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Sächsische Staatszeitung : 16.11.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-11-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480732469-192511165
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480732469-19251116
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480732469-19251116
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-11
- Tag 1925-11-16
-
Monat
1925-11
-
Jahr
1925
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 16.11.1925
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— Sächsische StaatSzeituua — Eeite L zu Nr. »66 Montag, 16. November 1925 vetzirUiche Pr-tzag»»-» f»r el» vuch de» Exkro»»rl»zen. Berlin, 15. November. Der „vorwärts" veröffentlicht eine Verfügung der Königsberger Schutzpolizei, inderbaS Kronprinzenbuch „Ich suche die Wahrheit« zu vor- zugSpreisen den Schupomänneru von Königsberg empfohlen wird. Die Verfügung hat folgenden Wortlaut: Kommando der Schutzpolizei. Königsberg, den 12. 9. 1925. 1. Im Umlauf. X. L. T. u. I-dg. Polizei-Jnsp. I Kraft Polizei-Jnsp. II Nachricht Luft zur Kenntnis und evtl. Bestellung. Der Direktor der Polizeiberufsschule hat gleichfalls eine Sammel, bestell-Liste zur Ausnahme von Bestellungen er halten. Ter Umlauf ist zu beschleunigen. Frist zum Umlauf ein Tag pro Dienststelle. gez.: Rosen. 2. W v. Abschrift. Wir liefern zu Vorzugspreisen bei Sammel bestellung: 1. Das neueste Buch des Kronprinzen, das neueste Buch „Ich suche die Wahrheit", gebunden, Laden preis 5,50 M., durch uns 5 M. Der Kronprinz widerlegt auf Grund umfassender Kenntnisse die Lüge von der Schuld Deutschlands am Weltkriege. Das Buch bietet eine gründliche und dabei leicht verständlich und interessant geschriebene Darstellung der politischen Vorgänge. Mit erfrischender Deut- lichkeit wird dabei den Feinden ihr Bild vorgchalten. Jeder Vaterlandsfreund möge die Anschauung des Kronprinzen kennen lernen. „Deutsche Treue« Arbeits- und Vermittlungsstelle für die Pflege der vaterländischen Überlieferungen. VcrsorgungSanwärter (Inhaber des Zivil- vcrsorgungsschcincS, des Zivildienst, scheines, des Polizeiversorgungsscheines oder des Beamtenscheines, dieser für die nach dem Reichsversorgungsgesetz versorgten Schwerbeschädigten), die sich auf Grund des VersorguugsscheineS bei einer Be- Hörde zur Anstellung vormerken ließen, müssen der die Bcwerbcrliste führenden Behörde die Aufrechterhaltung ihrer Vormerkung alljährlich bis zum 1. Dezember mit- geteilt haben. Ter Reichsbund der Kriegs- beschädigten macht darauf aufmerksam, daß die Vormerkung dann erlischt, wenn die bis spätestens 30. November fällige Mel- düng über die weitere Vormerkung unterbleibt. Deshalb muß jeder Versorgungsanwärter sofort der Behörde, bei der er sich vormerken ließ, die Aufrechterhaltung seine Vormcrkmy schriftlich mit- teilen. Kleine politische Nachrichten. Münster, 15. November. Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Franz Laufkötter ist am Sonntag nachmittag 2 Uhr plötzlich an einem Schlaganfall verschie- den. Er befand sich auf der Fahrt zu einer Wahl versammlung. Ter Tod erfolgte im Zuge. Ter Parteitag der Sozialdemo kratischen Partei Oesterreichs. Wien, 15. November. Auf dem Parteitag der Sozialdemo kratischen Partei Österreichs erstattete gestern Danneberg einen ausführlichen Bericht über die Tätigkeit der Partei. Hierbei unterstrich er insbesondere die Verquickung zwischen Politi! und Geschäft. Um die Sozialdemokratische Parte von einer solchen Verquickung fernzuhalten, pellte der Parteivorstand verschiedene Anträge. Der wichtigste besagt, daß Parteimitglieder in Zukunft nicht mehr dem verwaltungßrat einer Aktiengesellschaft oder ähnlicher Unter nehmungen angehören können, allerdings mit der Ausnahme, daß sie nicht als Person, sondern als Vertreter von Genossenschaften oder öffent- lichen Körperschaften in einen BerwaltungSrat entsandt wurden. Jedoch müssen die Einkünfte, die Parteimitgliedern