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Politische Rnndschaa. Vas gekrSnkte ReicystagsprSsidium. Bei der großen Defilierkur am Geburtstage des Kaisers begrüßte der Monarch die Präsidenten des preußischen Abgeordneten- und des Herrenhauses, die Herren v. Wedel und Graf Schwerin, mit einem Händedruck, mährend er dem Präsidenten des Reichs tags, Herrn Kämpf, nur zunickte. Das Reichstagspräsidium erblickte darin eine beabsichtigte Zurückstellung; deshalb schickten die H wf, Paasche und Dove die Wen zur Galaoper zur L r, ung gestellten Billette zurück. Wenn man bedenkt, daß die Herren Graf Schwerin und v. Wedel dem Kaiser persönlich nahestehen, während zwischen dem Monarchen und den Herren des Reichstagspräsiüiums per sönliche Beziehungen nicht bestehen, so liegt, rein menschlich betrachtet, in der Verschiedenartigkeit der Begrüßung keine Kränkung des Reichstagspräsidiums. Immerhin haben diese Erwägungen nicht voll beruhigt, in Reichstagskreisen herrscht vielmehr noch lebhafte Erregung. Aufgefallen war bereits, daß Präsident Kämpf seiner Mitteilung, er habe dem Kaiser die Geburtstagswünsche des Reichstags überbracht, nicht den üblichen Nachsatz folgen ließ, und habe dem Hause den Dank des Monarchen dafür zu übermitteln. Miltelflandspotttik. Staatssekretär Delbrück hat mit seinen Darlegungen in der Mittwochsitzung des Reichstags oei fortgesetzter Beratung seines Etats bewiesen, wie sehr ihm die Fragen und Sorgen des Mittelstandes am Herzen liegen. Er betonte, daß die vielerlei Gesetze sozialpolitischer Natur über Hausierhandel, Sonntagsruhe, Verdingungs wesen, Konkurrenzklauiel usw. übereinstimmend den Zweck verfolgten, den Mittelstand, also in erster Linie das Hand werk, zu fördern. Der Staatssekretär kennzeichnete auch die Schwierigkeiten der Lage des Mittelstandes ganz richtig, wenn er hervorhob, daß dieser von oben durch Großhandel und Großindustrie, von unten durch den Aufstieg der Arbei terklasse bedrängt werde, dagegen keinen direkten Anteil an dem allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung der letzten Jahrzehnte gehabt habe. Herr Delbrück erwähnte dabet nicht, daß der Mittelstand ohne die vielen sozialpolitischen Gesetze, die den Aufstieg der Arbeiterklaffe zur Folge hatten, auch die Lasten nicht zu tragen hätte, die auf seinen Schultern besonders schwer ruhen und ihn hindern, sich so, wie er es sonst wohl könnte, an dem allgemeinen Wettbe werb zu beteiligen. Ein treffliches Wort König Ludwigs. Zu König Ludwig von Bayern kam eine Deputation adliger Damen, um den König zu bitten, das Protektorat über viele Asyle für kranke Tiere zu übernehmen, die im ganzen Reiche ge gründet werden sollen. Der König hörte die Damen an, erkundigte sich, wie viel Geld die Damen für diesen Zweck bereits gesammelt hätten und antwortete bann! „Kranke Tiere, meine hochverehrten Damen, tötet man, kranken Menschen aber hilft man. Verwenden Sie Ihr Geld lieber für die armen, kranken und erwerbsunfähigen Menschen, denen Sie nützen, den kranken Katzen, Hunden und Pferden aber nicht. Folgen Sie, meine Damen und Sie werden ein wohltätiges Werk tun. Ich bitte Sie, mein« Worte zu beherzigen.* Die Damen zogen enttäuscht ab. Sine kugel aus der Schlacht bei St. privat. In Kirberg (Kreis Limburg) wurde der Gerbereibesitzer Leber, ein Veteran von 1870-71, von einer Kugel operiert, die er In der Schlacht von St. Privat erhalten hatte. Leber war seinerzeit mit Erfolg behandelt worden. Seit einiger Zeit aber machten sich bei ihm starke Schmerzen in der Schulter bemerkbar. Die Untersuchung der Ärzte ergab, daß in der Schulter noch ein ziemlich großer Kugelsplttter saß, der jetzt nach 43 Jahren entfernt wurde. Ein Tadel für den Berliner Polizeipräsidenten. In