Volltext Seite (XML)
Der dritte Teil (oder Satz), mit „Zwiesprache von Wind und Meer“ überschrieben, entwickelt einen spannungsvollen Charakter in großer, gefühlsbetonter Spannweite, die von einem fast liebesspielartig raunenden Zwiegespräch bis zur dramatischen Sturmszene reicht. Einem kraftvoll von den Trompeten vorgetragenen Thema, Zitat aus dem 1. Satz, folgt ein zweites, lyrisches in den Holzbläsern (Oboe, Eng lischhorn, Fagott). Aus der Verbindung beider Gedanken - Wind- und Wellen-Motive aus deren Überlagerung und Durchdringung (eine fast durchführungsartige Gestaltung!) entwickelt sich eine un gestüme, durch extreme Leidenschaftlichkeit gekennzeichnete Atmosphäre. Der Bläserchoral meldet sich leise in der Satzmitte, um sich dann gegen Ende wiederum zu einem apotheotischen Gipfel aufzusteigern, ein Hymnus auf die Ewigkeit des Meeres. Mit dröhnendem Paukenschlag endet das Werk. „Ich höre, ich sehe, ich fühle nicht das Meer“, schrieb Pierre Lalo als Kritiker im „Temps", weil er also von einer realistischen Schilderung ausging und die Satzüber schriften wörtlich genommen hatte. Aufführungsdauer: ca. 10 Minuten führung, wenn man zeitgenössi schen Berichten glauben darf, der Musik nicht gerecht, so wird heute gelegentlich auch der 19. Januar 1908, an dem Debussy selbst das Werk in den „Concerts Colonne" dirigierte, als eigentlicher Urauf führungstermin genannt. Wenn auch damals noch vielfach nicht begriffen wurde, was Debussy ei gentlich in seiner Komposition aus drücken wollte, so gehört heute doch gerade dieses Werk zu den am meisten gespielten Orchester stücken des Komponisten. 12 Debussy traf - wie schon erwähnt -nach seiner endgültigen Rückkehr aus Rom mit jungen, künstlerisch revolutionären Dichtern zusammen, dem Kreis um Stephane Mallarme. Paul Verlaine gehörte dazu, eben so Pierre Louys. In den Versen die ser Künstler war ein neuer Stil auf gelebt, dem sich Debussy schnell öffnen konnte, weil sie einen Nerv in ihm trafen. Auch beeindruckten ihn die Bilder der „Freilichtmaler", die man nach dem Titel eines ihrer Bilder recht vage als „Impressioni sten" zu bezeichnen begonnen hat te. Ihn reizte es fortan, eine Musik zu komponieren, die Stimmungen, seelische Schwingungen - aus dem Naturerlebnis bezogen - auffan gen kann. Und da kam ihm das Gedicht von Mallarme „L'Apres- midi d'un faune" - geschrieben 1876 - in die Hände, dessen Mi schung aus Naturzauber und Erotik ihn förmlich gefangennahm. Diese Eglogue (Ekloge, griech. = Hirten gedicht) thematisiert den Traum eines flötespielenden, lüsternen, bocksbeinigen Fauns, halb Mensch, halb Tier, schlafende Nymphen zu verführen. 1892 begann Debussy mit der Komposition. Dreiteilig soll te sie werden, ein Vor-, ein Zwi schenspiel und eine Schlußpara phrase. Aber er führte nur den er sten Teil aus und gestaltete ihn zu einem sinfonischen Gedicht, dem Prelude ä l'Apres-midi d'un faune. Nicht aber diese Verse wolle er Wort für Wort nachzeichnen, mein te der Komponist, sondern die Musik „ist eine ganz freie Illustrie rung ... Sie will kein Resümee des Werkes geben. Es handelt sich viel mehr um die Schilderung der Stim mungen, in denen sich die Wün sche und Träume des Fauns in der