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Politische Rundschau. oemfaMno im nacynen Kriege. In emem neuen Werk des Freiherrn v. d. Goltz: „Im Zeitalter Wilhelms des Siegreichen" bespricht der berühmte Verfasser auch Deutschlands gegenwärtige militärische Kraft. Im Fall eines Krieges kann Deutschland insgesamt sechs Millionen Soldaten ins Feld stellen. Freiherr von der Goltz feiert als unschätzbare Errungenschaft, daß das moderne deutsche Heer die Taktik, auf jeden einzelnen Mann höchsten Wert zu legen, gründlich befolge. Das alte Ideal der Truppe auf dem Schlachtfeld, nämlich wie auf dem Paradeplatz mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen vorzurücken, ist geschwunden und wird ersetzt durch das neue Ideal des aufgelösten Schützenschwarms, in dem jeder einzelne, das Gewehr in der Faust, trotz Kugelregens und Gelände schwierigkeiten sich unaufhaltsam vorwärts arbeitet, mit dem festen Vorsatz im Herzen, in die feindliche Stellung einzu dringen, sollte dies ihm auch nur allein beschicken sein. Die Heranziehung der Automobilbesitzee zur Skraßenunterhattung, die auch im Finanzausschuß der bayerischen Kammer erörtert wurde, ist ein Lieblingsprojekt der Steuerpolitiker. Daß für den sehr lebhaft gewordenen Automobilverkehr der Unterbau der Chausseen und Straßen ost nicht genügt und daß die Automobilbesitzer zu den Kosten des verstärkten Unterbaues herangezogen werden müssen, leuchtet jedem ein. Große Schwierigkeiten bereitet aber die Durchführung der Steuer, die natürlich nur durch kleinere Verbände diktiert werden kann. Ein Autobesitzer ist allemal kein reicher Mann; in vielen Gegenden mit un genügenden Bahnverbindungen sind oft kleinere Fuhrgeschäfts- befitzer die Autohalter. Diese Gewerbetreibenden würden eine Sonderbelastung nicht gerade freudig begrüßen. Ebenso ist in ländlichen Kreisen das Last-Auto der Brauerei oft das einzige Auto, das die Chausseen abnutzt. Die Heran ziehung der Autobesttzer zu den Straßenkosten ist deshalb wohl eia bestechender Gedanke, aber die Verwirklichung will genau überlegt sein. Prämiierung landwirlschasilicher Musterbetriebe. Mehrere Landwirtschastskammern haben in dankenswerter Weise die Prämiierung landwirtschaftlicher Musterbetriebe eingeführt, die für die Landwirte ein nicht zu unterschätzender Ansporn dafür ist, alle Mittel und Wege auszunutzen, um aus ihren Betrieben den erreichbaren Höchstbetrag heraus zuholen. Die Anforderungen, die zur Erlangung einer solchen Prämie von der Landwirtschaftskammer gestellt werden, sind laut „Kreuz-Ztg.": Nur Flächen bis zu 100 Hektar im Besitz von Kleingrundbefitzern kommen in Be tracht. Maßgebend ist vor allem die Zweckmäßigkeit aller Anlagen, insbesondere der Entwässerungsarbeiten, ferner die Art und Weise, wie Jahr für Jahr diese Arbeiten durchge führt werden, endlich eine gute Aussaat, eine Düngung mit Kunstdünger und das ordentliche Walzen der Besitzflächen im Frühjahr. Der Deutsche Städtelag tritt am Montag in Köln zusammen, um sich vornehmlich mit den Thematen: Ver bindung von Städten und Privatkapital für wirtschaftlich^ Unternehmungen sowie die Bedeutung des WerwurM geoanlens M me oemicyen Städte, zu beschäftigen. Schon jetzt tagte der Reichsoerband deutscher Städte mit weniger als 25000 Einwohnern. Auf ihm betonte der Vorsitzende, daß die kleinen Städte in den Kreis- und Prooinzial- körperschasten leider nicht genügend vertreten seien, so daß für sie zu wenig getan werde. Zur Frage, wie die Boden politik der Kleinstädte gefördert werden könne, betonte der Referent, daß die planmäßige Erwerbung, Aufteilung und Besiedelung geeigneten Baugeländes für