auS solchen Posten zu kommen, den betreffenden Unternehmungen zurück- erstattet werden. In der Sonntagssitzung erstattete vr. Otto Bauer sein Referat über das Ngrarprogramm der Partei. Dieses Programm befaßt sich im ersten Kapitel mit den Forderungen zur Hebung der Produktivität der Land wirtschaft und fordert die Befreiung der Landwirtschaft von der Ausbeutung durch daS Handelskapital,Maßregeln gegen die Überschuldung der Landwirtschaft sowie eine Reforni der Besteuerung, namentlich in der Rich- tung, daß das Einkommen des arbeitenden Bauern ebenso besteuert wird, wie das des Arbeiters. Im nächsten Kapitel werden die Forderungen zum Schutze der Landarbeiter aufgestellt: wobei die Errichtung von Heimstätten für besitzlose Landarbeiter verlangt wird. Das dritte Kapitel betrifft den Übergang zur sozialistischen Gesellschaftsordnung, wobei die Sozialisierung des großen Torfbesitzes sowie des land wirtschaftlichen Großgrundbesitzes ver- langt wird. Im letzten Kapitel wird die Stel- lung der Bauern in der sozialistischen Gesellschaft betrachtet und an die Spitze der Satz gestellt: „Der Sozialismus bekämpft das Agrareigentum der Herrenklasse, nicht aber das Arbcitseigentum der Bauern. Durch die Sozialisierung des Agrar- eigenlums der Herrenklasse wird das Arbeitseigen, tum der Bauernschaft nicht gefährdet, sondern ge- festigt." Tas Referat vr. Bauers dauerte über zwei Stunden und füllte den größten Teil der Sonntagsvormittagssitzung aus. Dann begann die Debatte über diesen Pmckt, die morgen fortgesetzt wird. Tie Beratungen der Finanz- kommisston der franzöfischeu Kammer. Paris, 15. November. Die Finanzkommission der Kammer jat die Beratung der abgeänderlen Re gierungsvorlage derart beschleunigt, daß ihr Berichterstatter die Möglichkeit erhalten hat, seinen ür das Plenum bestimmten Bericht bis Montag abend fertigzustellen. Bereits am Dienstag nach mittag soll die Kammer mit der ersten Lesung des Finanzgesetzes beginnen. Mit Rücksicht auf die Dringlichkeit gewisser Maßnahmen, die zur Behebung der augenblicklichen Schwierigkeiten des Schatzamtes in Aussicht genommen sind, besteht bei der Regierung angeblich die Absicht, der Kammer vorzuschlagen, zunächst den zweiten Teil des Gesetzes zu verabschieden und die Aus sprache über das Steuerprogramm, die angesichts der zu erwartenden Widerstände längere Zeit in Anspruch nehmen dürfte, auf Ende der Woche zu vertagen. In der Finanzkommijsion kam es gestern wieder zu einem Zwischenfal.l. Von bürger licher Seite war beantragt worden, von der Abgabe auf mobiles Vermögen Biblio theken und wissenschaftliche Verbände zu befreien. Dieser Antrag wurde vonAuriol scharf bekämpft mit der Begründung, daß eine Bestimmung dieser Art der Steuerhinter- ziehung Tür und Tor? öffne. Die Folge war, daß drei radikalsozialistische Mitglieder der Kommission ihre Unterschriften unter den Antrag zurückzogen. Trotzdem wurde er mit einer Stimme Mehrheit an genommen. Bei den Sozialisten hat diese Flucht auS dem beschlossenen Fraktionszwang um so lebhaftere Verstimmung ausgelöst, als gerade die sozialistische Fraktion in den letzten Tagen für die Aufrechterhaltung deS Kartells schwere Opfer gebracht hat. Unterredung PaluledöS mit Sarrail über Syrien. Paris, 15. November. Painle vö empfing heute mittag den General Sarrail zur Berichterstattung über die Lage in Syrien. Nach der Unterredung erklärte Sarrail gegenüber Journalisten, er sei bezüglich der Lage in Syrien nicht pessimistisch. Bei der Ankunft des Generals soll sich zwischen ihm und seinem Nach- folger de Jouvenel ein Zwischenfall abgespielt haben, de Jouvenel wünschte von Sarrail über die Lage in Syrien unterrichtet zu werden. Dieser lehnte dies anfangs ab. Als aber de Jouvenel darauf bestand, erklärte der General, der offenbar schwer gekränkt ist, weil man euren von ihm ent- lassenen höheren Beamten der französischen Zentralverwaltung schon jetzt als Mitarbeiter de Jouvenels nach Syrien zurückgesandt hatte, er stehe ihm