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welche exegetischen Momente ihm besonders am Herzen liegen. Hier ist es das sprichwörtliche „Menetekel“ aus dem Buch Daniel (Kapitel 5; < 25 - 28): „Dies ist die Schrift, die da geschrie ben steht: Mene, Tekel, Parsin. Mene: gezählt; Tekel: gewogen; Parsin: geteilt" und Messiaen kommentiert dies so: Ich habe davon ledig ¬ lich die Vorstellung von Zahl, Maß und Gewicht beibehalten, um sie auf die Ordnung der Sterne zu übertragen.“ Diese Ordnung aber gilt als Metapher für die christliche Weltordnung, und gerade die lag dem Komponisten so sehr am Herzen. „Die schicksalhaften Worte werden zunächst mit Hilfe eines Alphabets von Tonhöhen und Tondauern vorgetragen, denen eine bestimmte Harmonik zugeordnet ist. Dann hebt sich ein Blechbläserchoral von verschiede nen Vogelgesängen ab.“ Im letzten Sternen-Satz, dem Beginn des drit ten Teils (8. Satz „Die Auferstandenen und der Gesang des Aldebaran“), ist dieses Jenseits end lich erreicht. Messiaen erkannte im Aldebaran, einem vorangestellten Zitat aus dem Paulus- Brief an die Korinther (Kap. 15; 41 - 42 „Ein Stern unterscheidet sich von einem andern Stern durch seinen Glanz. So wird es auch sein mit der Auferstehung der Toten.“) zufolge, mehr als nur einen Stern am nächtlichen Himmel, sondern fand auch seine persönliche theologische Auslegung, die er zum Klingen bringen wollte. Wen wundert es da, wenn auch hier die verschiedenartigen Vögel ihren Beitrag bringen: „... Aldebaran ist der hellste Stern im Sternbild des Stieres. Sein Name geht auf das arabische al-dabaran zurück, was ,der Nach folgende' bedeutet, weil dieser Stern den Ple- jaden folgt. Der Text des Paulus-Briefs will sa gen, daß die verklärten Leiber von den Fesseln der sterblichen Leiber befreit werden. Er ver weist auch auf ihre Eigenschaften (Beweg lichkeit, Klarheit) und auf die Unterschiede ih rer Herrlichkeit.“ Der ganze Satz besteht aus DRESDNER PHILHARMONIE einer „ lettönen urTd schließlich mi di der Violinen wie Wasser! [dehnten Streiä^rphrase“ mit Flageo- ageolettqlissan- :en, wie Seiden ¬ geraschel“. Und an einer weiteren Stelle nennt er die mitwirkenden Vögel: „Als Kontrapunkt, über den Streichern, Gesänge mehrerer Vögel: der Rotsichelspötter und die Zwergdrossel im Soloklavier, die Einsiedlerdrossel in der Piccolo flöte, die Weidendrossel im Glockenspiel.“ Mit dem zwölften Satz aber wird der „Zions Park", gleichbedeutend mit der „himmlischen Stadt“, erreicht. „Die Menschen, die einst die farbigen Felswände in Rosa, Weiß, Mauve, Rot und Schwarz, die grünen Bäume und den kri stallklaren Flußlauf des Zion Parks entdeckten, sahen darin ein Symbol des Paradieses." Der Berg Zion gilt als ein Synonym für das himmli sche Jerusalem, Ort des endzeitlichen Heils. So kulminiert die Entwicklung des gesamten Werkes in diesem Satz. Auch dafür hat der Komponist spezielle Elemente verwendet, z.B. einen „strahlend majestätischen Blechbläser choral“, dazu die Vogelgesänge, darunter „vier außergewöhnliche Vögel, die gewissermaßen in Parenthese erscheinen: das Beifußhuhn (Utah), dessen seltsame Schreie sowohl von Peitsche und Congatrommel als auch von Violoncelli und Kontrabaß (am Steg gestrichen) wiedergegeben werden, vier Salbeisichelspötter (Nevada) im Kla vier, der Canyon-Zaunkönig (Idaho, Montana), der zum dritten und letzten Mal im Solohorn wiederkehrt, und der Schmalschnabel-Kardinal (Arizona), ein grauer, an Haube, Brust und Bauch rot gezeichneter Vogel, der eine Kadenz für Soloklavier beisteuert.“ Und schließlich stimmt das Glockenspiel in allen Jubel ein: ei ne Apotheose ä la Messiaen. Wie sagte doch der Meister, seine Vorliebe gelte einer Musik, „die das Ende der Zeiten ausdrückt, die Allgegen wart, die verklärten Leiber, die göttlichen und übernatürlichen Geheimnisse, ein theologischer Regenbogen.“ Und bei aller Konzentration, bei 20 21