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Politische Rundschau. Ueber die Ursachen der tzypokhetenuok hat sich der Vorstand des Deutschen Städtetages in einer Eingabe an dle Reichsressorts ausgesprochen. Einmal ist, so wird er, klärt, der Anspruch der Hypothekengläubiger auf die Erträge des Grundstücks, die Mietzinsen, nicht hinreichend sicher ge stellt, zweitens legt im Falle der Zwangsversteigerung baS geltende Recht dem Ersteigerer so schwere privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Lasten auf, daß daran dle Möglichkeit, das Grundstück zu erwerben, oft scheitert. Vie letzten Ritter des Eisernen Kreuzes. Nach den von der preußischen Generalordenskommission geführten Listen leben zurzeit noch 309 Ritter des Eisernen Kreuzes 1. Klaffe und 29 567 Inhaber der 2. Klaffe. Wechsel im Schutzlruppentommando. AIS Nach folger des bisherigen Kommandeurs der Schutztruppe, Generalmajors v. Glasenapp, der bekanntlich wegen Krank heit zurücktritt, ist laut „Franks. Ztg." Oberst Graeser in Aussicht genommen, der bisherige Kommandeur LesFüstlier- regiments Königin Viktoria von Schweden, Pommersches Nr. 34 in Stettin. Oberst Graeser war während des letzten großen Aufstandes in Südwest als Generalstabsoffizier tätig. Eine bayerische kolonial- und Forstschule. Wie die „Münch. N. N." hören, soll in Miltenberg eine Kolonial- und Forstschule errichtet werden. Die Schule soll junge Leute mit allen einschlägigen Verhältnissen der Kolonien, dem Klima, der Bodenbeschaffenheit und -Kultur, den An- pflanzungsmögltchkeiten usw. bekannt machen und Ihnen alle Kenntnisse vermitteln, die ein Pflanzer haben muß, um in unseren Kolonien erfolgreich zu wirtschaften. Die Anstalt wird ein Privatunternehmer: werden, Las von der Stadt unterstützt wird. Relchspension für De. Karl Pekers. Dem früheren Reichskommiffar für Deutsch-Ostafrika Dr. Karl Peters, der zur Erholung von schwerer Krankheit in Partenkirchen weilt, wurde auf Anregung der Staatssekretäre des Auswärtigen und des Kolonialamts aus dem kaiserlichen Dispositions fonds eine jährliche Pension in Anerkennung seiner Ver dienste um unseren afrikanischen Kolonialbesitz zugewiesen. — Dr. Karl Peters, der vor Jahren im Vordergründe deS politischen Interesses und Meinungsstreites stand, wurde im November 1856 zu Neuhaus a. d. Elbe als Sohn eines Predigers geboren. In einer Autobiographie erzählt er anmutig von seinen Kriegsspielen und Forschungsreisen als Dorfjunge. Nach absolvierten Universitätsstudien ging er nach London, wo er in die englische Kolonialpolittk und -Verwaltung eingeführt wurde. 1883 kehrte er nach Berlin zurück und ging im Herbst 1884 nach Ostafrika, wo er durch Verträge mit den Stammeshäuptlingen für die von ihm gegründete Ostafrikanische Gesellschaft und damit für das Deutsche Reich das 2500 Quadratmeter umfassende ost afrikanische Schutzgebiet erwarb. 1891 wurde er zum Reichskommissar für Ostafrika ernannt. 1896 wurde gegen ihn wegen mannigfacher Beschuldigungen, Grausamkeiten gegen Eingeborene verübt zu haben und dgl., eine Dis ziplinaruntersuchung eingeleitet, dle im März 1897 mit seiner Entlassung aus dem Reichsdienste schloß. Obwohl vielfach in England, setzte Peters doch seine Tätigkeit in Afrika im Interesse des Deutschen Reiches fort und erhielt 1905 den Titel Reichskommissar wieder zuerkannt. Die soeben erfolgte Zuweisung einer Reichspension bedeutet die völlige Reha bilitierung des großen Afrikaforschers, dem das Reich eine seiner betten Kolonien zu danken bat. Wir? ver Reichstag vertagt oder geschloffen? Diese Frage wird zurzeit in der Presse mehrfach erörtert. Die „Krevz-Ztg." hat aber recht, wenn sie