Suche löschen...
Sächsische Staatszeitung : 24.11.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480731217-191511249
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480731217-19151124
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480731217-19151124
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-11
- Tag 1915-11-24
-
Monat
1915-11
-
Jahr
1915
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 24.11.1915
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
über eine genügende Menge von Nahrungsmitteln verfüge. Daran fei niemals gezweifelt worden. Wenn im feindlichen AuSlande das Gegenteil geschrieben und gesprochen werde, so fei da» müßiges Gerede (Sehr richtig! rechts.), auf da» lein Gewicht zu legen fei. Was lediglich noch fehle, sei die zweckmäßige Verteilung der Nahrungsmittel, die in genügender Menge da feien und erzeugt würden, ferner, diese Mittel so zu verteilen, daß auch die geringer bemittelten Bevölkerungskreise zu ihrem berechtigten Anteile kämen. Hier sollte inan überall den Handel und feine Einrich tungen und Organisationen mit heranziehen. Soweit die Wünsche der Bevölkerung hier zum Ausdruck gebracht würden, geschähe dies in der sicheren Überzeugung, damit den Plänen des feindlichen Auslandes entgegenzuarbeiten. Die Ernährung des deutschen Volkes zu gewährleisten bedeute in ihrem Erfolge nichts andere», als zu dem entgültigen Siege der deutschen Waffen und Deutschlands Verbündeter mitgeholfen zu haben zum dauern den Gewinn für Deutschlands Macht und Ehre. (Bravo!) Ltaatsminister Graf Vitzthum v. Eckstädt (nach den stenographischen Niederschriften): Meine Herren! Die Nahrungsmittelfrage ist unausgesetzt der Gegenstand der Fürsorge aller zuständigen Stellen im Reiche, in den einzelnen Bundesstaaten und in den Gemeinden. Da sie nicht nur für die weitere Kriegsführung von der allergrößten Be deutung ist, sondern auch, namentlich in letzter Zeit, in der Öffent lichkeit außerordentlich lebhaft, zum Teil auch ohne ausreichende Kenntnis der Tatsacl-en, behandelt worden ist, bieten mir die zur Verhandlung stehenden Anträge eine willkommene Gelegenheit, auf diese wichtige Frage heute näher einzugehen. Ich bin freilich nicht in der Lage, mich auf die vielen heute berührten Einzel fragen einzulassen, die den Gegenstand der verschiedenen Anträge bilden. Ich muß dies der weiteren Beratung, sei es hier oder sei es in der Deputation, überlassen und will mich zunächst auf einige allgemeine Bemerkungen beschränken. Daß die Frage der Volkseruährung während des Krieges noch nicht einwandfrei gelöst ist, ist offenbar. Wenn auch heute als unbedingt sicher gelten rann, daß das Deutsche Reich weder in naher noch in ferner Zukunft ausgehungert werden kann, fo hat doch die starke Preissteigerung, die sehr wichtige Gegenstände des täglichen Bedarfs ergriffen hat, eine Beunruhigung hervorgerufcn, die, wie ich unumwunden zugebe, begreiflich ist. Es ist richtig, daß es auf diesem Gebiete noch viel zu tun gibt, aber ich möchte bezweifeln, ob die leiden schaftliche Art, in welcher die Angelegenheit vielfach in der Öffent lichkeit behandelt wurde, geeignet ist, zu der von uns allen an- gestrebtcu günstigen Lösung wesentlich beizutragen. (Sehr richtig! rechts.) Um so mehr hoffe ich, daß eine sachliche Beratung in diesem hohen Hause zur Beruhigung und Aufklärung beitragen wird. Es ist durchaus begreiflich, daß die Preissteigerung, der ja der Einzelne wehrlos gegenüber steht, zunächst als eine wucherische Ausbeutung der Notlage gedeutet wird und daß man in weiterer Verfolgung dieses Gedankens der Regierung Untätigkeit und mangelnde Tatkraft gegenüber einem solchen verbrecherischen Treiben vorwirft. Solche Vorwürfe