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„So klopft das Schicksal an die Pforte!" 1. Notenseite der 5. Sinfonie in der Handschrift Beethovens Der Eindruck des Unge heuren, Dämonischen, Wilden, einer uner gründlichen Tiefe und ungewöhnlichen Kraft läßt sich aus allen Äußerungen der Zeit genossen herauslesen. Beethoven war verstan den worden. E.T.A. Hoffmann, Schriftsteller und Komponist, drückte aus, was viele Menschen fühlten. Diese Musik „öffnet das Reich des Ungeheuren und Uner meßlichen; ... sie bewegt Hebel des Schauers, der Furcht, des Entsetzens, des Schmerzes und erweckt jene unaus sprechliche Sehnsucht, die das Wesen der Romantik ist". Goethe meinte tief bewegt, nachdem er die Sinfonie 1830 erstmals gehört hat, „das ist sehr groß, ganz toll, man möchte sich fürchten, das Haus fiele ein". eines viersätzigen Ganzen zu vermitteln. Der immense Erfolg der Fünften hatte seinen ersten ] und wichtigsten Grund weniger in der von Beet- ! hovens Biographen herausgestellten Schick salsthematik als darin, daß sie den Nerv der Zeit, nämlich eine grundsätzlich veränderte Wahr nehmungsweise von Musik getroffen hatte. Es war Beethovens erste Moll-Sinfonie, und durch i die Wahl der Tonart c-Moll stellte er sie aus tonartlichem Zusammenhang (Paralleltonart) - wie Fachleute selbst rasch deuten können - ganz bewußt seiner Es-Dur-Sinfonie, der „Eroica“, gegenüber, quasi als Fortsetzung sei ner Befreiungsidee. Alle musikalischen Mittel, von der satztechnischen Arbeit bis hin zum Einsatz des ungewöhnlich großen Orchester apparates - erstmals erklingen Piccoloflöte, Kontrafagott und drei Posaunen in einem sin fonischen Werk, hier im Schlußsatz - stehen im | Dienste dieser grandiosen Idee. Daß gerade in I diesem Werk die Signalmotivik und der Rhyth mus von Musik der Französischen Revolution ständig präsent sind, bedarf keines näheren Belegs. Das sind die mobilisierenden Kräfte im Sinne des Freiheits- und Gleichheitsideals. Die Reihung solch musikalischer Elemente erzeugt rhetorisches Pathos, den „Eclat triomphal“. Und was Grillparzer zu Beethoven geäußert hat, trifft den Kern: „Den Musikern kann doch die Zensur nichts anhaben. Wenn man wüßte, was I sie bei Ihrer Musik denken!“ Beethoven ging es um gesteigerten Ausdruck, nicht um Erfüllung erwarteter Normen. Ihm ging es um das Unverwechselbare seines eige nen Werkes und die Verdeutlichung seines Anliegens, nicht um klassisches Maß - wie noch vordem -, nicht um Natürlichkeit und Ausgleich zwischen den Extremen. Die „Fünfte“ hat es vermocht, wie nur wenige Werke der Musik literatur, den Menschen zum Bewußtsein seiner eigenen Größe zu führen.