Im Prawda-Artikel heißt es: „Das Publikum wird von Anfang an mit absichtlich disharmoni schen, chaotischen Tönen überschüttet. Melodiefetzen und Ansätze von Musikphra sen erscheinen nur, um sogleich wieder unter Krachen, Knirschen und Gekreisch zu verschwin den ... Alles ist grob, primitiv und trivial... Der Komponist... chif frierte seine Musik durch Zusammenklänge, die nur Formalisten und Ästheten interessieren können, deren Ge schmack sich schon längst verformt hat. Er kümmert sich nicht um die Erwartungen der sowjetischen Kultur, die jede Form von Grob heit aus der Kunst und jede Form von Wildheit aus den letzten Winkeln unseres Leben verban nen möchte ... Dieses Spiel kann böse enden." ehe Oper „Die Nase“ (1927/28). Freunde mach ten ihm Mut, glaubten an sein Talent, an sei nen Kunstsinn. Selbst sehr wach, nahm er die politischen, geistigen und künstlerischen Ten denzen in seiner Umgebung auf und zuneh mend mehr teil an den experimentellen Versuchen zahlreicher Künstler, sich eine neue, eine eigene Welt zu erschließen. 1934 wurde seine Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ in Leningrad uraufgeführt, ein Werk, das seine kompositorische Entwicklung, ja sein weiteres Leben gründlich verändern sollte. Durch die Verwendung von unterschiedlichen Stilmitteln, eben auch experimentell-neuen, zu einer sehr gemischten - man möchte sagen: pluralisti schen - Tonsprache, geriet er auf den Weg, der ihn von der stalinistischen Doktrin eines „sozia listischen Realismus“ weit entfernte. Wenn auch heute diese Oper durchaus als ein musikthea tralisches Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts angesehen werden kann, reagierte seinerzeit die Partei prompt und bestürzend brutal. In einem Prawda-Artikel (1936) - vermutlich sogar von Stalin selbst in Auftrag gegeben - wurde ihm „Chaos statt Musik“ vorgeworfen. Es sollte ein Exempel statuiert werden, um auch anderen Künstlern den „rechten Weg“ in Richtung einer sozialistisch-realistischen Kunstauffassung zu weisen. Aus ähnlichen Schmähschriften - der offiziellen Meinung der Machthaber - waren sehr rasch Verfolgungen, sogar Verhaftungen und gelegentlich Todesurteile erwachsen. Wirk liche Begründungen für „staatsfeindliche“ Haltungen konnten schnell gefunden werden. Unter derartigem Druck wurde „Lady Macbeth“ abgesetzt und erst 1963 in einer überarbeiteten Fassung unter anderem Titel („Katerina Ismai lowa“) erneut inszeniert. Schostakowitsch muß te seither in ständiger Angst leben, der „Säuberung“ Stalins zum Opfer zu fallen. Er zog weitere Werke zurück und begann, in neueren Kompositionen seine ästhetischen Ansichten zu