ausführt, daß eine Entscheidung darüber noch nicht getroffen werden kann, sondern erst zu erwarten ist, wenn sich übersehen läßt, welche Arbeiten vom Reichstag nach Ostern noch erledigt werden können. Der Reichstagspräsident soll sich für Vertagung ausgesprochen haben, und es wird offen zugegeben, daß die Mehrheit des Reichstags sie wünscht, um den Sommer über im Genuß der Freifahrkarten zu bleiben. Anter dem Mangel landwirtschaftlicher Arbeiter leidet Rußland in demselben Maße wie Deutschland, und man kann eS der Regierung des Zarenreiches nicht ver denken, wenn sie Maßnahmen gegen die Arbeiterauswan derung zu treffen gedenkt. Die Situation verschlechtert sich nämlich noch dadurch, daß die Auswanderung Nicht uner heblich zuntmmt und dnk alliäbrlick etwa 300000 Arbeiter, Im Savile üök Lcimlck. Roman von Egon Rotenfels. 19 Körting, der schon an der Türe war, kam zu Ger trud zurück und betrachtete bestürzt ihr fast aschgrau ge- wordenes Antlitz. „Armes Kind, was ist denn vorgesal- len? Der Brief ist von ihrem Bruder Richard? Ist er krank?" „Nein! O, Richard!" stöhnte Gertrud. „Aber lassen Sie mich wissen, Gerrrud, was vorge- fallen ist, damit ich meine Maßregeln treffen kann, um Ihnen zu helfen. Arthur hat Sie doch meinem Schutze übergeben, ich will ja doch von Herzen gern alles tun, was sich für Sie tun läßt, aber ich muß wissen was vor gefallen ist." Gertrud, die wie ohnmächtig in den Stuhl zurückge fallen war, zögerte einen Augenblick unschlüssig, ob sie den Baron den Inhalt des Brieses wissen lassen sollte; dann aber, wie zu einem plötzlichen Entschlusse gekommen, reichte sie ihm den offenen Bries hin. Schweigend las Körting denselben; schweigend die Augen mit den zitternden Händen bedeckt, verharrte Ger trud in ihrer Stellung. Aus dem Ballsaal aber drang das Geräusch des Festes herauf, tönte die schmetternde Fanfare, welche die Tänzer zur Quadrille rief. Auf der Chaussee, die von Hohenau nach Horrem führt, an der Biegung des Weges, die einen freien Blick auf das Schloß und in der Richtung nach dem benachbarten Willingen gestattete, stand am Nachmittage des Neujahrs tages unter den schneebedeckten Bäumen Gertrud, scharf ausblickend; sie war in warme Reifekleider eingehüllt und ein blauer Schleier schützte sie vor dem scharfen Nord winde; unruhig ging sie aus und ab, offenbar wartete sie »pf jemand, äreifltcherwelfe dle Anträge Ler Kommission, den ehemaligen Kabinettschefs MoniS und Caillaux, Barthou und Briand einen Tadel wegen ihres Verhaltens in Ler Rochette-Ange legenheit auszusprechen, so unangenehm wie möglich. Der Kommissionsoorsitzende Jaures hatte den Kommisstonsmit- gliedern das in den höchsten Regierungskreisen herrschende System Ler Liebedienerei und Schlappheit in so grellen Farben gemalt und so überzeugend auf die Notwendigkeit hingewiesen, die an dem Körper der Republik fressende Eiterbeule aufzuschneiden, daß das Plenum der Kammer um ein scharfes Verdikt kaum herumkommen wird. Viele Abgeordnete werden sich angesichts der am 26. d. M. stalt- findenden Neuwahlen mit der rücksichtslosen Bekämpfung selbst eines Scheines von Korruption auch ihren Wählern empfehlen wollen. Eine Begegnung der Könige von England und Spanien auf den Kanarischen Inseln kündigen Madrider Blätter für die nächste Zeit an und erklären, daß bet der Gelegenheit Fragen der internationalen Politik besprochen werden würden. Findet dle Zusammenkunft, über die von anderer Seite noch nichts verlautet, wirklich statt, so dürfte sie in erster Linie einer Besprechung der Mittelmeer-Frage gelten. Für die Wiederwahl von Asquith, der englische Premierminister hat sich bekanntlich infolge der Über nahme