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ZUR EINFÜHRUNG „Franzi, bleib bei deinen Liedern ..." könnten die Wiener gemeint haben, wenn der Sinfoniker Franz Schubert sich zu Wort melden woll te. Aber haben die Wiener denn überhaupt seine Sinfonien jemals während dessen Lebenszeit zu hören bekommen? Haben sie über haupt gewußt, was da im Laufe ei nes kurzen Lebens von knapp 32 Jahren entstanden war? Öffentliche Aufführungen zu Schuberts Lebzei ten sind von keiner einzigen Sinfo nie nachweisbar, bestenfalls von frühen Werken in mehr oder weni ger privaten Veranstaltungen. Ja, als Liederkomponist war Schu bert - nach schwierigen Anfängen - bekannt geworden, danach auch als ein Schöpfer von Kammer musikwerken und schließlich „thea tralischen" Kompositionen, aber Sinfonien ...? Seine Sechste, die „kleine" C-Dur-Sinfonie, jedenfalls wurde kurz nach seinem Tode in Wien aufgeführt, am 14. Dezem ber 1828. Das war aber auch al les. Und doch hat sich Schubert zeit seines kurzen Lebens vielfach mit der sinfonischen Form beschäf tigt, sich nicht entmutigen lassen, immer wieder, auf dieses Genre zurückzugreifen. Als das „Streben nach dem Höchsten in der Kunst" nannte Schubert seine sinfonischen Arbeiten. Er sah sich durch die Werke Haydns, Mozarts, aber schließlich vor allem Beethovens in spiriert, erkannte in ihnen große Vorbilder und war sich schon als ganz junger Mann einer eigenen schöpferischen Potenz bewußt. Sei ne 1. Sinfonie komponierte er be reits mit 16 Jahren, selbst noch Schüler im Konvikt und schrieb fünf weitere, beinahe jedes Jahr eine, bis 1818. Aus seiner 6. Sinfonie spricht das Erlebnis Rossini, dessen Opern-Musik Wien geradezu in ei nen Taumel versetzt hatte. Bis da hin bewegte Schubert sich gänz lich in klassischen Bahnen und blickte - wie gesagt - auf die musi kalischen Heroen seiner Zeit. Aber Schubert konnte mehr, wußte es und wollte es beweisen. Gerade Beethoven hatte mit acht Sinfonien bis dahin gezeigt, daß die kompo sitorischen Möglichkeiten sich seit Haydn stark verändert hatten, daß die Tonsprache reicher geworden war, daß sich die klassischen For men erweitern ließen. Er hatte aber auch bewiesen, daß die schaffen de Persönlichkeit voller Selbstbe wußtsein nach neuen Wegen su chen muß. Und Schubert mühte sich. Zahllose Skizzen entstanden, kleinere und umfangreichere in den Jahren zwischen 1818 und 1821, die aufscheinen lassen, daß der Komponist auf der Suche war nach einem wirklich eigenen Weg. Er schien aber immer wieder auf gegeben zu haben, fand nicht, was er wollte, blieb in Ansätzen, stellenweise sehr interessanten, stecken. Das nennt man dann Schaffenskrise. Ebenso versuchte Schubert aber auch, in der Klavier sonate Beethoven nachzueilen, sich aber dann auch wieder von ihm lösen zu wollen. Auch hier gibt es Skizzen, Entwürfe, teilweise aus-