der Budgetkommission des preußischen Abgeordneten hauses wurde der Minister des Innern v. Dallwitz von einem Vertreter der Volkspartei gefragt, ob er durch einen Erlaß der Wiederholung einer Einmischung in ein schweben des Gerichtsverfahren, wie sie durch daS Schreiben deS Herrn v. Jagow an di« „Kreuz-Ztg/ geschehen sei, Vor beugen wolle. Der Minister ging auf diese Anregung nicht ein, betonte aber, daß er mit dem Vorgehen des Herrn von Jagow nicht einverstanden sei. /i Krupp und dle Putilow-Werke. Tatsache ist, daß die Firma Krupp einen großen Teil der Aktien der Putilow« Werke, der größten russischen Artillerie-Werkstätten, erwarbest hat. Es handelt sich hierbet jedoch nur um eine rein finaM stelle Anaeleaenbelt: dak Kruvp, wie in Frankreich lebhaft Hefüchtet wird, m den Besitz der Patente Ser Putilow-Werke und zur Kenntnis wichtigster militärischer Geheimnisse deS Auslands kommen könnte, ist ausgeschloffen. Vee Rücktritt des bayerischen Verkehrsmlniftars v. Seidlein ist beschlossene Sache. Der Grund liegt in Meinungsverschiedenheiten des Königs mit dem Minister in der Schiffahrtsfrage. König Ludwig wünscht eine andere Fassung der bayerischen Schiffstarife unter Anlehnung an Preußen, während Seidlein die Auffassung vertritt, daß hier besondere Tarife eintreten müssen. Vie Frage des Dr. med. denk, wird nach einer Mitteilung der „Deutsch. Medizin. Wochenschrift" eine allge mein befriedigende Lösung im Sinne der Zahnärzte er- sahren. Diesen wird also die Möglichkeit erschlossen werden, den Doktorgrad zu erwerben. Die Angelegenheit läßt sich jedoch nicht von heute auf morgen erledigen. Es müssen vielmehr vorher noch die Dekane der medizinischen und der andern Fakultäten gehört und ein Einvernehmen innerhalb der einzelnen Bundesstaaten hergestellt werden. Deutscher Reichstag. ^201. Sitzung vom 29. Januar. 1 Uhr 15 Min. Am Bundesratstische: Staatssekretär Delbrück. Die zweite Lesung des Etats des Reichsamts des Innern (siebenter Beratungstag) wird fortgesetzt. Abg. Hösch (ks.): Die Handelsoertragsstaaten werden, wie wir annehmen können, die bestehenden Handelsverträge nicht ohne weiteres verlängern. Der große Aufschwung unserer Industrie war nur möglich infolge der Fortschritte der Landwirtschaft, die ihren Vtehstand und Ernteertrag in den letzten dreißig Jahren ganz erheblich gesteigert hat. An den Einfuhrscheinen halten wir fest, da ohne sie dle Zölle für die Landwirtschaft im Osten ergebnislos geblieben wären. Das Verhalten des Bauernbundes kann nur die Nachbar länder ermuntern, mit uns den zollpolitischcn Kampf aufzu nehmen. Rußland führt das Fünfzehnfache des Wertes unserer Ausfuhr nach Rußland bei uns ein; es braucht keine Saisonarbeiter, und wir brauchen daher keine Angst zu haben, daß uns von dorther der Arbeiterzuzug ausgehen wird. Die Frage der inneren Kolonisation ist nicht so einfach. Die Lokalverhältnisse, die Personen der Ansiedler sind zu berücksichtigen. Für den Führer des Bauernbundes Dr. Böhme handelt es sich hauptsächlich um eine Ver dächtigung des Großgrundbesitzes. Die innere Kolonisation ist von konservativer Seite in die Wege geleitet und ener gisch gefördert worden. Die Linke hat sie zu einem groben Schlagwort gemacht. Überhaupt haben die Konservativen für die innere Hebung der Landwirtschaft seit jeher die größten Verdienste. Der Bauernbund hätte besser getan, einen Teil der von ihm auf Agitation und Politik ver wendeten Summen für die praktische Arbeit der wirklichen inneren Kolonisation herzugeben. Heute leiden die Städte unter dem massenhaften Zuströmen von Arbeitern und suchen sie möglichst aufs Land zu schaffen. Wenn das nicht mit der richtigen Vorsicht geschieht, werden die wenigen Bauern durch die entstehenden Schullasten