutiefst er schüttert. Immer wieder waren es seine Dichtungen, die mich wegen ihres tiefschürfen den philosophischen Gehalts, ihrer edlen Menschlichkeit und wegen ihrer scharfsinnigen Gedanken über die Kunst und die Liebe anzo gen.“ Schostakowitschs eigene Orchestration entsprang seinem immerwährenden Bedürfnis nach größtmöglicher Farbenvielfalt und vollem Klang. Durch Selbstzitate und die Zusammen stellung der Texte, die u. a. von der „Wahrheit“ und dem „Morgen“ künden, von „Liebe“, Selbstbildnis Michel- angelos als Nikodemus in der Pieta von Florenz (um 1550/55) Aufführungsdauer: ca. 45 Minuten Bild links: Notenseite aus der „Suite nach Gedichten von Michelangelo Buonarroti op. 145" (Klavierfassung) in der zittrigen Altershand schrift des Komponisten („Wahrheit", entstanden Juli 1974)