die kleineren und Mittelstädte den Kernpunkt der städtischen Bodenpolitik bilde. Die Gemeinden müßten sich in den Besitz des nötigen Ge ländes setzen. Allerdings müsse das städtische Bodengeschäst von anderen städtischen Bodengeschäften streng gesondert sein. In der Erörterung über den Bau von Arbeiter wohnungen durch die Städte wurde ausgeführt, daß sich ein Arbeiterhaus in 35 Jahren ganz bezahlt gemacht habe, wenn das Geld zu 3,5 Prozent gegeben und die Tilgung sofort in Angriff genommen werde. Von anderer Seite wurde es für unmöglich erklärt, in kleinen Städten Arbeiter- wohnhüuser zu bauen. Im Osten könne der Arbeiter nicht 300 Mark jährlich für Miete ausgeben. Andere Redner be richteten über sehr gute Erfahrungen mit dem Bau von Wobnbäuiern: Bewerber wären genug vorhanden. Im Lanas äer LcdiM. Roman von Egon Rotenfels. 57 Frau Burow, deren Herz gegen Gouvernantentränen durch die lange Reihe von Jahren, in welchen sie diesel ben hatte fließen sehen, denn alle ihre Klientinnen, die an ihren Stellungen etwas auszusetzen hatten, kamen, sich bei ihr auszuweinen, abgehärtet war, empfand doch einen gewissen Grad von Mitgefühl mit der Armen und redete ihr freundlich zu. „Ja, meine Liebste, das ist freilich schlimm, sehr schlimm, und ich weiß wirklich nicht, wie Ihnen da zu helfen ist. Sie können es doch keiner Mut ter verdenken, wenn sie bei der Wahl einer Gouvernante, der man die Erziehung, das leibliche und geistige Wohl seiner Kinder anvertraut, besonders vorsichtig ist und wis sen will, wen sie eigentlich in ihr Haus aufnimmt. Ha ben Sie denn niemand, auf den Sie sich beziehen kön nen? Keine befreundete Familie die Sie kennt und auf die Sie sich berufen können?" „Nein, ich habe niemand auf der ganzen Welt," seufzte Fräulein Günther, „ich stehe ganz allein!" „Da wird freilich wenig zu machen sein; das ist für Sie recht traurig; Sie leben nun schon fast drei Monate hier, so lange ist es ja wohl, daß Sie das erste Mal bei mir waren, und Berlin ist ein teures Pflaster." „Das ist es, ja, das ist es," bemerkte die Gouver nante mit tiefem Erröten, „ich stehe beinahe ohne alle Mittel da, die geringe Summe, welche ich mein nannte, als ich mit den schönsten Hoffnungen hierher kam, ist fast ganz aufgezehrt, ach Frau Burow," fuhr sie nach einigem Zögern fort, „können Sie mir denn nicht gestatten, daß ich mich auf Sie berufe, wenn man von mir Empfehlun gen verlangt?" „Kind, was verlangen Sie von mir," rief Fran Bu row entrüstet aus, „ich soll Sie empfehlen, ick. die ick Die VekurkeNung der Chartonenvurger Denkmals- schände« zu anderthalb Jahren bezw. einem Jahr Gefäng nis hat, abgesehen von den sozialdemokratischen Blättern, in der gesamten Presse lebhafte Genugtuung erweckt. Der „Vorwärts" ist aufgebracht über die Höhe der Strafe und weist darauf hin, daß Studentenscherze milder bestraft werden. Nun ist die Charlottenburger Denkmalsbesudelung alles andere eher als ein Ulk, und Studentenscherze, die aus dem Rahmen fielen und in wüste Szenen ausarteten, haben auch stets ihre gerichtliche Bestrafung gefunden. Die Char lottenburger Denkmalsschänder haben jedoch, wie ausdrücklich festgestellt worden ist, politische Propaganda treiben wollen, lind dieser Verrohung des politischen Kampfes gegenüber ist die Strafe gerechtfertigt. Eine Jnlernalionale Lustfahrzeug-Ausstellung wird im November d. I. vom Verein deutscher Motorfahrzeug- Industrieller zusammen mit dem Kaiserlichen Automobil- Klub und dem Aero-Klub in Berlin veranstaltet werden. Alle bedeutenden Luftschiff- und Flugzeug-Systeme werden hier vereint sein, und man wird ein Bild von der Groß artigkeit der