nachmittags zu einer Besprechung zur Verfügung. Demission -es holländischen Kabinetts. Haag, 15. November. Wie die Niederländische Telegraphen-Agentur erfährt, empfing die Königin heute den Vor sitzenden des Ministerrats, der, obwohl ein eigent licher Konflikt in konstitutionell parlamentarischem Sinn zwischen dem Kabinett und der Kammer nicht vorliegt, wegen des Entlassungsgesuchs der vier der Katholischen Staats- Partei angehörenden Minister und den damit zusammenhängenden politischen Schwierig keiten, die Portefeuilles der übrigen Kabinetts mitglieder zur Verfügung stellte. Die Königin hat das Entlassungsgesuch des gesamten Kabinetts in Erwägung gezogen und gleichzeitig sämtliche Minister gebeten, die laufen- den Geschäfte zu erledigen. Muffslinis Machtbefugnisse wachsen. Rom, 15. November. Der Ministerrat nahm den Gesetz, entwurf betreffend die Befugnisse und Vor rechte des Ministerpräsidenten und einen Gesetzentwurf betreffend Abänderung der Staats bürgerrechte an. Wie „Epoca" und „Jdea Nazionale" hierzu melden, besteht das angenommene Gesetz aus zehn Artikeln, die folgendes bestimmen: Der Minister präsident wird vom König ernannt und entlassen und ist allein dem König für die allgemeine Richtung seines Ministeriums verant wortlich. Die übrigen Minister werden vom König auf Vorschlag des Minister präsidenten ernannt und entlassen und sind dein König und dem Ministerpräsidenten verant wortlich. Ohne Zustimmung des Minister präsidenten darf kein Gegenstand auf die Tagesordnung einer der beiden Kammern gesetzt werden. Einfache Be leidigungen gegen den MinisterprSsi. denten werden mit Gefängnis bit z, 30 Monaten, emAnschkag auf daSLebe» des Ministerpräsidenten mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft. Bon dem angeblichen Attentat-plan gegen Mussolini hört man heute nur noch bitter wenig. Auch über den Verlauf der Untersuchung ist nichts zu erfahren, obwohl man onnehmen sollte, daß sie bei den klaren Beweisen, die Mussolini für das Attentat angeblich besitzt, längst abgeschlossen sein müßte. ES scheint jedenfalls, daß die ver- hafteten Personen sich nicht vor einem ordent lichen Gericht zu verantworten brauchen, sondern bis zu ihrem LebenSende im Kerker schmachten müssen, weil die italienische Regierung eine öffent- liche Verhandlung über den Attentatsplan infolge des unzulänglichen Beweismaterials selbst fürchtet. Inzwischen aber bemüht man sich, den Attentat-- plan als Vorwand für bestimmte dikta- torische Maßnahmen zu benutzen. Die Vollmachten des in der Einbildung mit dem Tode bedrohten Diktators Mussolini werden weit- gehend ergänzt. Die entsprechenden Gesetze sollen Anfang der Woche von dem Parlament an genommen werden. Rom, 15. November. Das offizielle Organ der italieni- chen katholischen Bolkspartei in Rom , Jl Popolo« teilt mit, daß es sein Er- cheinen einstellt. Regeluug der Schulde» Portugals bei England. Lissabon, 15. November. Die portugiesische Regierung beabsichtigt, der Einladung der englischen Regierung zu Verhandlungen über die Liquidierung der Schulden Portugals an England Folge zu geben und wird alsbald Delegierte er nennen, die in London mit Vertretern dcs eng- ischen Schatzamtes die Schuldenfrage prüfen sollen. Zum Konflikt Jugoslawiens mit dm Vatikan. Rom, 15. November. In einem Briefe an den „Popolo di Roma" bestätigt der jugoslawische Gesandte beim Vatikan, daß der Konflikt zwischen dem Vatikan und der ugoslawischen Regierung deshalb ausgebrochen sei, veil der Vatikan, wie sich der Gesandte ausdrückt, in origineller Weise den bisherigen Leiter des Kollegs vom heiligen Hieronymus ab gesetzt und einen neuen Leiter eingesetzt habe, ohne daß die Genehmigung der jugo- lawischen Regierung eingeholt worden wäre. Tschangtsolin zieht sich zurück. Die ZoUlonferenz ist abgebrochen. London, 15. November. Reuter meldet aus Peking: Die um Peking stehenden Truppen Tschangtsolins sind zurückgezogen worden. Einige seiner man- dschurischen Truppen, die erst vor kurzem aus der Eisenbahn von Mulden in Tientsin eingctrofsen waren, sind wieder nach Mukdcn verladen worden. Außerdem haben die Mukdener Führer ihr Armee-Hauptquartier von Tientsin nach einem 16 Meilen weiter ostwärts be legenen Punkt zurückverlegt. Diese Tatsachen, die Grund zu der Annahme geben, daß Tschang- Kunst und Wissenschaft. Jea» Paul. (Zu seinem 100. Geburtstag am 11. November.) „Er stritt sür Wahrheit, für Recht, für Freiheit und Glauben, und nie deckte bei ihm die Flagge eines mächtigen Namens sündlich heilloses Gut, es den Ungläubigen zuzuführen.