sind auch im reichsten Maße erhoben worden. Darüber, ob dies mit Recht geschieht, werden nur die sich verständigen können, die über die verwickelten Vor aussetzungen, aus denen sich die Preisgestaltung ergibt, einig sind. Ich muß daher auch davon absehen, mich in eine eingehende Be handlung dieser Frage cinzulassen, und möchte nur darauf heute mit besonderem Nachdruck Hinweisen, daß die Preisbewegung ebenso wenig wie von dem einzelnen Verbraucher von den einzelnen Er zeugern und Händlern abhängig ist. Noch unbegründeter erscheint mir die Annahme, daß ganze Stände gleichsam in einer stummen Verabredung die Preise künstlich in die Höhe getrieben hätten. Eine solche Beeinflussung ist nach meiner Auffassung gar nicht möglich, und die Regierung hat gegen diese Auffassung, die leider immer wieder mit aller Schärfe hervorgetreten ist und nur dazu beitragen kann, in diese rein wirtschaftliche Frage parteipolitische und Standesunterschnde unnötig hcreinzutragen, entschieden Stellung genommen. Es ist, wie ich bereits in der letzten außer ordentlichen Tagung des Landtages ausgeführt habe, eine selbst- verstündliche Pflicht, den Wucher, wo er sich auch zeigt, mit aller Schürfe zu bekämpfen. Die entsprechenden Bundesratsverord nungen geben hierfür in sehr weiter Fassung die nötige Grund lage. Aber es wäre falsch, die Ursache der Steigerung der Preise allein oder auch nur vornehmlich in dieser verbrecherischen Tätig keit Einzelner zu suchen. Ja auch dort, wo nach unserem Empfinden eine unberechtigte Bereicherung vorlicgt, besteht die Schuld des einzelnen meist nicht darin, daß er selbst die Preissteigerung bewußt verursacht, sondern darin, daß er die sich ihm bietende Gelegenheit eines guten Ge schäfts klug ausnutzt. Ich will das nicht entschuldigen und führe es nur an, um zu zeigen, wie schwierig es für die Behörde ist, die Grenzlinie zu bestimmen, wo der erlaubte Konjunkturgewinn aufhört und der Wucher anfängt. Die Preissteigerung hat zweifel los tiefer liegende und allgemeinere Ursachen. Sie ist begründet, abgesehen von der noch nicht geglückten Verteilung bei verschiedenen Waren — so bei der Kartoffel — bei einzelnen anderen Waren, z. B. der Butter, in der bisher verhältnismäßig geringen Menge der Vorräte, die durch Einfuhr nur sehr schwach ergänzt werden konnten. Wir dürfen aber hoffen — cs ist dies in dieser Be ratung wiederholt betont worden —, daß nach Eröffnung unserer Verbindung mit Bulgarien und bei dem zu erhoffenden günstigen Fortschritt unserer Verhandlungen mit Rumänien auch die bisher noch bestehende Knappheit an Futtermitteln in einer Weise ergänzt werde, daß von einer dauernden Knappheit nicht die Rede sein kann. Wenn ich vorher das Wort „verhältnismäßig" betont habe, so habe ich damit sagen wollen, daß die normale Gütererz en- gung, abgesehen vom Import, ausrcichen würde, den Bedarf im Deutschen Reiche zu decken, wenn jeder Verbraucher seinen Bedarf um ein Geringes einschränken wollte im Vergleich zu der Verschwendung, die man in Friedenszeiten viel getrieben hatte. Die Schwierigkeit liegt aber darin, einerseits den Verbraucher zu der erforderlichen Selbsteinfchränkung zu erziehen, anderseits aber die Produktion zu veranlassen, trotz der durch den Krieg eingetretenen Erschwernisse die gleiche Gütermenge auf den Markt zu bringen. Es will mir scheinen, als ob daneben auch die beständigen Klagen, die in der Öffentlichkeit über die Knappheit und deren angebliche Ursachen geführt werden, mit preissteigernd gewirkt haben. Gibt man aber diese allgemeinen Gründe für eine Preis steigerung zu, so erscheint der Ruf nach Einschreiten der Staats gewalt durchaus berechtigt. Die Ernährung weiter Bolkskreise darf nicht dadurch in