Luftfahrzeug-Industrie bekommen, die in wenigen Fahren aus kleinen Anfängen heraus sich zu stattlichem Um fang emporgearbeitet hat. Begrüßung des Staatssekretärs v. Tirpitz. Dem deutschen Staatssekretär des Neichsmarineamts, Herrn von Tirpitz, der am Freitag im Gefolge des Kaisers in Kono- pischt eintrifft, widmet das Organ des Erzherzog-Thron folgers, die „Wiener Reichspost", einen bemerkenswerten Begrüßungsartikel. In Österreich, so heißt es darin, freut man sich aufrichtig, daß Kaiser Wilhelm bei seinem Besuch in Konopischt gerade von dem großen Floiten-Organisator begleitet ist. Österreich steht an einem Wendepunkt seiner Flottenpolitik, und niemand hat der österreichisch-ungarischen Kriegsmarine, wenn sie nunmehr sich kräftig zu entwickeln vermag, eine wärmere Förderung zuteil werden lassen, als Erzherzog Franz Ferdinand. Unter dem fürstlichen Dach von Konopischt wird der große Organisator der deutschen Flotte ein lieber, hochgeschätzter Gast sein, dessen Werke ganz Österreich zu ehren versteht. Aus Parts. Dem 72jährigen maßvollen Politiker Ribot ist es gelungen, ein Kabinett zusammenzubringen und zum Eintritt in dieses so bedeutende Männer wie Bourgeois Und Delcassee zu gewinnen. Diese beiden Herren waren schwer krank, als sie vor einigen Tagen Herr Viviani ein lud, in das Ministerium einzutreten. Jetzt sind sie ganz gesund und wollen sich mit Ribot in der Kammer entschieden für das Dreijahrsgesetz einsetzen. Die sozialradikalen Organe kündigen dem neuen Kabinett, dessen klares Programm sie anerkennen müssen, den Kampf aufs Messer an. Es bleibt aber doch abzuwarten, ob die Parteien, deren Organe jetzt so kampflustig sich stellen, es wagen werden, ein Kabinett zu stürzen, weil es für die Sicherheit Frankreichs und die Er haltung des russischen Bündnisses das Festhalten an der dreijährigen Dienstzeit fordert. Die Griechenverfolgungen in der Türkei, die von Konstantinopel aus nicht ganz abgeleugnet werden können, von denen die Athener Berichte aber zweifellos übertriebene Darstellungen verbreiten, haben zu einer scharfen Mrkrsch- griechischen Spannung geführt. Die griechische Regierung erklärte, sie würde in Konstantinopel nicht mehr protestieren, sondern zur Selbsthilfe greifen, wenn nicht bald eine Besserung einträte. Die Türkei stellte auf ihren Festungs werken neue, größere Geschütze auf und konz«ntri»rt- Truppen daselbst. Der Tarenbesuck in I^onstanLa. Nach wiederholten halbamtlichen Versicherungen entbehrt die Konopischter Begegnung am Freitag dieser Woche zwischen dem Deutschen Kaiser und dem österreichisch-ungarischen Thronfolger jeder politischer Bedeutung, obwohl gleichzeitig mit dem Kaiser der Staatssekretär v. Tirpitz und vielleicht auch der König Gustav von Schweden auf dem böhmischen Herrensitz des Erzherzogs Franz Ferdinand anwesend sein werden. Der Besuch, den König Friedrich August von Sachsen am 19. d. M. in Sarskoje Selo abstattet, ist unpo litischer Natur und gilt lediglich der Danksagung des Königs für die ihm im vorigen Jahre zuteil gewordene Verleihung des in smolensk stehenden Koporie-Regiments. Selbst die im Anschluß an, den Besuch laut gewordenen Gerüchte von sie so wemg kenne, w e eine der Damen, welchen Sie sich vorgestellt haben, die von Ihnen nur weiß, das Sie Margarete Günther heißen, in Süddeutschland geboren und von dort hierher gekommen sind, um eine Gouver- nantenstelle anzunehmen. Ich soll Sie empfehlen, das ist viel verlangt; glauben Sie denn, ich kann, ich darf das nicht tun, ohne daß Re nommee meines Bureau auf das empfindlichste zu schä digen ? Sie scheinen sich diese Bitte, wenn sie ernst ge meint war, nicht