Eindruck des eigenen Erlebnisses. In den 40er Jahren übernahm er dann die Komponistenklasse des Moskauer Konservatoriums. Aber eine tiefe Angst lebte in ihm weiter hin und bestimmte damit auch über lange Zeit seine kompositorische Haltung, die sich nunmehr an der „gesunden, verständlichen und rea listischen Tradition" der russischen Musik orientieren mußte. Und im mer war es eine rechte Gradwan derung. Einerseits durfte er nicht das „weise" Urteil der Partei in Frage stellen, vermiet also sogar entfernte Anklänge an „avantgardi stisch" oder „formalistisch" ver schrieenen Experimente, anderer seits konnte und wollte er dennoch aus dem eigenen, ästhetisch be gründeten Denkschema nicht völlig heraustreten. 1948 wurde er er neut gemaßregelt, gemeinsam mit Prokofjew und Chatschaturjan. Er beantwortete dies, um sich zu schützen, mit einem neuen Werk in demonstrativer Demut vor der großen Partei und schuf das Orato rium „Lied von den Wäldern", eine Ihr Instrument in guten Händen I Joachim Zimmermann Wasastraße 16 • 01219 Dresden-Strehlen Telefon (03 51) 476 33 55 zu erreichen mit: S-Bahn: Bahnhof Strehlen Straßenbahn: Wasaplatz Nr. 9/13 Bus: Wasaplatz Nr. 75/89 und 61/93 Geigenbaumeister in Dresden, Verherrlichung der stalinistischen Aufbauleistung. Selbst noch in der sogenannten „Tauwetter"-Periode nach Stalins Tod (1953) ebbte der „Formalismusstreit" nicht ab. Doch Schostakowitsch war zum Kampf bereit, nicht in der politischen Arena, sondern mit seinen Waffen, der Musik. Er verwendete z. B. in neuen Schöpfungen ältere Frag mente aus seinen Arbeiten, solche, die seinerzeit offen kritisiert wor den waren und weichte damit Ver krustungen auf, die ihn eigentlich hindern sollten, „modern" zu sein. Seine Tonsprache wurde immer selbstbewußter, wußte er sich doch auf einem richtigen Weg. Altere, seinerzeit abgelehnte Werke ka men wieder in die Programme. Sei ne Oper, „Die Nase", durfte sogar wieder aufgeführt werden (1974). Ungeachtet der mannigfachen Aus einandersetzungen mit dem sowje tischen System blieb Schostako witsch zeitlebens ein unverbrüch lich loyaler Bürger seines Landes. So komponierte er ebenso „linien treue" Werke in verständlicherer Tonsprache, gab allerdings seine künstlerische Integrität niemals in einer ihm unverantwortlich erschei nenden Weise preis. Daß er quasi bis zuletzt tonal komponierte, als habe es in unserem Jahrhundert keine geradezu umstürzlerischen Musikauffassungen gegeben, heißt keineswegs, daß er in einer veral teten Musiksprache stehengeblie ben sei. Er stellte die Ton- und Har- moniebezogenheit auf eine völlig eigenständige Weise in Frage, ver- Biographisches: • geb. 12. (25.) 9. 1906 in St. Petersburg, gest. 9.8.1975 in Moskau •1919 Studium am Petrograder Konservatorium (u. a. bei Steinberg) • 1926 Erste Sinfonie (Diplomarbeit) • 1930/32 „Lady Mabeth von Mzensk" (UA 1934) •1936 Beginn einer Kampagne gegen Sch. (Prawdaartikel „Chaos statt Musik") • 1937/41 Professur für Komposition (Leningrader Konservatorium) • 1939/48 Mitglied des sowj. Komponi stenverbandes •1941 Siebente Sinfonie („Leningrader") • 1943/49 Professur am Moskauer Konservatorium •1948 erneute Kritik der Partei am Schaffen • 1959 USA-Reise (Delegation sowj. Komponisten)