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Sächsische Staatszeitung : 26.11.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-11-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480731217-191511263
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480731217-19151126
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480731217-19151126
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-11
- Tag 1915-11-26
-
Monat
1915-11
-
Jahr
1915
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 26.11.1915
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Landtags-Beilage zur Sächsischen Staatszeitung. Nr. 7. Beauftragt mit der Herausgabe: Hofrat Doenge» in Dresden. 1915. Landtagsverhandlungen. I. Kammer. 4. öffentliche Sitzung den 24. November. Präsident Oberstmarschall vr. Graf Vitzthum v. Eck- städt eröffnet die Sitzung um 12 Uhr 6 Minuten nnttags. Entschuldigt sind: Amtshauptmann Graf zu Castell- Castell, Erlaucht, wegen Krankheit, Graf v. Brühl-Renard wegen dringender auswärtiger Geschäfte und General major Senfft v. Pilsach. Beurlaubt werden: Maior Kammerherr vr. v. Nostitz-Wallwitz bis auf weiteres und Rittergutsbesitzer v. Sandersleben bis 15. Januar wegen Unabkömmlichkeit im Felde. Den Bortrag aus der Registrande übernimmt Hr. Sekretär vr. v. Hübel. Punkt 2 der Tagesordnung: Wahl von drei Mit gliedern und drei Stellvertretern in den Land- tagSausschuh zu Verwaltung der Staatsschulden. (König!. Dekret Nr. 6.) Präsident: Hier schlägt ein § 8 und 8» des Gesetzes vom 20. Februar 1912, die Zusammensetzung des Landtagsausschusses zu Verwaltung der Staatsschulden betreffend, und§39bez. 41 der Geschäftsordnung der Ersten Kammer. Beim letzten Landtage seien aus der Kammer gewählt worden als Mitglieder: Oberbürgermeister Geh. Rat vr. Vr.-In«. Beutler, Domherr vr. v. Hübel und Oberbürgermeister Keil, und als Stellvertreter Kammerherr Graf v. Könnend, Wirkl. Geh. Rat Exzellenz vr. Mehnert und Kammerherr v. Carlowitz. Diesmal seien von der Ersten Kammer wieder drei Mitglieder und Stellvertreter zu wählen. Die Wiederwahl sei zulässig. Geh. Kommerzienrat Waentig-Zittau schlägt vor, die Wahlen durch Zuruf vorzunehmen und beantragt, m den Landtagsausschuß zu Verwaltung der Staatsschulden zu wählen als Mitglieder: Sekretär Domherrn vr. v. Hübel, Ober bürgermeister Keil und Wirkl. Geh. Rat Exzellenz vr. Mehnert, und als Stellvertreter Kammerherrn Grafen v. Könnend, Kammer- Henn v. Carlowitz und Oberbürgermeister vr. Sturm. Die Kammer nimmt diesen Antrag einstimmig an. Die Gewählten erklären die Annahme der Wahl. Punkt 3 der Tagesordnung: Bericht der vierten Deputation, die Zusammenstellung der während des ordentlichen Landtags 1913/14 und der außerordentlichen Landtage 1914 und 1915 von den Kammern gefaßten Beschlüsse und gestellten Anträge und der darauf erfolgten Erledigungen und' Entschließungen betreffend. (Drucksache Nr. 1. — Vgl. Landtagsbeilage Nr. 4.) . Berichterstatter Wirk!. Geh. Rat Sammrrherr tz. Lch-nber-, Exzellenz: Der Bericht sei vom Bureaudirektor des Landtags mit der bekannten Sorgfalt und Zuverlässigkeit ausgearbeitet worden. Die vierte Deputation habe keinen Anstand genommen, ihn zu dem ihren zu machen. Er beantrage deshalb namens der vierten Deputation, in Übereinstimmung mit früheren Vorgängen die vorliegende Zusammenstellung zur beliebigen Einsichtnahme für die Herren Kammermitglieder 14 Tage lang in der Kanzlei der Kammer auszulegen und sodann, falls keinerlei Einwände erhoben worden sein sollten, an die Zweite Kammer abzugeben. Die Kammer beschließt einstimmig demgemäß. Nach Verlesung und Genehmigung des Protokolls wird die öffentliche Sitzung 12 Uhr 20 Min. nachmittags geschlossen. Nächste Sitzung Mittwoch, den 1. Dezember vormittags »^12 Uhr mit folgender Tagesordnung: 1. Vortrag aus der Registrande und Beschlüsse auf die Ein gänge. 