Frage gestellt werden, daß nur die wohlhabenden Kreise in der Lage sind, den steigenden Preisen mit ihrem Ver mögen zu folgen. Niemand wird behaupten können, daß die Reichsleitung und die Regierung sich diesem Rufe, dieser Forderung unzugänglich gezeigt haben. Es ist auf diesem Gebiete außer ordentlich viel geschehen, und die Frage kann nur die sein, ob das, was getan wurde, zweckmäßig, rechtzeitig und ausreichend gewesen ist. Ich habe bereits erklärt, daß die Regierung ihre Aufgabe heute noch keineswegs als gelöst ansicht. Daß bei dem, was getan wurde, Mißgriffe nicht vermieden wurden, stelle ich nicht in Ab rede. Ich glaube nicht, daß heute ein Anlaß vorliegt, den Versuch zu unternehmen, das, was bisher von den verbündeten Regierungen unternommen wurde, eingehend zu begründen und zu rechtfertigen, obwohl eine vorurteilsfreie Beurteilung der Gesamtheit der Maß nahmen wohl zu dem Schluß kommen wird, daß im wesentlichen der richtige Weg eingcschlagcn wurde. Da aber Beschränkungen für alle Stände und für alle Kreise des Volkes infolge der Kriegslage unvermeidlich sind und bleiben werden, so kann noch nicht damit gerechnet werden, daß jede Unzufriedenheit mit dem.bestehenden Zustande völlig verschwindet, obwohl er wartet werden darf, daß das ganze Volk auch künftig unvermeid liche Nachteile, die der Krieg bringt, willig trägt und in der ge meinsamen Arbeit an der Anpassung des wirtschaftlichen Lebens an den Kriegszustand auch künftig seinen Willen zur Selbst- behauptung bewahrt. Wenn aber hiernach zurzeit auf eine all gemeine Zustimmung von vornherein zu verzichten ist, fo mag 1 doch in dem Umstande eine gewisse Rechtfertigung de» bisherigen, langsamen Gange» der Dinge gefunden werden, daß auSnahmS- lo» alle beteiligten Stände und Kreise von ihrem besonderen Ge sichtspunkte auS Anlaß zu Klagen zu haben glauben. Landwirte, Güttner und Viehzüchter, Groß- und Kleinhändler, Müller, Gast- Witte, Bäcker und ebenso die große Zahl der Verbraucher sind sich hierin einig. Richt als ob ich in einem Gleichgewichte dieser von den verschiedensten Seiten erhobenen Beschwerden einen befrie digenden Zustand fähe. Die Regierung steht vielmehr durchaus auf dem Standpunkte, daß die auskömmliche Ernährung des Volkes die eigentliche und wichtigste Aufgabe ist, gegenüber der Sonderinteressen irgend eines Standes unter allen Umständen dann zurücktreten müssen, wenn ihr Opfer §ür die Erhaltung der Gesamtheit notwendig wird. Aber es scheint mir selbstverständlich, daß, wo Produzenten und Händler Opfer bringen, auch die Verbraucher in den Kreis derer einzubeziehen sind, denen Opfer durch den Krieg auferlegt werden. Namentlich die neueren Maßnahmen, die die verbündeten Regierungen für notwendig erachtet haben, sind von den» Gedanken getragen, daß unter allen Umstände»» auch die wohlhabenden Kreise neben ande ren Opfern an der allgemeinen Einschränkung des Verbrauchs an Nahrungsmitteln unbedingt teilztmehmen haben. Die Einschrän kung des Verbrauchs an Fleisch, an Butter und Fett wird in be sonderem Maße in diesem Sinne eines sozialen Ausgleichs wirken. Wenn ich von der Verpflichtung gesprochen habe, die die Re gierung hat, die wirtschaftlichen Schäden, die namentlich die inindcrbemittelte Bevölkerung infolge der Erschwerung der Be schaffung der Gegenstände des täglichen Bedarfs trifft, auf das ge ringste Maß zu bringen, fo muß ich nochmals, wie ich das schon früher von dieser Stelle aus näher ausgeführt habe, betonen, daß es sich hierbei nn wesentlichen nicht um eine sächsische Angelegenheit, sondern um eine Reichsangelegenheit handelt. Gewiß hat die sächsische Regierung als die Regierung eines vorwiegend industriellen Landes die besondere Pflicht, der