recht überlegt zu haben. Das einzige was ich für Sie tun kann und will, ist, daß ich Ihnen die Einschreibegebühr, die Sie bei Ihrem ersten Besuche wie üblich erlegten, zurückzahle, da, wie Sie sagen, Ihre Mittel erschöpft sind und Sie auf diese Weise durch mich wohl kaum ein Placement finden werden." Verletzt hatte sich Fräulein Günther erhoben und ver trat Frau Burow den Weg zu ihrem Sekretär, aus wel chen Sie das Geld holen wollte. „Ich bitte Sie den Betrag zu behalten, ich habe kein Recht, denselben zurück zuverlangen, denn daß ich keine Stellung gefunden, ist nicht Ihre Schuld, Frau Burow. Ich bitte Sie nur, den Wunsch von vorhin nicht falsch aufzufassen und densel ben zu entschuldigen. Es lag mir vollständig fern, Sie zu einem unehrenhaften oder oder einem Ihr Geschäft schädigenden Schritte bewegen zu wollen; entschuldigen Sie diese Bitte mit meiner Unkenntnis des praktischen Lebens und mit meiner verzweifelten Lage. Das Geld aber bitte ich zu behalten. Nehmen Sie außerdem mei nen Dank und leben Sie wohl." Damit war Fräulein Günter zur Tür geschritten und hatte dieselbe geöffnet. Noch einmal blieb sie stehen, wie um einem plötzlichen Entschlusse zu folgen und nochmals in das Zimmer zurückzukehren. Sie führte diesen Ent schluß jedoch nicht aus, sondern verließ das Bureau und bald darauf auch das Haus. Eben wollte sie, auf die Straße gekommen, dem Ge ber geplanten Verlobung des 21jährigen sächsischen Kron prinzen Georg mit einer der russischen Großfürstinnen wurden amtlich für grundlos erklärt. Dagegen steht es außer Zweifel, daß dem Besuche des Kaisers Nikolaus von Rußland am rumänischen Königshofe in Konstanza am kommenden Sonn tag hohe politische Bedeutung beiwohnt. Es ist wahrscheinlich, daß bei dieser Gelegenheit die Verlobung des dereinstigen rumänischen Thronfolgers, des im 21. Lebensjahre stehenden Prinzen Karl von Rumänien, mit der um zwei Jahre jüngeren Großfürstin Olga, ältesten Tochter des Zarenpaares, proklamiert wird. Aber auch diese Verlobung entbehrte, wie die Dinge nun einmal liegen, nicht des politischen Charakters. Rumänien, die ausschlaggebende Vormacht auf dem Balkan, soll vom Dreibünde ab- und zu Rußland hinübsrgezogen werden. Das ist das un verhüllte Ziel der russischen Orientpolitik. Darum trifft der russische Minister des Auswärtigen Sasonow schon am Frei tag in Bukarest ein, um mit dortigen Staatsmännern zu konferieren und dem Zaren, wenn dieser mit der gesamten kaiserlichen Familie am Sonntag in Konstanza, der am Schwarzen Meere gelegenen Sommerrefidenz des Königs Karol, anlangt, womöglich schon fertige Vereinbarungen vor legen zu können. Der in kaum Jahresfrist vollzogene Umschwung in der Haltung Rußlands zu Rumänien wird, wenn die Peters burger Regierung ihr Ziel erreicht, von sehr tiefgehenden Wirkungen auf die Balkanpolitik ganz Europas und damit auf den europäischen Frieden begleitet sein. Und um einen Umschwung handelt es sich; Rußland hat dem zum Drei bund haltenden Rumänien gegenüber bisher eine wenig freundliche Stellung eingenommen. Unter dem Überfluß russischen Sonnencheins hat König Karol, seitdem er als Prinz von Hohen;ollern 1866 auf den rumänischen Thron berufen wurde, nicht gelitten. 