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bracht erschien. Demgegenüber ließ Brahms sich aber nicht davon abhalten, seine kontrapunktischen Künste einzubeziehen (Reprise) und das Werk in eine wirkliche sin fonische Form zu bringen. Der Satz mündet in eine strahlende C-Dur- Coda („Gaudeamus igitur"), einen feierlichen Abschluß mit voller Prachtentfaltung des großbesetzten Orchesters. Nach „Rinaldo" und dem „Deut schen Requiem" hat Brahms kein Chorwerk von gleichem Ausmaß mehr geschrieben. Er bevorzugte jetzt kleinere Gebilde, verdichtete sie aber so stark in ihrem Aus drucksgehalt, daß sie trotz ihrer Kürze machtvoll wirken. Im Herbst 1 869 komponierte Brahms erneut einen Goethetext, des Dichters Eindrücke von einer „Harzreise im Winter", die sogenannten Alt - Rhapsodie op. 53. Brahms verwen dete allerdings nur Teile des Ge dichtes, wählte die ihn besonders berührenden Strophen aus, düstere Bilder, Reflex auf die Werther-Pro- blematik, wahlverwandtschaftlich empfunden. Sie erzählen vom ein samen Wanderer in winterlicher Gebirgsöde, von tiefer seelischer Erschütterung, von Verlassenheit und Weltschmerz, aber dann auch im inbrünstigen Bittgesang von auf keimender Hoffnung. Im „Rinaldo" stand noch eine.Tenorstimme dem Männerchor gegenüber, jetzt führt uns ein dunkler Alt in die Einsam keiten von Natur und Seele. Und wieder antworten Männerstimmen. Rhapsodie Aber abseits, wer ist’s? In's Gebüsch verliert sich sein Pfad, Hinter ihm schlagen Die Sträuche zusammen, Das Gras steht wieder auf, Die Öde verschlingt ihn. Ach, wer heilet die Schmerzen Dess, dem Balsam zu Gift ward? Der sich Menschenhaß Aus der Fülle der Liebe trank! Erst verachtet, nun ein Verächter, Zehrt er heimlich auf Seinen eig’nen Wert In ung'nügender Selbstsucht. Ist auf deinem Psalter, Vater der Liebe, ein Ton Seinem Ohre vernehmlich, So erquicke sein Herz! Öffne den umwölkten Blick Über die tausend Quellen Neben dem Durstenden In der Wüste. „Die musikalische Gliederung ent spricht den Goetheschen Strophen. Doch vermag die Musik in großem Bogen, der inneren Dynamik der Dichtung folgend, den Weg von der Ichbezogenheit, von der Isolati on des Einzelnen, zum Gebet, zum verhaltenen Hymnus zu spannen. Am Ende fühlt sich das Individuum aufgehoben in der Geborgenheit einer Gemeinschaft. Dunkel und schwer und dissonant gespannt führt das Orchester in die Szene ein. Rezitativisch und abgerissen Aufführungsdauer: ca. 13 Minuten Uraufführung: 3.3. J 870 in Jena mit der Altistin Pauline Viardot-Garcia