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ZUR EINFÜHRUNG 4. Satz: Und wieder ist es ein Signal, mit dem ein Satz beginnt, aber nicht als leiser, ferner Ruf. Schmetternd-radikal wird das Finale (Allegro vivace, 2/4-Takt, C-Dur) eröffnet. In federndem Rhythmus rast eine wilde Jagd dahin bis ein tiefes Atemholen (Generalpause) notwendig wird. Ein neues Licht leuchtet auf im hoffnungsfrohen Holzbläserchor (Seitenthema), obwohl die Streicher in heftiger Bewegung bleiben und vorwärts drängen. Und dann wird sogar Beethovens „Freude, schöner Götterfunken“ in tiefstem Pianissimo andeutend zitiert (Beginn der Durchführung), während es in den Streichern marschartig pocht. Erregung liegt in der Luft, fängt sich im machtvollen Unisono des Themas. An dieser Stelle höchsten Daseinsjubels erklingen vier „Todessignale“ in Hörnern und Posaunen (ähnlich denen des Komturs aus Mozarts „Don Giovanni“, als der sich aus der Ewigkeit zurückmeldet, um den Wüstling in die Hölle zu holen.) Aber das soll nicht aufhalten, sondern nur erinnern, Warnung sein. Und so wird der Marschrhythmus wieder aufgenommen. In vielfältigen Wandlungen werden die motivischen Gedanken gemischt und führen aus gärender Unruhe, in ständigem Vorwärtsdrang, trotz der vierfach wiederholten Tutti-Unisoni kurz vor Schluß, zu taumelndem Jubel. Robert Schumann kommentierte: „Die Sinfonie hat unter uns gewirkt wie nach den Beethovenschen kei ne noch ... Daß sie vergessen, übersehen werde, ist kein Bangen da, sie trägt den ewigen Jugend keim in sich. ... In dieser Sinfonie liegt mehr als bloßer schöner Ge sang, mehr als bloßes Leid und Freud verborgen, wie es die Musik schon hundertfältig ausgespro chen; sie führt uns in eine Region, wo wir vorher gewesen zu sein uns nirgend erinnern können." „Keine Musik läßt uns so in die Ab gründe des menschlichen Daseins blicken wie die Schubertsche - welche unheimliche Tiefen werden allein in den ersten neun Takten der 'Unvollendeten' erreicht keine Musik rührt so an den Schmerz. Schubert spricht in seinen Werken oft einen zutiefst menschlichen Zug an. Man denke doch nur an die Vertonungen des herzzerreißenden Liebeskummers, an welchem Gret chen leidet, die Umsetzung seiner religiösen Empfindungen in man chen Kirchenwerken ... oder die tiefsinnigen wie subtilen und plötz lichen Eintrübungen durch Moll-Ak korde, wenn seine Musik gerade positive Empfindungen beim Hörer ausgelöst hat. Die Schubertsche Musik ist verinnerlichte Musik, ver bunden mit einer sehnsüchtigen und schwermütigen Traurigkeit, welche bescheiden bleibt, ohne sich aufzudrängen" (Werner Bo dendorff, in: Das Orchester 4/97, S. 15). Das alles und noch mehr findet man in der C-Dur-Sinfonie, trotz aller „himmlischen Längen" (Schumann) in sehr konzentrierter Form.