erdrückt. Präsident Kämpf: Der Vorredner hat vom Abg Böhme gesagt, er habe in einem Fall nicht ganz über, zeugungstreu gesprochen. Das entspricht nicht den parla mentarischen Gewohnheiten. Abg. tzestermann (natlib.): Bei den neuen Handels verträgen müssen diejenigen Betriebszweige geschützt werden, die bisher stiefmütterlich behandelt wurden. Daher brauchen wir Hopfen-, Obst- und Gemüsezoll. Die größte Gefahr für die Bauern ist die Gütrrschlächtcrei. Redner polemisiert n längeren, von der Unruhe des Hauses begleiteten Aus- ührungen gegen den Abg. Böhme und die Parteien der Linken. Vizepräsident Paasche: Sie beschäftigten sich fort während mit dem Abg. Böhme und Ihrer eigenen Stellung zum Bund der Landwirte; das hat doch wahrhaftig nichts mit dem Etat des Reichsamts des Innern zu tun. Abg. Hestermann ffortfahrend): Es tut mir in der Seele weh, wenn ich den Zwiespalt in den Reihen der bürgerlichen Parteien sehe. Jetzt kommt es doch allein darauf an, den Kampf gegen den inneren Feind zu führen. Wir müssen unS zu einer gemeinsamen bürgerlichen Schlachtlinie zu sammenfinden. (Beifall rechts, Unruhe und Gelächter links.) Abs- Brubn (Refv.) ivrickt oeaen die Warenhäuser und fielst trotz SeS bereits erfolgten Dementis j-st, oaß das Wölfische Bureau, wie dessen Direktor im Jahr 1900 in einem Prozeß selbst zugeben mußte, einzelne Depeschen dem Bankhause Bleichröder zur Zensur vorgelegt habe. Der Nachrichtendienst sollte verstaatlicht werden. Abg. Erdmann (Soz.): Ich begreife es, daß die Arbeit geber sich der Streikbrecher bedienen, aber ich verstehe nicht, warum man sie noch besonders verteidigt. Leute, die ihren eigenen Standesgenoffen in den Rücken fallen, pflegt man doch sonst nicht besonders zu achten. Die christlichen Ge werkschaften wollen sich jetzt aus den Fängen Roms unter die Fittiche der preußisch-deutschen Regierung retten. Zum Staatssekretär und dessen Ausführungen haben wir kein Vertrauen. Abg. Giesberts (Ztr.): Von einem Terrorismus der Bischöfe gegen die katholischen Arbeiter kann keine Rede sein. Die Zersplitterung und den Unfrieden in der Arbeiter bewegung hat erst die Sozialdemokratie gebracht. Der Schild der christlichen Gewerkschaften ist rein und glänzend, die sozialdemokratischen Anwürfe sind wirkungslos vorüber gegangen. (Großer Lärm bet den Soz., lebh. Zustimmung im Liirll Abg. Schwabach (MIT) Nächte Wünsche -, Staats arbeiter vor. Staatssekretär Delbrück teilte w ,^daß der BundeSrat die Forderung eines Staatsarbeiterrechts abge lehnt habe. Eine Denkschrift über die Staatsarbeiteroerhältniffe soll dem Reichstag vorgelegt werden. Abg. Vogt (kons.) wandte sich gegen eine zu große soziale Belastung der Ge meinden. Abg. Gothein (Vp.) wies konservative Angriffe zurück. Abg. Bassermann teilte mit, daß Ai g. Hestermann wine Rede nicht im Auftrage der Partei gehalten Habs. Freitag 1 Uhr: Kurze Anfragen. Schluß gegen 7 Uhr. Der Regierungswechsel in Elsafl-Lotknngen. Die „Rordd. Allg. Alg.« schreibt amtlich: Der Statt halter in Elsaß-Lothringen, Graf Wedel, hat sein schon im Dezember angebotenes Abschiedsgesuch erneuert. Auch der Staatssekretär Freiherr Zorn von Bulach und die Ünter- staatssekretäre Dr. Petri, Mandel und Koehler haben er neut um ihre Entlassung gebeten. Die kaiserliche Ent scheidung wird voraussichtlich in den nächsten Tagen erfolgen. Nach einer Berliner Meldung der „Köln. Ztg. scheint es nicht so, daß die Entlassungsgesuche in ihrer Ge samtheit sofort angenommen werden. Die gegenwärtige Regierung der Reichslande, über deren baldigen Rücktritt schon seit Wochen kein Zweifel an unterrichteten Stellen mehr bestand, wird also kaum die Er ledigung des Etats in den beiden Kammern des Straßburger Parlaments abwarten, sondern schon vorher