« Börne I. „Denken Sie, Jean Paul ist seit 1-1 Tagen hier! Der beste Mensch, sanft, voll Geist, Witz, Einfälle — das beste Gemüt und ganz in der reinen Welt lebend, wovon seine Bücher der Ab- druck sind. Mild wie ein Kind und immer heiter: sehen Sie, der ist ein ächter Jünger der Weis heit.« Diese Worte, die Herders Frau an Gleim schrieb, charakterisieren zur Hälfte das Wesen Jean Pauls. Aber jenes andere Teil seines Seins, in den Literaturgeschichten nur schamhaft gestreift, sein soziales Mitgefühl, sein Wissen von der äußeren Not und dem inneren Reichtum des Volkes, seine instinktive Stellungnahme für die Armen und gegen die Besitzenden: diese Tapfer keit des Herzens sichert dem Dichter über Gene rationen hinweg seinen unverrückbaren Platz im Reiche der Unsterblichen. Mag auch sein Werk schwankenden Urteilen untertan gewesen sein — Herder hat ihn verherrlicht, E M. Arndt ihn einen gefährlichen Weichling gescholten, Goethe und Schiller schätzten seine Begabung, lehnten ihn aber als „Dilettant" ab, der junge Hebbel konnte sich seinem Einfluß nicht entziehen, und in den Leistungen Fritz Reuters, Wilhelm RaabeS und Adolf Stifters ist mehr als einmal etwas vom Wesen Jean Paul- zu spüren —, uns Heutigen erscheinen Ludwig Börnes Worte prophetischer als fe: „Er aber steht geduldig an der Pforte de» zwanzigsten Jahrhunderts und wartet lächelnd, bis sein schleichendes Volk ihm Nachkomme«. Dichter sein heißt ein Liebender sein: das ganze armselige und doch unendlich reiche Leben erfassen; Menschenschicksale und den Atem der Natur, den stummen Schmerz des Gesteins und die rätselvolle Lebensgeschichte einer Blume; Menschendasein und Kosmos als ein Einziges, Unzer trennliches empfinden und verschmelzen. Wie das Gottcsgefühl Spinozas oder Goethes ein Ver wobensein mit dem Universum ist: so ist auch Jean Paul- Religiosität die Verkörperung des Allgefühls. Ihm ist die Natur und ihre Atmo sphäre vertraut wie der Schlag des eigenen Herzens; Sonnenauf- und -Untergänge und das berauschende Farbenspiel dcs Lichts werden nie zu Staffagen: sie sind organisch in der Handlung wie eine Liebes- oder Freundschaftsgeschichte. II. Die Liebe des wahrhaftigen Dichters gehört dem Volke. Dieselbe Hingabe an das nackte, all tägliche Leben mit seinen Wirrnissen, die auS Jean Pauls Romanen und Idyllen spricht, speist auch sein politisches Denken und seine politischen Schriften. Er erkannte den Zwiespalt zwischen einem verlogenen Idealismus und der Enge gesell- schaftlicher Zustände, floh nicht, wie seine Zeit genoffen Goethe und Schiller in die klastische Er habenheit des Griechentums: der „Schwächling" und „Träumer" Jean Paul stand im politischen Tageskampfe und trat ohne ängstliche Bedenken für die Rechte des Volkes ein. — Das erste große Erlebnis war ihm die französische Revolution. Und wenn er sich gegen Napoleon wandte und wie Fichte geistig mithalf, die Befreiungskriege vorzuberciten, so geschah das nur, um dem ge- knechteten Volke zur Freiheit, nicht aber den Fürsten zu neuem Glanze und noch stärkerer Macht zu vcrhelfem. In den „Politischen Fasten- Predigten während Deutschlands Marterwochen« (gemeint sind die Jahre 1810—1812) stehen Seiten voll schärfster Bosheit gegen die speichelleckerischen Rhcinbundsürsten — wie kein Dichter sich rühmen kann, ähnliche in den Jahren 191-1 bis 1918 ge schrieben zu haben. Als schließlich Napoleon besiegt war, die Poten