„Fremdes" und „Vertrautes" mit großem Geschick so gemischt, daß Haydns Publikum es als ein „Neues” annahm besonderen Art“ sprach. Und nun war er eben dabei, diese Errungenschaften auf die Sin fonieform zu übertragen. Uns, die wir zwei hundert Jahre später leben, immer wieder mit abrupten Veränderungen im Hörspektrum kon frontiert werden und dadurch völlig andere Hörerfahrungen gemacht haben, wird es beim Anhören einer solchen Sinfonie kaum auffallen, was das Besondere ist. Doch Haydns Zeitge nossen waren überrascht und sogar begeistert. Als Beispiel möge aus einer Kritik (nach einem Konzert in England 1788) zitiert sein: „In allen Konzerten wurden Sinfonien von Herrn Haydn gespielt. Mit jedem Tag wächst das Verständnis und damit die Bewunderung für die Werke die ses großen Genies. Wie gut versteht er sich dar auf, einem einzigen Thema die reichsten und verschiedenartigsten Entwicklungen abzuge winnen, im Gegensatz zu den sterilen Kom ponisten, die dauernd von einem Thema zum anderen übergehen, weil sie nicht imstande sind, einen Gedanken in variierter Gestalt dar zustellen und deshalb mechanisch und ge schmacklos Effekte ohne inneren Zusam menhang anhäufen.“ Haydn besaß das große Geschick, „Fremdes“ und „Vertrautes“ so zu mi schen, daß sein Publikum ihm zu folgen bereit war. Sein „Neues“ wurde unzweifelhaft als „be kannt“ eingestuft. Sein eigener Geschmack übertrug sich nahtlos auf den seines Publikums und nicht umgekehrt. Man jubelte ihm zu. Er mußte sich niemals verbiegen, um seinem Hörerkreis zu gefallen. Z.B. wissen wir von Mozart, daß er in seinen letzten Lebensjahren nicht mehr auf den Publikumsgeschmack Rücksicht nehmen wollte und allein deshalb keine Möglichkeiten für eigene Konzertauf führungen bekam. Haydn war diplomatischer und dadurch erfolgreicher. Und wie kein zwei ter hat er Verstand und Gefühl miteinander ver quickt. Und er hatte Erfolg.