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Sächsische Staatszeitung : 09.09.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-09-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480732469-192509097
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480732469-19250909
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480732469-19250909
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-09
- Tag 1925-09-09
-
Monat
1925-09
-
Jahr
1925
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 09.09.1925
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Mittwoch, 8. September 1925 Der Marokko Krieg. Der Axgriff auf Tetuxx »xd Adjir. — Landxng syaxischer Trxptzeu ix der Bucht vex AlhxtemxS. — Berseutxng spanischer Schiffe. „Verl. Tagebl." wissen will, soll die Berliner Stempelvereiniguug der Va»ken beschlossen haben, die Kreditprovision zu ermäßigen und den Zinssatz »nveriiudert zu lassen. Apothekertagaug in Stnttgart. Stuttgart, 8. September. Unter großer Beteiligung aus dem ganzen Reich« nahm heute die 51. Hauptversamm lung des Deutschen Apothekervereins, die vom 8. bis 12. September hier statisindet, ihren Anfang. Mit der Tagung ist «ine Apo- thekermesse und -ausstellung verbunden, dir heute voi mittag im Handeishof im Beisein zahlreicher Gäste eröffnet wurde. Der Boi sitzende des Deut- scheu ApothekertureinS, vr. Salzmann, beglüßte die Erschienenen und gab einen Überblick tiber die Entwickelung des Apothekerfiandes. Weitere Be- grüßungsworte sprachen die Vertreter des würt- tembergischen Ministeriums des Innern, der Stadt Stuttgart, des Reichsverbandes der Zahnäizle Deutschlands und des württembergischen Arzte- Verbandes. An die Eröffnung schloß sich eine Besichtigung dec reichhaltigen Ausstellung. Zum Lohnkouflikt der -tzisenbahx- bedieusteten. Elberfeld, 8. September. Die BezukSvnbände der ReichSbahndirekltons- bezirke Elberfeld, Köln und Essen des Einheiisoerbrndes der Eisenbahner Deutschlands nahmen hier in einer gemeinsamen Tagung zum Lohnstreit wie folgt Stellung: An den For derungen der allgemeinen Lohn erhöhung muß fest gehalten werden. Zur Durchführung der gewerlschafrlichen Forde rungen sind alle diejenigen Maßnahmen gemein sam beschlossen worden, die als notwendig in dem Kampfe der Eisenbahner um eine gerechte Ent- zvhnung erachtet worden sind. Drohender Streit im Eisengroff- hnndel. Berlin, 8. September. Tie Arbeiter des Berliner Eisen- großhandels, die zurzeit in einer Lohn- bewegung stehen, haben beschlossen, da sie den Schiedsspruch des von ihnen angerufenen Schlichtungsausschusses als ungenügend anjehen, morgen früh in den Aus stand zu treten, falls ihnen nicht bis heute abend ein annehmbares Angebot vorgelegt werde. Landestagnng der sächsischen Eisenbahner. Dresden, 8. September. Die Bezirksleitung Sachsen deS Ein- heitsverbandes der Eisenbahner Deutsch, lands hatte am 6. September nach dem Alt- städter Logenhauö in Dresden eine Bezirkskonferenz tinberusen. Auf der sehr gut besuchten Konferenz waren außer 98 Gästen insgesamt 131 stimm- berechtigte, von den Ortsgruppen gewählie Ver- treter und 38 Vertreter mit beratender Stimme anwesend. Davon vertraten 77 Delegierte die im Einheisverband organisierten 15532 Lohnempfänger und 54 Delegierte die im Einheitsverbanb organi sierten 11090 Gehaltsempfänger. Die Delegierten vertraten somit 51,62 Proz. d.-s gegenwärtig 51577 betragenden Gesamtpersonals im Reichs- bahndireklionsbezirk Dresden. Der Vezirkslnter Rob.rt Wirth-Dresden erstattete den ausführ lich gehaltenen Geschäftsbericht für die Zeit vom Paris, 8. September. Aus Rabat meldet Hava», der Oberkom- mankierende der marokkanischen Truppen General Raulin hat einen A> meebefehl herausgegeben, in dem er darauf hinweist, daß die militärischen Operationen gegen die beiden mächtigen Stämme der JsulS und Bran es als beendet angesehen werden könnten und weiter erklärt, der Dank dafür gebühre den französischen Truppen, die trotz aller Widerstände dieses Zirl erreicht hätten. Paris, 8. September. Haras meldet aus Fez