des Kriegsportefeuilles einer Neuwahl zum Unter- Hause in seinem Wahlkreise East Fife zu unterziehen, treten die konservativen Regierungsgegner des Parlaments mit Wärme ein. Obwohl die unionistischen Wähler des ge nannten Kreises am Wahltage, dem 15. April, ihre Stimme nach eigenem Ermessen abzugeben haben, so wird die Lon doner Empfehlung doch nicht ganz unwirksam bleiben. An der Wiederwahl des Premier- und Kriegsministers Asquith ist danach umso weniger zu zweifeln, als in der irischen Homerulefrage ein Kompromiß zwischen den gegnerischen Par teien in sicherer Aussicht steht. — Londoner Blätter halten die Legende von deutschen Waffenlieferungen an Alster trotz des entschiedenen Dementis der zuständigen deutschen Stellen aufrecht. Mehrere Blätter behaupten, der nor wegische Dampfer Fanny mit den 300 Tonnen deutschen Gewehren habe die offene Nordsee gewonnen, das britische Marineministerium habe Maßnahmen getroffen, um die Landung zu verhindern und die Waffen zu beschlagnahmen. Die Gespensterseher werden eine Enttäuschung erleben. Zn Mexiko verlas Präsident Huerta vor dem soeben zusammengetretenen neuen Kongreß eine Botschaft, m der er die feste Absicht aussprach, dem Lande den Frieden wiederzugeben. Die mexikanischen Finanzschwiengkeiten wären allein durch das Verhalten der nordamerikanischen Umon veranlaßt worden, die sich beharrlich weigerte, Huerta als den gesetzmäßigen Präsidenten des Landes anzuerkennen. , ... _ — — - . ... Aus aller Welt. Pegouds Glück und Ende. War Pegouds Ausnahme in Berlin schon sehr kühl, so hat er sich in München erst garnicht sehen lassen dürfen. Die Polizei verbot sein Auf treten, da Demonstrationen gegen ihn wegen des bekannten Verdachts der unehrenhaften Handlungsweise, von dem er sich noch nicht hat reinigen können, befürchtet wurden. Die Gefahren des Kino. Eine Berliner Ärzie-Ver- einigung hat gegen die Vorführung eines Films Protest er hoben, in dem ein Arzt vorgeführt wird, der falsche Operationen ausführt, seine Patienten übervorteilt und be trügerische Handlungen begeht. Die Arzie-Vereinigung hat auf polizeiliche Untersagung der Vorführung dieses Films geklagt, da der Film das Ansehen des Nrztestandes schwer schädige. Der Klage wird sehr wahrscheinlich stattgegeben werden. - Eine hübsche Einrichtung, die Nachahmung ver dien». Das Kommando des Kreuzers „Magdeburg" hat an den Magistrat seiner Patenstadt die Einladung gerichtet, eine Anzahl Volksschüler während der Osterserien zum Er holungsaufenthalt auf der „Magdeburg" zu entsenden. Der Magistrat Magdeburgs hat nun 6 Knaben aus der Volks schule ausgewählt, die am Karfreitag nach Wilhelmshaven zum Osteraufenthalt auf der „Magdeburg" obreisen sollen. Die Kosten für Lie Reise übernimmt die Stadt. Treue eines Hundes, Frederik Mistral, der vor kurzem verstorbene französische Dichter, besaß einen Hund, Kev Kei Koni keine» Herrn untröstlich war. Das Tier dke sogenannten Sachsengänger, ins Ausland abflietzen, Und zwar handelt es sich hierbei vorzugsweise um Polen, von denen etwa 280000 nach Deutschland, 15000 nach Amerika und an AOOO nach Dänemark gehen. Fast alle diese Sachsen gänger werden, nach den Angaben der deutschen amtlichen Statistik, von der Landwirtschaft beschäftigt. Da nun die russische Landwirtschaft sich neuerdings einer intensiven Wirtschaftsmethode zuwendet, so fällt der Abfluß von Ar beitern gerade in den Gebieten mit hoher landwirtschaftlicher Kultur, wie in Polen und in den Ostseeprovinzen, besonders schwer ins Gewicht. Oesterreichs Sorgen. Als vor etwa Vierteljahrsdauer die Durchstechereien beieinerAuswandererlinie bekannt wurden, durch die Tausende österreichischer Wehrpflichtiger nach Kanada auswandern konnten, glaubte man, daß dies starke Stück hoffentlich einzig dastehen würde. Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt, weitere 18 000 Personen haben sich durch ein höchst geschickt organisiertes Bestechungssystem deS Kauf manns Groß ihrer Wehrpflicht entzogen. Zahlreiche Gendarmen haben sich durch Groß, der die Flucht ergriffen hat, bestechen lassen. Eine politische Beleidigungsklage. Der fortschritt liche hessische LandkagSabgeordnete Korell hat den national liberalen Landtaasabgeordneten Winkler wegen beleidigender Äußerungen in Volksversammlungen verklagt. Erhaltung des Schlachtfeldes von Waterloo. Der seinerzeit von England angeregte Vorschlag, das Schlacht feld von Waterloo in seiner alten Gestalt der Nachwelt zu erhalten, ist jetzt vom belgischen Parlament zum Gesetz er hoben worden. Demnach darf die Gegend, die vor nun fast 100 Jahren den blutigen Entscheidungskampf zwischen Napoleon und seinen verbündeten Gegnern gesehen hat, in Zukunft weder bepflanzt noch bebaut werden. Es handelt sich hier also um eine Bestimmung, die, ähnlich wie die Naturschutzbestrebungen, ein altes Geschichtsdenkmal vor dem Untergang bewahren will. Auch Deutschland ist reich an Stätten, die mit der Geschichte unseres Vaterlandes eng verknüpft sind. ES wäre dankenswert, wenn für ihre Er haltung in ähnlicher Weise gesorgt würde. Englands Sorgen. Kaum ist der Spektakel wegen der unbotmäßigen Offiziere Irlands beigelegt und die Sorge wegen der Homerulebill gewichen, da erwachsen dem britischen Reiche schon neue Gefahren aus dem drohenden Ausbruch von Riesenstreits. Die Elektrizitätsarbeiter be gannen den Streik, ihnen folgten die Kohlenarbeiter in den Steinkohlenminen von Uorkihire. 120000 Bergleute be finden sich bereits im Ausstand. Nach Lage der Verhält nisse erscheint die Arbeitseinstellung sämtlicher Bergleute dieses Kohlenreviers, bas die Industriezentren gan^ Eng- lands mit Kohlen versorgt, unvermeidlich. Die Kohlen- preise sind bereits zu schwindelnder Höhe gestiegen. Im Londoner Baugewerbe oroht ein allgemeiner Streik auszu brechen, mit der Proklamation eines Eisenbahnarbeiterstreiks wird allen Ei nstes gerechnet. England kann sich sonach über Nacht vor eine äußerst ernste wirtschaftliche Krise ge stellt sehen. Der Alfterstrei» ist so vollständig erloschen, daß die Unionisten des Londoner Parlaments, die vorher zur Be kämpfung der Homerulebill die Auflösung des Unterhauses und die Vornahme von Neuwahlen forderten, ganz still ge worden sind. Die liberalen Regierungsanhänger sind da gegen ihrer Sache so sicher geworden, daß sie von baldigen Neuwahlen eine beträchtliche Stärkung ihrer Partei er warten. — An Stelle des Generals French, der seinen Ab schied nahm, weil er die Nachgiebigkeit des gleichfalls zurück getretenen Kriegsministers Seely gegen die Offiziere Irlands gebilligt b tte, wurde General Douglas zum General- stabschof ernannt. Der Posten des Generalinspektors soll dem Gerreral Hamilton gegeben werden, der sich augen blicklich in Australien befindet und bei der liberalen Partei sehr beliebt ist. Zusammen mit Haldane veröffentlichte er eine Broschüre gegen die allgemeine Dienstpflicht in England, die der greise Feldmarschall Lord Roberts stets so energisch forderte. Aus Paris. In der Deputiertenkammer, die wider Erwarten doch noch das Budget erledigte, und eine direkte Vermögens" und Einkommenssteuer beschloß, werden die Verhandlungen über den Bericht der Rochette-Kommission den Schluß der am Sonnabend endigenden Tagung bilden. Lebhaft genug wird ?s dabei zugehen, denn den parlamen tarischen Freunden der früheren Ministerpräsidenten