Versorgung der Bevölkerung ihr Augen merk zuzuwenden. (Abg. Günther: Sehr richtig!) Immerhin bildet Sachsen nur einen Teil des großen deutschen Wirtschafts gebietes. Nur das einheitliche Wirtschaftsgebiet kann die Grund lage gerade der wichtigsten Maßnahmen sein. Mit der Größe des Wirtschaftsgebietes wächst aber auch die Schwierigkeit der Auf gabe. Es sind im Deutschen Reiche so verschiedene Wirtschafts- bedingungen der Gütererzeugung und des Umsatzes in den ein zelnen Gegenden vorhanden, daß ohne eine gewisse Vergewaltigung bestehender und am Ort durchaus nicht als drückend empfundener Verhältnisse die allgemeine Regelung gar nicht durchgeführt werden kann. Sowohl die Vereinheitlichung als die Abstufung nach ge wissen Gebieten bringt eine in mancher Hinsicht tötende Schablone mit sich. Es »vcrden durch solche Maßnahmen die wirtschaft lichen Vorgänge, die sich in normaler Zeit nach inneren Ge setze»» wie ein natürlicher Lebcnsvorgang regeln, unter Aus schaltung dieser Gesetze nach dem Gesichtspunkt einer vermeint lichen Vernünftigkeit und Billigkeit willkürlich geordnet. Daß inan über die Vernünftigkeit und Billigkeit sehr verschiedener Ansicht sein kann, versteht sich von selbst, ja cs ist sogar selbst verständlich, daß diese Ordnung in» einen oder den» anderen Falle höchst unbillig wirkt. Trotzdem haben die verbündeten Regie rungen diesen Weg einer starken Rationalisierung wichtiger wirtschaftlicher Vorgänge beschreiten müssen und werden auf ihn» weiter gehen, sofern sich dies als notwendig erweist, um die offen bar noch vorhandenen Schäden zu beseitigen. Daß hierbei von Monat zu Monat das Bild wechselt und neue Aufgaben hcrvor- treten, die sich kurz vorher gar nicht als solche darstcllten, zeigt die Erfahrung. Ich bitte, in diesen» Zusammenhänge auf den Be schluß der Zweiten Kammer, zu dem die Regierung in der außer ordentlichen Sitzung des Landtags im Juli nach eingehender Be ratung in der ersten Deputation Stellung genommen hat, ein- gehen zu dürfen. Es wurden damals mehrere Grundsätze auf gestellt, die als Richtlinien für die weitere Tätigkeit der Regie rung empfohlen wurden. Ich kann feststellen, daß diese Grund- sätze im wesentlichen mit der inzwischen von der Reichsleitung und der Regierung eingenommenen Haltung übereinstimmen. Die Ausfuhrverbote für Lebensmittel sind beibehalten; ebenso eine Kriegsausmahlung für das Getreide. Aus den Kartoffclbeständen der neuen Ernte sind die Speisekartoffeln, die für die menschliche Ernährung notwendig sind, gesichert worden. Die vorhandenen, allerdings nicht sehr großen Futtermengen werden der Landwirt schaft zur Verfügung gehalten, damit diese Nutz« und Schlachtvieh durchbringen kann. Die Selbstwirtschaft der Kommunalverbände nnt Brotgetreide ist nachdrücklichst gefördert, die Bildung leistungs fähiger Kommunalverbände mit Erfolg unterstützt worden. Brot und Mehl sind unter Beibehaltung der Brotkarte, soweit es die Vorräte erlaubten, reichlicher zugeteilt, die Streckungsvorschriftcn wenigstens erheblich gemildert worden. Für Getreide und Speise kartoffeln sind Höchstpreise bestimmt, ebenso solche für Schlacht schweine und für Schweinefleisch. Die Regelung des Zuckermarktcs ist mit den» Erfolg durchgeführt, daß die zeitweise, infolge der verstärkten Nachfrage drohende Preissteigerung vermieden wurde. Gegen bei» Wucher sind scharfe Strafbestimmungen erlassen. Wenn ich hieraus den Schluß ziehe, daß im wesentlichen geschehen ist, was nach der damaligen Voraussicht geschehe»» sollte, so »nutz ich hinsichtlich der Getreide- und Kartoffelpreise noch einige Bemerkungen anknüpfen. Die Gctreideprcise sind, wie bekannt, herabgesetzt worden, obwohl der Ernteausfall der» zeitweilig