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df DRESDNER O PHILHARMONIE göttlichen Wesens aufzufassen und zu ehren. So betrachtete er sich selbst als Gefäß überirdi scher Offenbarungen. Die Lehre von der Natur in Gott und Gott in der Natur, von der Erscheinung Gottes im Allwesen der Welt stei gert sich hier zur mystischen Erkenntnis Gottes in einer einzigen schaffenden Individualität, in seiner - Beethovens - eigenen. Und blicken wir auf Beethovens äußeres Leben, so entdecken wir nichts mehr von der ergebenen Dienst barkeit Haydns, von der kindlich gutmütigen Anhänglichkeit Mozarts oder gar von dem ehr sam-trockenen Beamtentum Bachs. Beethoven steht frei für sich. Was die Welt ihm darbieten konnte, betrachtete er als schuldigen Tribut. Was er ihr dafür zu geben bereit war, kann nur als sein freiwilliges Geschenk verstanden wer den. Und so war er denn auch kein Umstürzler, kein Revolutionär, wie gelegentlich behauptet wird. Da hätte er Vorhandenes zerstören, Neues er finden, vielleicht sogar Gott selbst in Frage stel len müssen. Als Musiker, als Komponist brauch te er das aber nicht. Er konnte auf Vorhandenes zurückgreifen, Ererbtes benutzen, darauf auf bauen. Alle musikalischen Errungenschaften seiner Vorgänger erwiesen sich als durchaus nützlich für ihn. Sie ersparten ihm zeit- und kraftraubende Experimente. Haydn, in gewag ten Neuerungen weit unternehmungslustiger, erfindungsreicher als Beethoven, hatte für den ständigen Fluß der Formen gesorgt und war auf Abwechslung auch in der Art der Darbietung bedacht, liebte sogar Überraschungen und Späße. Beethoven, weitaus konservativer, reiz ten Spekulationen nicht. Er ging ihnen sogar aus dem Weg. Seine Neuerungen waren ande rer Art, geboren aus seinem inhaltlich-philoso phischen Anliegen. So war sein künstlerischer Ansatz anders, anders als der von Haydn und Mozart beispielsweise, wenn auch auf musikali scher Tradition fußend. Ihm ging es um die