2. Antrag zum mündlichen Berichte der zweiten Depu tation über das König!. Dekret Nr. 5, einen Gesetzentwurf wegen der vorläufigen Erhebung der Steuern und Abgaben im Jahre 1916 betreffend. (Drucksache Nr. 4.) 3. Antrag zum mündlichen Berichte der ersten Deputation über das König!. Dekret Nr. 3, den Entwurf eines Provinzialstatuts über die katholischen Kirch gemeinden in der Oberlausitz betreffend. (Drucksache Nr. 2.) 4. Antrag zum mündlichen Berichte der ersten Deputation über das Kömgl. Dekret Rr. 9, den Entwurf eines Gesetzes zur Ab änderung des Gesetzes über die Umgestaltung des Landeskultur- ratS vom 30. April 1906 betreffend. (Drucksache Nr. 3.) 5. An zeige der vierten Deputation über eine für unzulässig erklärte Petition. (Drucksache Nr. 7.) II. Kammer. 6. öffentliche Sitzung am 25. November. Präsident vr. Bogel eröffnet die Sitzung um 10 Uhr 7 Min. vormittags. Am Regierungstische: JhreExzellenzen dicHerren Staats minister Graf Vitzthum v. Eckstädt und v. Wilsdorf, sowie die Regierungskommissare Ministerialdirektor Geh. Rat vr. Rumpelt, ferner Geh. Justizrat vr. Lessing, Geh. Finanzrat vr. Kretzschmar, die Wirkl. Geh. Kriegsräte vr. Sturm und Walde und Geh. Regierungsrat vr. Becker. Es erfolgt zunächst der Vortrag der Registrande. Hierauf tritt die Kammer in die Tagesordnung ein: Allgemeine Vorberatung über den Antrag des Abg. Castan u. Gen., das Vereins- und Bersammlungs- recht betreffend. (Drucksache Nr. 1.) Der Antrag lautet: Die Kammer wolle beschließen: die Reaierung zu ersuchen, im Bundesrate dafür ein- zutreten, daß daS verfassungsmäßige und gesetzliche Recht der Staatsbürger in bezug auf die Verein»., Versammlungs- und Preßfreiheit sofort wieder yergestellt wird. Ehe die Beratunq selbst beginnt, erhält das Wort Gt«t»»l»ister d. «il»d»rs (nach den stenographischen Niederschriften): Ich habe zu dem Antrag folgendes zu erNären: Es handelt sich in der Bekanntmachung der beiden sächsischen stellvertretenden kommandierenden Generäle vom 29. Dezember 1914, betreffend die Außerkraftsetzung der gesetzlichen Vorschriften über die Freiheit der Presse und über die Versammlungs- und BeremSfreiheit, um Maßnahmen, die sie, wie durch das Reichs gericht im Urteile des vierten Straffenats vom 22. Oktober 1915 ausdrücklich anerkannt worden ist, in übertragenen Rechten Sr. Majestät des Kaisers auf Grund des als Reichsgesetz geltenden preußischen Gesetzes über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 rechtswirksam getroffen haben. Verantwortlich für das Verfügte sind die genannten Befehls haber lediglich Sr. Majestät dem Kaiser. Die Regierung vermag sich deshalb für eine Stellungnahme zu den erwähnten Maß nahmen nicht für zuständig zu erachten und lehnt es ab, zu dem heutigen Anträge ihrerseits eine Erklärung abzugeben. Dem Anträge könnte überdies um deswillen nicht entsprochen werden, weil Anordnungen, die im Auftrage Sr. Majestät des Kaisers als obersten Militärbefehlshabers erlassen worden sind, nicht Gegenstand der Beschlußfassung des Bundesrates sein können. Hierauf tritt die Kammer in die Beratung ein. Zur Begründung