gehegten Erwartungen nicht allenthalben entsprach. Der Hr. Abg. Nitzschke hat hierzu die Frage gestellt, ob der preußische Landwirtschastsminister iin Bundesrate für eine Erhöhung der Getreidcpreise eingetreten ist. Ich möchte »»»ich darauf beschränken, zu erwidern, daß meines Wissens die gegenwärtiger» Preise in» Bundesräte nicht gegen die-preußischen Stimmen beschlossen worden sind. Für Mehl sind in bei» einzelnen Kornmunalverbänden durchgehend Höchstpreise bestimmt. Wenn trotzdem immer wieder der Wunsch laut wird, Mchlhöchstpreise von Reichs wegen fest zusetzen, fo scheint mir hierin eine Verkennung der Voraussetzungen zu liegen. Solche Höchstpreise könnten vom Bundesrat nur für größere Gebiete einheitlich festgelegt werden und würden damit zweifellos den Vorteil des billigen Mehlpreises, den einzelnen Gegenden infolge besonders günstiger örtlicher Verhältnisse erziele»» können, beseitigen müssen. Solche Unterschiede haben jederzeit mich im Frieden bestanden und könne»» um so weniger als ungerechtfertigt empfur den werden, als die Gegenden, ii» denen der Mehlpreis in folge der Eigenart des Mühlcnbetriebes etwas niedriger gehalten werden kann, meist solche sind, in denen die von auswärts bezogenen Nahrungsmittel nicht so preiswert gehandelt werden können. Es ist durchaus nicht abzusehen, warum die Kommunalveibände, denen diese Festsetzung überlassen ist, nicht auch das Bestreben haben sollten, den Mehlpreis tunlichst niedrig zu halten, nur daß sie hierzu unter Berücksichtigung ihrer Verhältnisse besser in der 'Lage sind als die Reichsleitung. Ich kann daher keinen Grund sehen, warum an diesem Zustande etwas geändert werden müßte. Die Kartoffclpreise sind, wie bekannt, in Sachsen auf 57 M. für die Tonne festgesetzt. Die Kammer hatte in ihren» Beschluß für angemesse»» gehalten, diesen Preis nach dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre zuzüglich eines durch den Kriegszustand be dingten Mehraufwands zu bemessen und Zinsverlust bei Auf bewahrung und Selbstkosten für pflegliche Behandlung zu ver güten. Der festgesetzte Preis ist niedriger, als er wiedrrholt im Verlauf der letzte»» zehn Jahre stand. Der Durchschnitts preis der letzten zehn Jahre berechnet sich nach den Notierungen für Magdeburg auf 46 M. über die Er höhung der landwirtschaftlichen Produktionskosten liegen sehr eingehend begründete wissenschaftliche Untersuchungen vor. Es ist bekannt, daß die Schätzungen zum Teil sehr hoch gehen. Werden aber die in Ihrem Beschluß aufgeführtei» Rebenunistände berücksichtigt, so wird man den jetzigen Höchstpreis als diesen Wünschen durchaus entsprechend ansehen müssen, selbst wenn man von der umstrittenen Frage des erhöhten FutterwerteS gänzlich absieht. Was nun die Besorgung der Bevölkerung mit Kartoffeln anlangt, so Hebe ich zu, daß der gegenwärtige Zustand durchaus unerwünscht »st und die Klagen zum großen Teil berechtigt sind., Ich muß den Kommissaren überlassen, hier oder in der Deputatton darauf einzugehen. M. H., wir sind unS bewußt, daß heute noch eine Fülle von Aufgaben vor uns steht, die dringend der Löfung bedürfen. Ich darf aber hoffen, daß über daS Ziel, nach dem wir streben, eine Meinungsverschiedenheit nicht besteht. Jeder gute Rat, der uns diesem Ziele näher führt, ist uns willkommen. Nur möchte ich die Herren, die uns mit ihrem Nate helfen »volle»», bitten, sich gegenwärtig zu halten, daß es selbstverständlich nicht schwer ist, Vorschläge allgemeiner Art zu machen oder auch nachträglich darauf hinzuwcisen, daß man solche Vorschläge doch viel früher bereits gemacht habe. Die Frage ist nur die, »vie solche Vor- schläge in die Tat umgesetzt werden, und auch für diese Durch führung genügt nicht der