den neuen Männern Platz machen. Statthalter Graf Wedel wurde am 5. Februar 1842 geboren, vollendet also in den nächsten Tagen sein 72. Lebensjahr. Er wäre wahrscheinlich auch ohne die Zaberner Vorgänge nicht über den 1. April d. I. hinaus im Amte geblieben. Der Graf wird später nach Berlin übersiedeln und einen Teil des Jahres auf den schwedischen Gütern feiner Gemahlin verleben. Ein Vorfahre des Grafen Wedel war der dänijche Feldmarschall und Gouver neur von Norwegen Graf v. Wedel-Jarlsberg. Der jetzige Statthalter war stets persona grata beim Kaiser und besitzt auch heute noch das Vertrauen seines kaiserlichen Herrn. Staatssekretär Zorn v. Bulach ist neun Jahre jünger als der Staaihalter, mit dem zugleich er aus dem Amte scheidet, und gehört seit 1895 der elsaß-lothringischen Re gierung an. 1881 zum ersten Male in den Reichstag ge wählt, schloß er sich der elsaß-lothringischen, von 1890 ab der konservativen Partei an. Von 1898 an hat er dem Reichstage nicht mehr angehört, auch nicht für ihn kandidiert. Er ist der erste Elsaß-Lothringer, der auf einen hohen Ver waltungsposten in den Reichslanden berufen wurde und hatte diese Auszeichnung dem besonderen Vertrauen des Kaisers zu danken. Er wurde 1895 Unterstaatssekretär und erhielt das Dezernat für Landwirtschaft und öffentliche Arbeiten, 1903 wurde er Exzellenz, 1908 Staatssekretär als Nachfolger v. Köllers. Sein Bruder, der Weihbischof von Straßburg Hugo Zorn v. Bulach, ist Schloßhauptmann der Hohkönigsburg. Unterstaatssekretär Mandel, gebürtiger Bayer, ist 62 Jahre alt. Er trat, nachdem er am Kriege 1870-71 teilge nommen hatte, in den bayerischen Justizdienst ein und wurde 1876 in den reicksländischen Staatsbiensi übernommen. Der Ritter der „blauen Rose". Roman frei nach dem Englischen von W. Conrady. xrady de Bruce schritt mit gewohnter Würde durch die Halle, bis der Anblick eines plötzlich vor ihr auftau- chendcn, stattlichen jungen Mannes, dessen totblaffes Ge- sicht ihr nicht gleich bekannt erschien, sie stutzig machte, j „Wer ist dies?" fragte sie mit dem kältesten Tone, der ihr zu Gebote stand, sich absichtlich an die Dienerschaft wendend. i Der Kammerdiener schien nicht mehr den Mut zu haben, Roberts Karte vorzuzeigcn, nachdem er den gro- ben Mißgriff begangen, jemanden einzulaffen, den seine Herrschaft offenbar nicht einmal vom Sehen kannte. Der 'Fremde ließ es auch gar nicht daraus ankommen, sondern beeilte sich, sich selbst vorzustellen. - k „Mein Name ist Robert Langdon", sagt« er mit lei ser, ruhiger Stimme, denn nur die vollkommenste Selbst beherrschung konnte ihn zum Ziele führen. Seine Haltung war ernst und respektvoll, nur seine Augen leuchteten seltsam, wie die Augen eines Mannes, den ein fester Entschluß unwiderstehlich vorwärts treibt. Lady de Bruce schien zur Statue erstarrt. Vielleicht war daS Mutterherz in ihr doch noch nicht ganz erstor ben, oder hatte der plötzlich etnstürmende Gedanke, von diesem Mann«, waS er auch immer sein mochte, etwas über da» Schicksal ihrer Tochter zu erfahren, für einen Moment den Stolz überwältigt, den sie seiner Annäherung entgegensetzen wollt«? Dies« weichere Regung war aber nur von sehr kurzer Dauer; in eistg-n Lauten tönte e» ihm von ihren blaffen Lippen entgegen: „Ick kenne niemand dieses Namens und bin erstaunt, zu vemehmen, daß jemand, der diesen Namen trägt, zu meinem Hause Zutritt gesunden hat." „Ihren Diener trifft keine Schuld, Lady de Bruce, ich bestand darauf, dorgelaffen zu werden. Wenn ich kei- MN Sinkaß Sekunden hätte, würde ick» draußen auf Ihr« Ankunft gewartet und Ihnen dort auf öffentlicher Straße die Frage vorgelegt haben, die ich jetzt hier an Sie stelle. Geben Sie mir Auskunft über die geheimnisvollen Umstände deS Todes Ihrer