des Antrags erhält das Wort Abg. Fleißner (soz.): Nach Hinweis darauf, daß über einen gleichen von der sozial demokratischen Fraktion gestellten Antrag wie den vorliegenden bereits am 27. August 1915 im Reichstage verhandelt worden sei, verbreitet er sich zunächst des längeren über die formelle Gültig keit von Art. 68 der Reichsverfassung. Die Verhängung des Be- lagerungszustandes gründe sich auf das preußische Gesetz vom 4. Juni 1851, da die Erklärung eines jeden Teiles des Bundes gebietes in den Kriegszustand durch den Kaiser bisher noch nicht durch ein Reichsgesetz geregelt worden sei. Es liege also in for meller Beziehung ein eigenartiger Zustand vor. Der Antrag seiner Fraktion gehe jetzt darauf aus, daß die Sächsische Regierung beim Bundesrate auf eine Aushebung dieses Zustandes hin wirke. Dazu komme noch, daß der jetzt geltende, auf der mili- tärischenDiktaturberuhende,verschärfte Belagerungszustand nach Auf- fassung seiner Partei der gesetzlichen Grundlage entbehre. Der Redner gehtsodann auf eine Verfügung des stellvertretenden kommandierenden Generals des XII. Armeekorps vom 17. Februar 1915 über die Anzeigepflicht betreffend öffentliche und nichtöffentliche Versamm lungen politischer, sozialpolitscher oder religiöser Natur und Ver träge militärischen oder außer- und innerpolitischen Inhalts sowie deren Zensur em. Diese Bestimmungen erschwerten das politische Leben nicht nur außerordentlich, sondern machten auch eine politische Wirksamkeit direkt unmöglich, insbesondere für die Presse. Gegen alle diese Verordnungen und Verfügungen gebe es kein Rechtsmittel. In Sachsen sei lediglich das Ministerium des Innern zur Verständigung über Zweifelsfälle vorhanden. Es sei aber zwecklos, diesen Weg zu beschreiten. Auch von bürgerlicher Seite sei aus den Kreisen der bürgerlichen Presse eine Petition an den Landtag gekommen, die sich ebenfalls mit der Zensur befasse. Gewünscht werde in dieser Petition, daß die Pressezensur mehr sachgemäß, weitherziger und in der Forni wohl wollender ausgeükt werde. Dabei sei besonders auf die bezeichnende Tatsache hingewiesen worden, daß nach einer Versicherung des Reichskanzlers die Zensur sich nur auf militärische Dinge beziehen und eine vorherige Zensur überhaupt nicht aus geübt werden solle. Der Reichskanzler habe ferner seinerzeit ver sprochen, daß der Belagerungszustand so bald als möglich wieder aufgehoben werden solle. Alle diese Versprechungen des Reichs kanzlers seien nicht nur nicht gehalten worden, sondern der Zu stand sei noch mehr erschwert worden. Dieser Zustand mische sich auch in mehr private Verhältnisse in einer Weise ein, die ganz deutlich zeige, wie es mit der Handhabung dieser Bestimmung stehe. Hierauf schildert der Redner des näheren die Umstände, unter denen einem in Wachwitz wohnenden Rezitator und Schrift steller ein Postausweis versagt worden ist, und fährt fort: Der Schriftsteller habe dann in Preußen anstandslos gegen seine Legi timation den Postausweis erhalten. In der ersten Zeit sei es noch möglich gewesen, Versammlungen abzuhalten, wenn auch schon große Schwierigkeiten bestanden hätten. Später seien Ver sammlungen und Mitteilungen durch die Presse über die Lebens mittelfrage fast in ganz Sachsen verboten oder nicht genehmigt worden, und zwar in der Hauptsache aus dem Grunde, man dürfe jetzt das Volk mit derartigen Versamm lungen und Ausführungen in der Öffentlichkeit nicht be unruhigen. Seine Partei sei im Gegenteil der Meinung, daß