1878 mußte er zum Lohn für seine Unterstützung Rußlands im Türkenkriege an den mäch tigen Nachbar Tete Bessarabiens abtreten. Als vor acht Jahren dem ruminischen Kronprinzen ein Sohn geboren wurde, der den llamen Nikolaus erhielt, nahm der Zar zwar die Patenstelh an, erschien jedoch weder selbst zur Taufe, noch beauflagte er einen Großfürsten mit seiner Ver tretung, sondern schickte einfach einen Adjutanten. Und heute? Aber es lohnt sich tie Mühe; behaupten doch die Bukarester Blätter einstimmig, »aß Rumänien sich anschicke, neue Wege einzuschlaaen. Als aller Welt, Anerschöpflich « neuen scyandtalen sind die Suf- frageten. In Rayne in der Grafschaft Essex zerschlugen sie eine Anzahl marmorier Grabdenkmäler und verstreuten über dem Kirchhof die »blichen Flugblätter. Mit Dynamit sprengten die Wahlweber auch einen Teil der Kirchhofs mauer in die Luft. Eine neue Lchkfahris-Kaiaflrophe auf dem St. Lorenzstrome. In ler breiten Mündung des St. Lorenz stromes, wo die „Em;reß of Ireland" mit 1024 Menschen in den Fluten versank, wurden etwa 40 Fischer-Boote von einem Sturm überrasch. Die meisten Boote wurden auf den Strand geworfen, üftr zwanzig Leichen ertrunkener Fischer hat man bisher gesunken, man befürchtet, daß die Zahl der Opfer nocb böüer ist. Vom Wetter. Während in Mittel Mschland eine Wendung zum Besserer eingetreten zu sein scheint, die dis eisten Juni-Gewitter brachte — im Schwarzwald und in den Vogesen ist jedoch bei einer Temperatur unter Null noch Schneefall zu verzeichnen gewesen — wird auch aus Frankreich rauhes, widerliches Wetter gemeldet. In Paris herrschte Schneetreiben und Hagelschlag. Ebenso herrscht im Berner Oberland bittere Kälte. Der Theater-Sumps. Der Münchener Theaterdirektor Schrumpf, über dessen moralische Qualitäten der Gerichtshof durch den Freispruch des „Neuen Weg" ein so vernichtendes Urteil fällte, hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Die Sachlage ist buch die erste Verhandlung jedoch so geklärt worden, daß die Berufung Schrumpf nicht viel nützen wird 2m Franksurier Saivarsan-Prozeß wurde der An geklagte Redakteur Waßmann, der den Krankenhausärzten Herxheimer und Altmann vorgeworfen hatte, sie hätten Pro stituierte gegen ihren Willen mit Salvarlan behandelt und wühl derselben auswsichen und in eine stille Seitenstraße einbiegen, als ihre Aufmerksamkeit auf eine rasch daher rollende elegante Equipage gelenkt wurde, welche, mit zwei feurigen Rappen bespannt, die Wallstraße herabkam Ohne Interesse für die Equipage und in ihrer Stim mung kaum wissend, was sie tat, blieb sie stehen und ließ den Wagen bei sich vorbeifahren. Wie gebannt abei sah sie demselben nach, als sie die Insassen, eine fein ge kleidete Dame, erblickte, und, wie es schien, auch erkannt« hatte. Der Wagen fuhr noch wenige Schritte, um den« vor dem Hause zu halten, das Fräulein Günther ebe« erst verlassen hatte. Alles Blut war aus den Wangen der junge Fra« gewichen, als sie das bemerkte und keuchend stieß sie nw die Worte hervor: „Sie hier? Was will sie hier? Siq die einzige, die mich tödlich haßt. Und was will sie i« jenem Hause? Wenn auch sie Frau Burow besucht, dort etwa meine Adresse erfährt, meinen Aufenthalt aus diese Weise auskundschaftet? Das darf nicht sein, darum fort, weitweg von hier; hier blüht doch kein Glück für mich." Und wie von einem mächtigen Impulse getrieben, eilte sie hinaus in die Vorstadt, in ihre bescheidene Wohnung, die sie bald darauf wieder verließ, um sich nach dem Pots damer Bahnhof zu begeben. Wohin sie wollte, sie wußte es selbst nicht, eine innere Stimme trieb sie, die Heimat lose, die Verlassene, wieder von dannen, hinaus in die weite Welt. * * Mitten im herrlichen Rheingau, ungefähr eine halbe Stunde von Geisenheim entfernt, lag eine Villa, welche im Volksmunde den Namen Klein-Eden, und zwar nnt Recht trug. An einem Bergabhang gelehnt, lag das Wohnhaus, im Schweizerstil gebaut, mitten in einem präch tigen Garten, dessen alte Bäume den vollkommensten Schatten spendeten, und der sich weit ausdehnte, bis hin auf zu den Weinbergen. — -