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Mahlers kompositorisches CEuvre umfaßt, wie schon gesagt, - abge sehen von den meist nicht erhalte nen Jugendwerken, darunter auch etwas Kammermusik - nur zwei Gattungen: die Sinfonie und das Lied. Beide hat er oftmals miteinan der verbunden, einerseits den Be griff des Sinfonischen in extensiver Weise über die traditionellen Gat tungsgrenzen hinausgeführt, ande rerseits dem Lied sinfonische Ge staltungselemente beigefügt und damit völlig neue Formen geschaf fen, Wort und Musik bedingen sich in seinem musikalischen Denken. Wo nicht Worte selbst vertont sind, ist ein verbal-programmatischer Hintergrund zu suchen und in zahl reichen Werken zu finden. Mahler baute in jedem seiner Werke eine Welt auf. Doch er beschrieb keine reale Welt, auch nicht in musikali scher Einkleidung. Er war sich durchaus bewußt, daß Musik, wenn sie sich über eine tönende Struktur hinaus auf Außermusikali sches (Biographisches, Philosophi sches, Politisches) bezieht, dies nur durch die in ihr angelegten Asso ziationsmöglichkeiten vermittelt. So bleibt jedes Programm gegenüber dem musikalischen Ereignis letzt lich irrelevant. Mahlers Musik will weit mehr sein, als bloßes Ausfül len vorgegebener Muster, als eine „tönend bewegte Form", wie es Eduard Hanslick in seinem vielzi tierten und viel mißverstandenen Buch „Vom Musikalisch-Schönen" (1 854) vom „Inhalt der Musik" for derte. Sie will Botschaften verkün ¬ den, und deshalb fließen wohl bei de Aspekte zusammen. Zweifellos war Mahler durchaus der Ansicht, Musik sei ein sinntragendes Kom munikationsmedium, das zwar nicht an Stelle der Sprache treten könne, doch mit ihren ureigensten Mitteln sehr wohl Dinge unseres Lebens auszudrücken vermag. Spielt auch das eigene Erleben in Konzeption und Ausführung eines Werkes eine gewisse Rolle, sollten wir doch nicht versucht sein, diese musikalischen Botschaften auf rein Biographisches zu verkürzen; es ist mehr, was der Komponist uns sa gen will. Bis zu seiner 4. Sinfonie hatte er einen Kreis durchschritten, der - durchaus programmatisch geprägt - sich mit dem Begriff „Wunderhorn-Romantik" umschrei ben läßt und durch die menschli che Gesangsstimme (in den Sinfo nien 2 - 4) zu einer Überhöhung des rein Sinfonischen geführt hatte. Noch einmal benutzte er dann das Wort in einer Sinfonie, sogar in starkem Maße. Das geschah in sei ner gigantomanischen 8. Sinfonie, der „Sinfonie der Tausend" (1906), seinem „magnum opus", in dem „das Universum zu tönen und zu klingen beginnt. Es sind nicht mehr menschliche Stimmen, sondern Planeten und Sonnen, welche kreisen" (Brief Mahlers an Mengelberg). Dort fordert er ein Riesenorchester, acht Vokalsoli sten, Knabenchor und zwei ge mischte Chöre. Eine neunte Sinfo nie zu schreiben, fürchtete er, weil manch ein Komponist - Beethoven, „Symphonie heißt mir eben: mit allen Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt aufbauen." - hatte Mahler einst geäußert.