eine Beunruhigung durch solche Versammlungen beim not leidenden Volke keineswegs hervorgebracht werden sollte, sondern eher bei den Leuten, gegen die sich seine Ausführungen wendeten, nämlich bei den Lebensmittelwucherern und ähnlichen. (Sehr richtig! links.) Der Redner verbreitet sich hierauf ausführlich über einzelne Maßnahmen der Zenfurbehörde und fährt fort: Es be stehe in der sächsischen Verfassung keine Bistinmung, die nach der Richtung hin einen Schutz gäbe. Aber die Reichsverfassung ent halte in Artikel 22 folgende Bestimmung: „Die Verhandlungen des Reichstages sind öffentlich. Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Reichstages bleiben von jeder Verantwortung frei." Die Bestimmung könnte konsequenterweise auch in Sachsen Anwendung finden. Herausgreifen wolle er aus vielen Fällen noch den einen des preußischen Landtagsabg. Braun aus Berlin, der einen Vortrag über die Lebensmittelteuerung halten sollte. Die Zensur habe so viel in jenem Referate beanstandet, daß die Versammlung nicht abgehalten worden sei. Unter solchen Schwierigkeiten habe heute das gesamte Versammlungswesen zu leiden, und man dürfe ohne Übertreibung sagen, daß das wichtigste politische Staatsbürgerrecht so gut wie aufgehoben sei. In den Kohlenrevieren Zwickau, Lugau,Oelsnitz seien während der ganzen Kriegsdauer den Berg arbeitern allgemein Belegschaftsversammlungen rundweg versagt worden, obwohl diese Belegschaftsversammlungen nichts mit poli tischen oder militärischen Dingen zu tun hätten. Man könne überhaupt eine solche Maßregel vom Standpunkte der einfachen Vernunft schlechterdings nicht begreifen. Zu Kriegsbeginn seien in Dresden Umzüge improvisiert worden, Umzüge vor allen Dingen von den sogenannten nationalen Personen, besonders jüngeren, bei denen zuweilen sogar Gewalttätigkeiten vorgekommen feien. Schließlich habe sich die Bürgerschaft veranlaßt gesehen, am Ende gegen diesen Unfug einmal Vorkehrungen zu treffen. In dem Augenblicke, wo sie die Polizeibehörde bemerkt habe, sei durch eine öffentliche Bekanntmachung jede derartige öffentliche Demonstration verboten worden. Also dem, was vorher diesen Leuten ruhig nachgesehen und gestattet worden sei, sei dann vorgebeugt worden. Damals habe es sich um das gewöhnliche bürgerliche Recht gehandelt; der Belagerungszustand fei in dem Maße damals noch nicht vorhanden gewesen wie jetzt. Der Ab druck eines Feldpostbriefes in dem Mitteilungsblatt des Dresdner Jugendvereins sei verboten worden. Der Brief hätte einen Appell an die Zuhausgebliebenen enthalten dahin, daß sie ihrer Sache treu bleiben und auch in der Zukunft im weiteren Mitarbeiten sollten. Man verstehe nicht, was eigentlich das Verbot rechtfertige. Ein Bortrag über das kommunistische Manifest, ein rein wissen schaftlicher Vortrag, kein politisch-agitatorischer, sei für den Dresdner Bezirk ganz generell verboten worden. Auch hier rechtfertige sich nicht das Vorgehen der Zensurbehörde, gegen die der schärfste Protest am Platze sei. Ein anderes Kapitel sei das der Bestrafung. Auch hier wirke ja jedes Gesetz über den Belagerungszustand so unerhört hart, daß allerdings der Reichskanzler sich bemüßigt fühlen werden müsse, hier Änderung zu schaffen. Es sei bekannt, daß z. B. für die geringen Übertretungen, die in Frage kämen, nur Gefängnisstrafen, und zwar Gefängnisstrafe bis zu einem Jahre für die allergeringsten Versehen zulässig sei. Auch hier seien eine ganze Reihe von Fällen zu verzeichnen, in denen tatsächlich