Volltext Seite (XML)
Musik Das durchkomponierte, einsätzige Werk läßt sich gleichsam in drei größere Abschnitte gliedern. Strahlend, kraftvoll-ungestüm steigen in rasendem Lauf die Violinen auf, die Verwegenheit des Helden zeichnend, und führen zur Vorstellung der Titelfigur (Allegro molto con brio) mit einem triumphalen Thema in pulsierenden Sextoien der Holzbläser. Auf diesen glutvollen Beginn folgt ein lyrisch-schwärmerisches Thema der Solo-Violine im obersten Register: das Motiv eines potentiellen Opfers von Don Juans sogleich einsetzendem stürmischen Liebes werben. Nach einer zart-seufzenden Oboenmelodie (a tempo ma tranquillo) - eine neue Liebessituation - erscheint aufglänzend das zweite, sehr energische Don-Juan-Thema in den Hörnern (molto espressivo e marcato), von den Violinen nachdrücklich umspielt. Der Höhepunkt des Werkes ist erreicht. Mitten in ein jauchzendes Glissando der Harfe und in drängende Akkorde des Orchesters schneidet eine überraschende Generalpause hinein. Unheilvolle, dissonant grummelnde Bässe und unruhige Paukenbewegungen lassen das feurige E-Dur verblassen, münden in ein fahles e-Moll. Der Sinnenrausch von Don Juan ist verlöscht, die Auflösung einer fast ununterbrochenen Spannung. Weit über 100 Aufführungen erlebte „Don Juan" seit Kriegsende bei der Dresdner Philharmonie, bisher letztmals im Mai 1992 in Athen. Jungmeisterstreich voll überschäu mender Lebenskraft und Ausdruck vorbehaltslosen Lebensoptimismus'" (Ernst Krause), ein großer Erfolg bei der Weimarer Uraufführung am 1. November 1 889. Das drän gende Sehnen, das Begehren, Er fülltsein und das verhaltene Glühen dieser Musik ist aus dem Inhalt der ausgewählten Abschnitte des Lenauschen Gedichtes zu verste hen. Der von unersättlicher Lust ge triebene Held bekennt sein, zwi schen Anreiz und Ekel schwanken des dämonisches Liebesverlangen: „Den Zauberkreis, den unermeßlich weiten, Von vielfach reizend schönen Weiblichkeiten Möcht' ich durchziehn im Sturme des Genusses, Am Mund der Letzten sterben eines Kusses. O Freund, durch alle Räume macht' ich fliegen, Wo eine Schönheit blüht, hinknien vor jede Und wär's auch nur für Augenblicke, siegen ... Ja! Leidenschaft ist immer nur die neue; Sie läßt sich nicht von der zu jener bringen, Sie kann nur sterben hier, dort neu entspringen, Und kennt sie sich, so weiß sie nichts von Reue ... Strauss folgte diesen Versen nicht in illustrativer Absicht, sondern ver suchte, allein deren Empfindungs gehalt musikalisch zu erfassen, der so gar nicht einer detaillierten Worterklärung bedurft hätte. Alles Inhaltliche vollzieht sich allein aus dem musikalischen Einfall heraus, den charakterisierenden Motiven und Klangbildern. Strauss zeigte mit dem vulkanischen Feuer seiner Musik, „wie überströmende Le benskraft stärker wirkt als Ewig-Un- befriedigtsein und Vergehen" (E. Krause). Es entstand ein Werk, das die Zeit - seine Zeit des fin de siede - widerspiegelt.