Hinweis auf die den» Bundesrat erteilte weitgehende Ermächtigung. Sondern es handelt sich darum, alle wirtschaftlichen Folgen zu übersehen. Für den Verbraucher, der in einem vom Weltverkehr ab geschlossenen Lande lebt, ist die erste und wichtigste Voraussetzung seiner Ernährung die, daß überhaupt genügend produziert wird, also die Erhaltung und Steigerung der Produktion. Daß als dann, soweit hiermit irgend verträglich, billige Preise durchzuführen und die Vorräte gerecht zu verteilen sind, wird vor» keiner Seite und arn wenigsten von der Regierung bestritten. Die Schwierigkeit liegt aber in der Gefahr, durch eine zu starke Herab- setzung der Preise den Anreiz zur Gütererzeugung zu mindern. Hierbei wird es sich darum handeln, ob unter den durch die Höchstpreise gegebenen Verhältnissen auch der am ungünstigsten gelegene Betrieb, dessen Erzeugung für die Volksernährung nicht zu entbehren ist, noch aufrecht erhalten werden kann. Wir würden uns den Boden unter den Füßen weggrabeu, wenn »vir anders handelten. Für die Verbilligung der Lebenshaltung, so weit sie hiernach durchführbar ist, und für die gerechte Verteilung hat der Bundesrat erst in den letzten Woche,» einen starken Vor stoß unternommen, um uns auf diesem Wege weiterzubringen. Die zahlreichen neueren Verordnungen über Verbrauchsregelung und Preisfestsetzungen auf der Grundlage von Richtpreisen müsse»» nun in mühsamster Arbeit in das Leben umgesetzt, ihr Erfolg er mattet werden. Sie wissen alle, daß dieser Erfolg bei so tiefen Eingriffen in das Wirtschaftsleben durchaus nicht immer dein Wunsche entspricht. Es ist schlechthin un- möglich, alle Voraussetzungen und alle Folgen einer solchen Verordnung zu übersehen. So werden die Schweineschlach tungen in» vorige»» Winter heute von der große»» Mehr ¬ heit als ein Mißgriff angesehen. Man spricht von Professoren- schlachtungen und vergißt dabei, daß damals auch höchst angesehene Landwirte nachdrücklichst für diese Schlachtungen eingetreten sind, wobei ich durchaus nicht übersehe, daß andere sie lebhaft bekämpft haben. Ob sie wirklich so überflüssig waren, »vie jetzt leichthin an genommen tvird, ob die überschüssigen Kartoffelvorräte, die sich schließlich in» Mai zeigten, für den ungeminderten Schweinebestand ausgereicht hätten, wird kaum »nehr einwandfrei festzustellen sein. Daß die Kartoffelverordnungei» des letzten Frühjahrs unziveckmäßig waren, steht wohl heute fest. Die Frage, »vie cs Hütte gemacht werden sollen, wird aber sehr verschieden beurteilt. Jnwieweit die Ausschaltung gewisser Handelszweige zugunsten einer Kommunali sierung der Allgemeinheit dienlich waren, ist eine sehr umstrittene Frage. Sie sehen aus diesen Beispielen, die leicht vermehrt werden könnten, daß selbst die nachträgliche Kritik nicht immer in der Lage ist, das Richtige vom Falschen zu unterscheiden. Man darf nicht vergessen, daß das Wirtschaftslebei» ein organisches Gebilde ist, das nicht nach einer rein verstandesmäßigen Formel erfaßt und umgebildet werden kann. (Abg. Günther: Sehr richtig!) Wenn wir trotzdem auch in neuester Zeit und sicher auch in der Zukunft zu einer Weiterei» Rationalisierung der Gütcrverteilung schreiten, so geschieht dies in dein Bewußtsein, daß hierbei unnötige Härten und Fehler nicht vollkommen ver mieden werden können. Die Notwendigkeit zwingt uns aber dazu, solche Eingriffe zu wagen. Dagegen muß ich ablehnen, den äußersten Wünschen zu folgen, die auf eine durchgehende und all gemeine Umgestaltung des wirtschaftlichen Lebens, unter Aus schaltung aller Verhältnisse hinausgehen, unter denen sich jetzt Erzeugung und Verteilung vollzieht. Es scheint mir nicht nur unmöglich, das wirtschaftliche Leben in eine Maschine umzu