in der unerhörtesten Weise vorgegangen worden sei. Nach Anführung einiger Beispiele fährt der Redner fort: Er weise auch auf die Verordnungen gegen die Jugendlichen hin, die fchon vielfach in Sachsen bestünden, so daß jugendliche Personen unter 18 Jahren sich nach 9 Uhr abends nicht mehr ohne Begleitung Erwachsener auf der Straße sehen lassen dürften. Das greife auch in das Ber- einsleben ein, die jungen Leute könnten sich abends nicht mehr in Versammlungen zusammenfinden, sie müßten auch aus das ver zichten, das Einzige, waS schließlich unter den obwaltenden Verhält nissen noch möglich sei. Straffälle andererArt seien noch charakteristischer. Sie seien in der Form durchaus gerechtfertigt, beruhten aber auf diesem Gesetz, das unerhörte Härten mit sich bringe. Redner führt hierzu einige weitere Beispiele an. Die Begründung der Presse gegenüber hinsichtlich der Handhabung der Zensur und des Verbots von Versammlungen usw. damit, daß solche Dinge ver hindert werden müßten, weil sie auf das Ausland ungünstig wirkten, sei unangebracht. Denn das Ausland werde so und so über die Dinge unterrichtet. Aber noch in anderer Beziehung sei scharfe Verwahrung einzulegen. Es habe sich nämlich heraus gestellt, daß die Zensurbehörden der sogenannten Minderheit seiner Partei in der schärfsten Weise entgegengetreten seien. Selbst der Parteivorstand habe sich in einer Eingabe an den Reichskanzler in schärfster Weise dagegen verwahrt. Seine Partei müsse darauf bestehen, daß es ihr überlassen bleibe, wie sie sich mit den inneren Vorgängen abfinde. Redner erläutert diesen Punkt an der Hand einzelner Fälle ausführlich. Es handle sich bei jenen Vorgängen darum, daß man von den Betroffenen eine Art politischer Gesinnung geradezu erpressen wolle. Man treffe dagegen bestimmte Gesinnungsmaßregeln und verwehre ihnen eine Art politischer Gesinnung. Seine Partei müsse gegen ein solches Verfahren in der schärfsten Weise protestieren. Präsident (unterbrechend): Bei Maßregeln der Regierung könne man nicht von Erpressung sprechen. Abg. Fleißner Zoz.) fortfahrend: Er müsse jedenfalls schärfste Verwahrung gegen ein solches Verfahren einlegen, das von der gesamten deut schen Sozialdemokratie einstimmig in der schärfsten Weise mißbilligt worden sei und noch mißbilligt werde. Er komme dabei auf die Frage der sogenannten Schutzhaft. Das sei ein Vor gehen, das unerhört genannt werden müsse. Die Schutzhaft bestehe darin, daß sich die Behörde das Recht herausnehme, irgendeinen Menschen aus irgendeinem ihr plausibel erscheinenden Grunde sest- zunehmen und ihn Wochen- oder garmonatelang in Haft zu setzen. So sei e» z. B. zwei Parteigenossen von ihm in Düsseldorf er gangen. Auch ein Düsseldorfer Arbeitersekretär sei in Schutzhast genommen worden, weil man angenommen habe, daß er durch sein Vorstelligwerden bei Behörden im Interesse von ausländischen Arbeitern das gegen ihn verhängte Redeverbot übertreten habe. Dabei wolle er nicht Erwähnung tun der vielen Maßregelungen, die bei bestimmten Fällen der Presse gegenüber geschehen seien. Er wolle z. B. darauf Hinweisen, daß der „Vorwärts" verboten worden sei wegen des bekannten Friedensaufrufes des sozialdemo kratischen Parteivorstandes, also einer ganz offiziellen Kundgebung der Partei. Der „Vorwärts" sei dann wiederholt in ähnlicher Weise gemaßregelt worden, und andern Blättern sei es ähnlich ergangen. In Görlitz sei die Zensurbehörde besonders scharf gegen sein Parteiblatt. Die Vorzensur werde