Tochter und meines — — WeibeS!" „Ah!" — ein inartikulierter Ausruf entrang sich Lady de Bruces Lippen. Roberts kategorische Frage übte auf sie eine Wirkung aus, die der junge Mann allerdings nicht vorhergesehen hatte. Wenn auch Alicias Gatte wie alle übrigen durch die Todesanzeige in den Blättern getäuscht werden konnte, so blieb nur eine Schlußfolgerung übrig: da Langdon nichts von Lissie wußte, konnte sie auch nicht zu ihm geflohen sein; sie irrte in der Welt umher, war heimatlos, vielleicht ist sie wirklich tot und die fälschliche Nachricht in den Blättern ist am Ende traurige Wirtlich keit geworden! In diesem schrecklichen Augenblicks qual voller Zweifel fühlte Lady de Bruce vielleicht zum ersten male, daß sie Lissies Mutter und auch nur ein Weib w e alle anderen war. „Ich will mit Ihnen allein sprechen", sagte sie mit so veränderter Stimm-, daß die Bediensteten in stummer Verwunderung sich gegenseitig anblicktcn. Sie schritt zun Speisesaale, der Robert an jenen denkwürdigen Abend erinnerte, wo er Lissie so tief und innig lieben gelernt hatte. Mit ritterlicher Höflichkeit, die seinem liebenswürdigen Wesen zu eigen war, öffnete Robert die Türe vor der Lady und fand sich endlich al lein mit ihr. „So ist es also wahr, daß Sie mit meiner Tochter verheiratet waren?" fragte sie und ihre Augen ruhten mit seltsam angstvollem Ausdruck auf dem vor ihr Stehenden. Nur zu gut erinnerte sie sich jetzt seines Gesichtes, ob. gleich dasselbe schmäler geworden war und Spuren von Krankheit, Leid uird Gram trug ES war der junge Künstler, der ihr ob seiner Schönheit ausgefallen war und der an Vornehmheit der Erscheinung und des Be nehmens keinem Lord nachstand. - ^sa, es ist wahr", entgegnete Robert. „Wir wurden am 24. Juli 189— in St. Magdalena am Strande ge traut. Verzeihen Sie uns, Mylady, die Geheimhaltung unserer Ehe, wir liebten uns so sehr, daß wir alle Hin dernisse aus dem Wege zu räumen suchten. W.nn wir gefehlt haben, so sind wir schwer bestraft durch unsere früh« Trennung, durch meines Lieblings allzu frühen Tod. Ich selbst lag schwer krank darnieder, als ich in den Blättern die schreckliche Nachricht las, ohne Einzel heiten, ohne jegliche Erklärung." Einen Moment saß Lady de Bruce schweigend da, allein ihr schweres Atmen deutete auf ihre innere Erreg ung. Endlich sprach sie mit einer Stimme, die vor unter drückter Erregung kalt und hart klang: „Meine Tochter starb für mich, als ich entdecken mußte, daß sie eine He.rat eingegangen, die im äußersten Gegensatz zu meinen Wünschen und Plänen stand." Die beabsichtigte Beleidigung prallte wirkungslos an Robert ab, selbst das Bekenntnis des traurigen Betruges konnte ihn in diesem Augenblicke nicht erzürnen. Jedes andere Gefühl verschwand vor der wilden, wahnsinnigen Hoffnung, die ihre Worte in seinem Herzen aufsieigcn ließen. „Meinen Sie damit, daß Lissie nicht wirklich tot ist?" Mß er hervor. „Nur tot für Sie? O, Gott sei gelobt! Und möge Gott Ihnen verzeihen, Lady de Bruce!" , Sie saß noch immer schweigend da. „Wollen Sie dies wirklich sagerA" wiederholte er ein dringlich. „Ich bin Lissies Gatte und habe das erst« Recht, olles zu wissen. Sagen Sie mir, daß sie lebt!" „Aber, Mr. Langdon, ich kann Ihnen nicht sagen, ob sie lebt oder nicht. Sie sollten wissen, wo sie ist! Sie verließ mich und flüchtete in die Welt hinarrs. Man fand ein Billett auf ch cm Zimmer, worin sie mir mittetlte, daß sie seit einiger Zeit verheiratet, daß sie gegen meinen Wunsch und Willen vewüihlt fei und mich nun für im mer verlasse. Ich möge st« betrachten wie eine, die aus meinem Leben ousgelSscht sei für immer. Da ich später ' Grund zu der Annahme erhielt, Sie seien der von Lissie rrhWt« Gatte, so mußt« ich natürlich annehmen, daß sie.