kaschieren zu wollen, wobei sogar leere Flecken im Gesamtbild Zurückbleiben können (wie etwa im Falle Giotto in Assisi). ... Die Orchestrierung folgt jener der 'Unvollendeten', aber während die offensichtlich Schubertschen Klang farben erhalten blieben, zeigen sich in der musikalischen Entwick lung der Komposition Episoden, die sich an Mendelssohn an zunähern scheinen, und die Orche strierung möchte dies widerspie geln. Darüber hinaus läßt die Ex pressivität des zweiten Satzes auf horchen, welchem der Geist Mah lers innezuwohnen scheint. Die Skizzen sind durch ein sich ständig wandelndes musikalisches Gewebe verbunden, immer 'pia- nissimo' und 'fern', untermischt mit Anklängen an das Spätwerk Schu berts (die Klaviersonate B-Dur, das Klaviertrio B-Dur, usw.) und durch setzt mit polyphonen Passagen aus Fragmenten derselben Skizzen. Dieser musikalische 'Zement' bil det den fehlenden Zusammenhang und füllt die Lücken zwischen den einzelnen Entwürfen. Er wird stets durch Celestaklänge angezeigt und soll 'quasi senza suono' und ohne Ausdruck gespielt werden. Während der letzten Tage seines Lebens nahm Schubert Unterricht in Kontrapunkt. Notenpapier war teu er, und dies könnte der Grund dafür sein, daß sich unter den Skiz zen zur 'Zehnten Symphonie' eine kurze, einfache Kontrapunktübung findet (ein Kanon in Gegenbewe gung). Diese wurde ebenfalls in strumentiert und dem Andante ein gegliedert. Das abschließende Allegro ist glei chermaßen beeindruckend und der wohl polyphonste Orchestersatz, den Schubert jemals komponiert hat. Diese letzten Entwürfe sind trotz ihres sehr fragmentarischen Zustandes von hoher Homogenität und zeugen von Schuberts Versu chen, ein und dasselbe themati sche Material auf verschiedene Art und Weise kontrapunktisch zu ver arbeiten. Diese Skizzen zeigen ab wechselnd den Charakter eines Scherzos und eines Finales. Diese Zweideutigkeit (welche Schubert wahrscheinlich in einer neuartigen Weise gelöst oder aber verschärft hätte) war von besonderem Interes se: der musikalische 'Zement' soll neben anderen Besonderheiten eben diese Doppelbödigkeit struk turell hervorheben." So ist ein neuartiges Werk entstan den, ein 'rendering' Schubert-Be- rio, ein Bild unserer Zeit, das in die Vergangenheit zurückreicht. Es läßt uns verstehen, wie sehr wir Schu bert lieben und läßt uns seine Mu sik urplötzlich durch die Brille unse rer Gegenwart entdecken, ohne die wir Gefahr laufen könnten, vor lauter Gewohnheit einfach nicht mehr genau hinzuhören.