taten befreit aufatmen konnten, kam die Dank sagung an das Volk: rücksichtsloser Absolut smus. Wieder erh b Jean Paul seme St mme; erinnerte in der „Fastenpredigt" die Machthaber, daß cs das Volk war, das sie gerettet halte, als sie vor dein Welteroberer zitterten. Aber noch immer war und blieb in Preußen die barbarische Reaktion sieg reicher als die Stimme der Gerechtigkeit, die trüben Zwecke geduldet und das reine Ziel geschmäht. Die beschwörenden Worte: „Bedenkt, ihr Fürsten, daß die Völker Euch gegen den allmächtigen Prätendenten Europas vielleicht treuer geblieben sind als Ihr ihnen gegen ihn, und daß sie dies zu einer Zeit gethan, wo er Euere Throne zu Treppen, ja Treppengeländer des seinigen machte. Dieses Volk that das Höchste für Euch, nämlich nicht blos den ersten Feldzug nach Paris, sondern auch den zweiten« — dieses beschwörende Mahnen erstickte ebenso in der dumpfen Reaktionslust wie des Dichters Forderung nach freier Berfastung und Beseitigung dcs Zensus. Belogen und betrogen wurde das Volk wieder einmal, um seine Hoffnungen und Rechte geprellt. Aufrecht und mutig steht Jean Paul vor uns: ein Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit, aber kein deutscher Spießer und Wolkenkuckucksheimer, wie cr in der deutschen Literaturgeschichte lebt. Seine Vaterlandsliebe hatte nichts mit jener Sorte Patriotismus zu tun, die in gedankenloser Knecht- seligkeit alles als gottgegeben hinnahm, denn dieser Dichter schrieb u. a. in einem Briefe an den Philosophen Jacobi das unvergeßliche Bekenntnis nieder: „Für die Menschheit gebe ich gern die Deutschheit hin." III. Geboren am 21. März 1763 in Wunsiedel, wuchs das Kind in der Einsamkeit eine- ländlichen Pfarrhauses auf. Die ersten geistigen Einflüsse, die den Knaben berührten, verdankte er Klopstock, Rousseau (in Anlehnung an Jean Jacque- nannte Johann Paul Richter sich später Jean Paul), Herd.r, Goethe und Jacobi. Der Vater starb und Jean Paul sah sich der nackten Not gegenüber, mußte demütigende Hauslehrerstellen annehmcii, konnte sein Studium in Leipzig — in entscheidenden Entwicklungsjahren — nicht fortsetzen nnd erlebte schließlich Jahre jämmerlichen Hungers. Mit dem Erscheinen seiner ersten Romane wurde das äußere Leben etwas lichter, das sich in der folgenden Zeit zu einem materiell sorgenfreien Dasein aus- hellte. Hof, Weimar, Meiningen, Koburg, Bayreuth waren Stationen seines Lebens. 63 Jahre alt, nahezu erblindet und verbittert durch den Ted seines einzigen Sohnes, starb Jean Paul. Die ästhetische Wertung seines Werkes ist in jeder Literaturgeschichte nachzulesen. Wir ehren sein Andenken, indem wir über dem Dichter den Revo lutionär nicht vergessen, den aufrechten Menschen, den selbst ein Jahresgehalt von 1000 Gulden - das ihm Karl von Dalberg, der Fürstprimas d.s Rheinbundes und später der König von Bayern zahlte — nicht abhalten konnte, öffentlich seine Anschauungen zu bekennen, und der mehr als cin- mal seinen Kollegen „Niedrige Kriecherei und ängst- liche Schüchternheit der deutschen Schriftsteller in ihren Reden an und über Fürsten« vorwars. Kurt Offenburg. * Jean Paul erlebt heute eine Renaissance; nicht aus der Laune eines Künstlers heraus, sondern auS tiefer Verbundenheit zwischen uns und ihm. Wir strebten ins Weite und Grenzenlose, um uns zuletzt im Nahen und Begrenzten zu finden. Tas Kleine aber sehen wir mit anderen Augen al- früher, nicht nur als seltsam und kurioS, sondern so wie Jean Paul. Er hat die Sehnsucht, das Große zu erfassen, ohne das Kleine zu verlieren, und da- Bewußtsein der Unerfüllbarkeit dieser Sehnsucht. Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist oft nur ein Schritt, aber Jean Paul wagt es umgekehrt, den Weg vom Lächerlichen zum Er habenen zu gehen. Indem er da- vermag, ist er der tiefste und reichste aller deutschen Humoristen, weil ihn nicht- gleichgültig läßt. Er hat den Etil de- deutschen Humor» nachdrücklich gefaßt, und
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