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1. Klavierkonzert in Des-Dur op. 10 im Jahre 1911 mit einem Schlage in Petersburg und Moskau einer breiten Öffentlichkeit entgegentrat und damit wirklich bekannt wurde. 1918 verließ er seine Heimat und begann ein reges Wanderleben durch Europa und die USA, vor nehmlich als Pianist und Dirigent. In Paris - seit 1923 schließlich für längere Zeit - ansäßig geworden, machte er die Bekanntschaft einiger Berühmtheiten der dortigen Musik szene, lernte z. B. auch Igor Stra winsky kennen oder nahm seine früheren, aus der Heimat stammen den Kontakte zum Ballettim presario Sergej Djagilew wieder auf, komponierte auch wieder für ihn, u. a. das Ballett „Ala und Lol- ly", übrigens mit wenig Erfolg. Pro kofjew verarbeitete Teile daraus zu einem seiner extremsten Werke, der „Skythischen Suite". Aber vor allem kam er mit neuen musikali schen Stilrichtungen in Berührung, die ihn fortan zur künstlerischen Auseinandersetzung zwangen, ihn insofern auch zu beeinflussen be gannen, ohne ihn allerdings zu einer direkten Nachahmung zu verführen. Doch er stand unter enormem Erfolgsdruck, verstand es aber, sich in dieser Welt, die immer nach Neuem und Unge wöhnlichem um jeden Preis zu su chen schien, zu behaupten. Seine Musiksprache wurde zunehmend schlichter, klarer, direkter. Pro kofjew hatte sein Rezept entdeckt, sprach selbst von einer „neuen Ein fachheit". Seit frühester Jugend hatte er sich für das Theater interessiert, für die Wirkungen, die auf der Bühne zu erzeugen und musikalisch ausdeut bar waren. So ist es kaum verwun derlich, daß auch in seinen konzer tanten Werken bildhaft-plastische Elemente auftauchen, erkennbare Schilderungen herauszuhören sind, musikalische Zeichnungen durch scheinen. Schließlich, allerdings viel später, machte er sogar Erfah rungen mit dem Film, schrieb eini ge bemerkenswerte Filmmusiken, z. B. zu Sergej Eisensteins „Alex ander Newski" (1938) und „Iwan der Schreckliche" (1942/45). Auf Dauer hielt es ihn nicht im Aus land. Nach einigen Besuchen in sei ner alten Heimat (seit 1927) kehrte er 1936 vollends zurück. Die Pari ser Luft war seinen Inspirationen nicht bekommen, wie er bekannte. „Ich muß die russische Sprache in meinem Ohr widerhallen hören, ich muß mit den Leuten reden, ... damit sie mir etwas zurückgeben, was mir hier fehlt: ihre Lieder, mei ne Lieder." Die alte Heimat hatte ihn anfangs enthusiastisch aufge nommen. Das stand in einem verlockenden Kontrast zu den oft mals kühlen Reaktionen des Pariser Publikums. Und doch bemerkte er bald, daß seine Rückkehr ihm Fes seln auferlegt hatte, er in ein Land gekommen war, das auch ihn, wie viele andere sich frei entfaltenden Künstler, reglementieren wollte. Nur widerwillig ordnete er sich, schließlich sogar mit großen Schwierigkeiten, einer stalinistisch