wandeln und auf diese Weise die Grundlagen der Wirtschaft voll kommen umzuändern, sondern auch höchst gefährlich, sich auf solche überaus gewagte Versuche in jetziger Zeit cinzulassen. Die Tatsache, daß wir den uns aufgedrungenen wirt schaftlichen Krieg bisher siegreich geführt haben, verdanken wir nicht zum wenigsten dein starken und kühnne Unter nehmungsgeist unserer Bevölkerung. Wir verdanken sie der Findigkeit, dem Fleiß und der Energie, mit der Handel, In dustrie und Landwirtschaft, unterstützt von einer treuen Arbeiter schaft, sich selbst geholfen haben. Dieser zunächst von dem eigenen Nutzen geleitete Individualismus bedarf freilich im Interesse der Gesamtheit eines starken sozialen Gegengewichts. Als Gegen gewicht genügen nicht, davon haben wir uns leider überzeugen können, die sozialen Forderungen der öffentlichen Meinung, son der»» cs bedarf auch des harten Zwanges mit den Mitteln einer von sozialem Geiste getragenen Regierung. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Die Regierung hat in dieser Zeit die Ver pflichtung, den Individualismus und den spekulativen Eigennutz, den wir in» Frieder» nicht entbehren können, in» Zaume zu halten. (Sehr gut! bei den Nationalliberalen.) Sie wird aber nicht so weit gehen, die Freude an der Arbeit und die Verantwortung des Einzelnen aufzuheben. Im Gegenteil, ich möchte vielmehr alle Erwerbsstände bitten, sich der ihnen obliegenden großen Verantwortung bewußt zu bleibe»» und die Regierung dadurch zu unterstützen, daß sie die ihnen aufzuerlegenden Opfer trotz äußeren Zwanges mit innerer Freiheit freudig mittragen. Wir müssen in dieser ernsten Zeit alle in die Speichen der Räder greifen, darum ist es der Regierung will ¬ kommen, das schwierige Problem der Ernährung in sachlicher' Arbeit mit Ihnen zu prüfen. Dankbar erkennt auch die Regierung das stille Heldentum an, das viele Familien in diesen Zeiten bewiesen haben. Ich bin auch davon überzeugt, daß unser Volk die Opfer, die ihm noch auferlegt werden »nüssen, mit verständiger Geduld tragen wird. Wir müssen aber nichtnur selberOpferbringen, sondern den anderen das Vertrauen entgegenbringen, daß sie von dem gleichen Geiste der Opfer freudigkeit befeelt sind. In dem Bewußtsein dieser Gemeinschaft werden, dessen bin ich sicher, schließlich alle Hindernisse überwunden, und das Ziel unserer Feinde, uns in einem Erschöpfungskricge zn bezwingen, wird zuschanden werden. Dann wird diese Zeit ge meinsamer Prüfung, geineinsamer Arbeit und in geeinter Kraft erkämpften Sieges für unser Volksleben Segen und Früchte bringen, die alle Opfer übersteigen, die wir bisher gehabt haben. Lassen Sie mich für heute damit schließen. Uber die einzelne»» Anträge »vird sich die Regierung iin weiteren Verlaufe der Be- ratungen aussprechen. (Lebhaftes Bravo!) Der Präsident teilt hierauf mit, daß ein Antrag auf Schluß der Debatte ein gegangen sei, der genügend unterstützt sei. Abg. Uhlig (soz.) spricht gegen den Antrag. Der Präsident teilt mit, daß noch folgende Herren zum Worte gemeldet seien: Friedrich (kons.), Nitzsche (soz.), Bär (fottschr. Vp>), I)r. Kaiser (nl.), Uhlig (soz.), Hormann (kons.), Langhammer (nl.), Trüber (kons.), Brodaus (fottschr. Vp.) und Biener (Deutsch-Völk.) Hierauf wird der Antrag auf Schluß der Debatte mit 39 gegen 35 Stimmen angenommen. Der Präsident teilt weiter mit, daß eine Vereinbaruüg von allen Parteien vor liege, die sämtlichen sieben Anträge zur weiteren Bera- t»ng der Gesetzgebungsdeputation zu überweisen. Die Kammer beschließt einstimmig demgemäß. (Schluß der Sitzung 4 Uhr 9 Min..) Druck von B.V. Teubner in DreSde».
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Nächste Seite
10 Seiten weiter
Letzte Seite