sind b - Ungefähr eine Viertelstunde hatte das junge, unge wöhnlich angegriffen aussehende.Mädchen dort gestan den, als sich auf dem Wege von Willingen her Hufschlag und das leichte Nollen von Rädern vernehmen ließ. Ge spannt lauschte sie in die winterliche Landschaft hinaus und atmete erleichtert auf, als ein offener Iagdwagen, der zwei Insassen barg, im scharfen Trabe herangefahren kam und vor ihr hielt. „Habe ich Sie warten lassen, meine Gnädigste," rief Baron Körting, denn er war es, der vom Wagen herab sprang und die Zügeln dem hinter ihm sitzenden Neu mann zuwarf, welcher heute seinen gewohnten feierlichen schwarzen Anzug mit der freiherrlichen Livre vertauscht hatte, „dann bitte ich tausendmal um Entschuldigung; aber ich kann Ihnen versichern, daß ich pünktlich zur ver abredeten Zeit von Willingen fortgefahren bin!" „O, bitte, Herr Baron," wehrte Gertrud seine Ent schuldigung ab, „wenn ich warte mußte so war das sicher meine Schuld; mich hat wohl die Unruhe zu früh hierher getrieben!" Der Baron ließ einen fast mitleidsvollen Blick über das vor Aufregung zitternde Mädchen gleiten und mahnte, indem er einen Blick auf die Uhr warf zur Eile. „Bitte steigen Sie auf, Fräulein Walberg; ich bedaure, Ihnen kein anderes Gefährt zur Verfügung stellen zu können, doch leider hat mein Kutscher gestern mit der Equipage einen Achsenbruch erlitten, der so schnell nicht repariert werden konnte. Wir müssen uns daher heute mit die sem Iagdwagen begnügen, der aber den Vorteil hat, uns schneller' an unser Ziel zu bringen, als die schwere Equi page!" Gertrud hatte inzwischen mit seiner Hilfe auf dem Wagen Platz genommen, während Körting wieder die Zügel ergriff und mit sicherer Hand den feurigen Renner lenkte. In rasender Eile flog das Gefährt dahin; stumm Wh beklommen saß Gertrud neben ihrem Begleiter; scheu blickte sie sich von Zeit zu Zeit um, und zog, wie aus Furcht, erkannt zu werden, den Schleier fester vor das Gesicht, wenn ihnen Wagen oder Fußgänger begegneten. Endlich entrang sich ein tiefer Seufzer ihrer schwer atmenden Brust. „O, Richard, Richard!" rief sie schmerz bewegt aus, „wie konntest Du mir das antun, wie konn test Du das Andenken unserer Eltern schänden?" „Seien Sie ruhig, liebes Kind," versuchte Körting sie zu trösten, „die Sache wird sich wohl noch arrangieren las sen. Sein Fehltritt ist freilich groß und nicht zu entschul digen, sicher hatte er geglaubt, die Summe bald wieder ersetzen zu können, was ihm, wie es scheint, nicht gelun gen ist Hoffentlich hat er Ihnen alles ohne Rückhalt gestanden! Uebrigens war es vernünftig von ihm, unter den obwaltenden Umständen nicht nach Hohenau zu kom men, wo er doch jede Begegnung mit Onkel Zorn fürch ten mußte, sondern ihnen den neutralen Boden der „Gol denen Sonne" in Horrem zu einer Unterredung vorzu schlagen. Sie sind dort nicht bekannt ebenso ich, und so wird die ganze Sache weniger auffallen. Nur möchte ich Sie, liebes Kind, darauf aufmerksam machen," setzte er mit einem lauernden Blick auf Gertrud hinzu, „daß wir gezwungen sein werden, den guten Leuten in Horrem eine kleine Komödie vorzuspielen. Es ist nur eine Komödie," beiuhigte er die erschrocken aufschauende Gertrud. „Sie werden nähmlich dort die Rolle der Baronin Körting, meiner Gemahlin spielen müssen, da sonst unsere Expe dition doch einen etwas abenteuerlichen Charakter erhal ten dürste." Gertrud machte Einwendungen, fügte sich jedoch schließ lich seinen wiederholten Versicherungen, daß dies nach der augenblicklichen Lage der Dinge und in ihrem eige nen Jnterresse nicht zu umgehen sei. Inzwischen waren die Türme des Städtchens Horrem aufgetaucht. (Fortsitzung folgt.)