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den populärsten des Violinrepertoires zählt. Tatsächlich war das Konzert am 23. Dezem ber 1806 wie der Beethoven Schüler und spätere Klavierpädagoge Carl Czerny be richtet, kaum zwei Tage nach seiner Vollen dung, mit größter Wirkung aufgeführt wor den. Doch damit scheint Czerny auf die Publikumsreaktion anzuspielen, die vor allem den virtuosen Geiger Franz Klement feierte. Klement, Konzertmeister am Theater an der Wien, hatte bereits 1804 an der Ur aufführung von Beethovens dritter Sinfonie, der Eroica, mitgewirkt und genoß die Wert schätzung des Komponisten. Aus dieser Position heraus konnte es sich Klement erlauben, Beethoven 1806 um ein Konzert für Violine und Orchester zu bitten. Trotz der positiven Verbindung zwischen Kom ponist und Uraufführungsinterpret war dem Konzert jahrzehntelang kein durch schlagender Erfolg beschieden. Entstehungsgeschichtlich wie formal nimmt das Violinkonzert in Beethovens CEuvre eine Sonderstellung ein, ist es doch sein einziges Solokonzert, das kein Klavier konzert ist, von diesen, insbesondere Beethovens 4. Klavierkonzert, jedoch stark geprägt ist. In diesem wertet Beethoven den Orchesterapparat entscheidend auf und verbindet mit der Überlappung der Ebenen die Eigenarten des Konzertanten mit dem Anspruch des Sinfonischen, so daß ein aus gewogenes Verhältnis zwischen Solo- und Orchesterpart entsteht. Im Violinkonzert schlagen sich diese konzeptionellen Ideen schon im Ausmaß des ersten Satzes nieder, der je nach Interpretation und Solokadenz zwischen 20 und 26 Minuten dauert, damit aber so lange war, wie ein damals typisches Solokonzert insgesamt. Obwohl Beethoven noch an der bewährten Sonatensatzform festhielt, erweitert er diese stark. Charakte ristisch hierfür ist der Beginn des Konzertes mit seinem aus fünf Vierteln bestehenden Motiv, das nur von der Pauke vorgetragen wird und trotz seiner anfänglichen Un- scheinbarkeit im Verlaufe des Satzes, ins besondere in der Durchführung als klang licher Hintergrund für die ausdrucksvolle Kantilene der Solovioline, an Bedeutung gewinnt. Andererseits verzichtet Beethoven auf einen ausgeprägten Gegensatz zwischen erstem und zweitem Thema zugunsten mehrerer Seitengedanken. Reine spiele rische Brillanz ist also weder die Sache des Kopfsatzes noch die des langsamen Mittel satzes im Stil einer Romanze. Beethoven greift mit diesem Typus eine ursprünglich französische Tradition des ausgehenden 18. Jahrhunderts auf, die auch in Deutsch land eine ausgesprochene Romanzen-Mode eingeleitet hatte. Das Miteinander von Solist und Orchester zeigt sich hier, indem die eigentliche motivische Substanz im Orche ster liegt, während die Solovioline diese mit Figurationen umspielt. Eine Kadenz leitet unmittelbar in den 3. Satz, das Finale, über, das zunächst alleine von der Geige bestimmt wird. Hier nun, im Frage-und-Antwort-Spiel zwischen Solist und Orchester, erhält dieser erstmals wirklich die Möglichkeit, sein tech nisches Können unter Beweis zu stellen. Dennoch webt Beethoven auch in diesen Satz sinfonische Elemente ein, so daß an einigen Stellen die traditionelle Form auf gebrochen wird. Diese eigenwillige Konzeption, die sich gegen die Konventionen stellte, dürfte aus schlaggebend für die gleichgültige bis ab lehnende Rezeption des Werkes in den ersten Jahrzehnten nach der Uraufführung gewe sen sein. Erst Joseph Joachim, ein guter Freund von Johannes Brahms, reüssierte 1844 unter der Leitung von Felix Mendels sohn Bartholdy mit dem Violinkonzert und prägte unter anderem das Werk durch seine, noch heute oft gespielte, Kadenz. Geradezu die musikalische Visitenkarte Beethovens ist das Anfangsmotiv seiner 5. Sinfonie c-Moll op. 67 geworden. Kurz und plakativ steht dieser Beginn, den der Komponist nach Aussagen seines Adlatus Anton Schindler mit den Worten So pocht das Schicksal an die Pforte kommentierte,