gegen eine ganz große Reihe von sozialdemokratischen Blättern in der schärfsten Weise gehand habt. Er weise wiederholt darauf hin, daß der Reichskanzler aus drücklich erklärt habe, daß die Vorzensur nicht eingeführt werden solle. Seine Partei habe seit langem verlangt, daß die Presse Kriegsziele erörtern dürfe. Die Erörterung der Kriegsziele sei schematisch verboten. In der Praxis ergebe sich aber, daß wohl in bürgerlichen Kreisen die Kriegsziele in schärfster Weise erörtert werden dürften — eine Form finde sich dazu immer —, daß aber der sozialdemokratischen Presse gegenüber jedes Eingehen auf diese zweifellos wichtige Frage von vornherein verboten sei. Er erinnere nur an die Eingabe der 93 Professoren, an die Eingabe der Wirtschaftsverbände und ähnliches. Alles das sei in der Presse in irgendeiner Form erörtert worden. Fast jeden Tag könne festgestellt werden, daß diese Verordnung von sehr vielen bürgerlichen Blättern übertreten werde, ohne daß sie gemaßregelt würden. Es müsse festgestellt werden, daß außer der an sich großen Schärfe der Zensur die Zensur auch in der verschieden artigsten Weise angewendet werde, und daß zweifellos seine Partei darunter am allermeisten zu leiden habe. In seiner Partei habe sich das berechtigte Empfinden allmählich herausgestellt, daß diese heute unter Zuständen lebe, die viel schlimmer seien als zu Zeilen deS Sozialistengesetzes. Sobald sich die Kritik rege, werde sie in irgendeiner Form unterbunden, und der Belagerungszustand müsse dazu die Handhabe bieten. Bon der bürgerlichen Freiheit seien nur noch sehr kümmerliche Reste übrig geblieben. Verantwortlich dafür sei die Reichs regierung trotz der Erklärung, die abgegeben worden sei, daß nur die Militärbehörden, die Generalkommandos und der Kaiser die Verantwortung zu tragen hätten. Die Reichsregierung könne den Zustand anordnen und wieder aufheben, wenn sie »volle. Seine Partei wünsche deshalb, daß die sächsische Staatsregierung in dieser Richtung im Bundesrate wirke. Der Zustand solle nur vorübergehend sein. Alles sei ganz anders gekommen. In diesem Vorgehen gegen weite Kreise des deutschen Volkes und gegen die Presse und gegen das politische Leben überhaupt, gegen das Bersammlungswesen, in dieser ganzen Methode liege nach seinem Dafürhalten eine so grenzenlose Mißachtung der Interessen deS Volkes, daß schon deshalb alles getan werden müßte, diesem Zu stande entgegenzuarbeiten und ihn zu beseitigen. Wenn man sich die Presse anderer Länder ansähe, so finde man, daß man dort viel rücksichtsloser schreiben dürfe. Er weise aus die englische Presse hin, wie rücksichtslos dort die Regierung kritisiert werde und wie rücksichtslos dort die Verhältnisse im Lande behandelt würden. Die Möglichkeit einer Aussprache innerhalb des Reiches wäre viel richtiger als der jetzige Zustand. In dem konservativen Anträge Nr. 22 heiße es u. a. daß man dafür sorgen solle, daß Aufklärung im Volke geschaffen werde über die Ursachen der Teuerung. Wenn das geschehen solle, müsse dem Anträge seiner Partei zugestimmt werden. Er habe ausgeführt, daß cS unter den obwaltenden Verhältnissen unmöglich sei, Aufklärung über die wahren Ursachen der Teuerung im Volke zu schaffen. Das sei jetzt verwehrt, in der Presse ver wehrt und in den Versammlungen verboten. So hätte seine Partei eine ganze Reihe guter und sachlicher Gründe, den Antrag zu stellen, von dem sie wünsche, daß er im Hause angenommen
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