über die Lage in Marokko: Der Druck des Feindes bei Jssual hält weiter an. Er hat sich nördlich dieses Postens festgesetzt. Alle feindlichen Zusammenziehungen werden von Fliegern beschossen. Ter Angriff auf Tetuan und Adjir solle die Nif- beoöllerung stark beunruhigt haben. Abd el Krim verstärkt seine Propaganda bn den «>iter- w orsenen Stämmen und versucht, im Rücken der französischen Truppen einrn Ausstand anzuzetteln. Im. übrigen herrscht an der ganzen Front Ruhe. Tie Laxduxg spanischer Trupprn Madrid, 8. September. Wir amtlich bekaantgegeben wird, sind spa nische Druppen in der Bucht von Alhncemas ge landet. über die Landung hat General de Rivera, der sich an Bord des Schlachtschiffes Alfonso XIU befindet, folgenden Fnnkjpruch an den König und an die Regierung gerichtet: Heute mittag sind die Truppen in der Bucht von Eebgdilla gelandet. Nm 12,38 Uhr haben sie nach kurzer Artillerievorbereitung nnd ohne aus Widerstand zu stoßen, Stellung bezog,n. Lie Landung ans der Halbinsel Morro Nuowo 1. Januar 1922 bis zum 31. Dezember 1924. über di: Rechtsoerhältmsse der RrichLbahnbeamien und die Verbandstagibrschlüsse zur Einkommens- frage der Eijei bahner referierte der Bezirlssekretär Waller Oelkers-Dresden. Im Lause der von den gewähren Vertretern lebhaft bestrittenen Aus sprache ergriff der anwesende Berbandsvorsitzende Franz Scheffel-Beilin zu längeren Aussührungen das Wort. Die von ihm an der Reichsbahn hauptverwaltung geübte scharfe, aber sachlich ge- haUene Kritik bezüglich ihres unverständlichen Ver haltens in dem zurzeit schwebenden Lohnkonst,kl wurde von der Konferenz mit starkem Beifall unterstrichen. Die nachstehende von den Vertretern ein geb.achte Entschließung wurde einmütig ange- nommen: „Die am 6. September 1925 in Dresden tagende, von Beamten- und Arbeitervertretern stark besuchte Konferenz des Bezirks Sachsen des Emh iteverbandes der Eisenbahner Deutschlands protestiert entschieden gegen die Lohn-und Gehaltspolitik der Re i ch s b ahn v e r - waltung. Tie Konferenz fordert, daß unbedingt eine den Teuerungsverhältnissen entsprechende all- gemeine Erhöhung der Löhne und Gehälter statisindet. Sie hat mit Entrüstung Kenntnis genommen von dem Gang der Schlichtungsver- Handlungen im Reichsarbeitsministerium, die eine unparteiliche Behandlung der Parteien und ihrer Beisitzer vermissen ließen. («lhuennas Bucht) erfolgte durch die Truppe*' die unter General Sa>o stehen. * Der Bericht der Rislexte. London, 9. September. „Times" melden aus Tanger: Ein vom Haupt- quariier Abd el Krims ausgegangener Bericht meldet, daß die Versuche der Spanier, beim Wad Lau Truppen zu landen, zurückge- schlagen worden sind. Hier seien 7 und bei Alhucrmas 14 Schiffe der Spanier versenkt word.'n. Der Berichterstatter teilt mit, daß eine Bestätigung d-r Meldung in Ton er nicht zu er- laugen sei. Nach Aussagen der Nifanhänger seien an der ganzen Küste von den Rifkriegern Minen gelegt worden. Die Kriegslage in Syrien. Paris, 8. September. Aus Beirut wird gemeldet, daß die fran zösischen Flieger einige Stellungen in der Nachbar- schaht der Zitadelle von Eueida bombardiert haben, in denen die Drusen Geschütze aufzustellen versuchten. Paris, 8. September. Nach einer heute im Kriegsministerium ein- getroffenen Depesche ist Sueida von den Drusen beschossen worden, ohne Schaden anzurichten. Französische Flugzeuge haben eines der feuernden Geschütze ze>stört. Paris, 8. September. Ein soeben eingetroffeneS Telegramm des Generals Sarrail besagt, in Syrien herrsche Ruhe. Nur an der Grenze von Dschebel DruS ist es zu einigen Zwischenfällen gekommen. Die Konferenz billigt das Verhalten der Organisationsvertreter und spricht ihnen das Ver- trauen aus. Die Konferenzteilnehmer verpflichten sich, die Organisation, ihre Leitung und V.rbändler mit allen Mitteln zu unterstützen und sie ermatten, daß die berechtigten Forderungen der Organisation erfüllt weroen. Die Kollegenschaft lehnt jede Beraniwoitung für etwa eintretende Komplikationen ab, die Schuld an einer Schädigung des Wirtschaftsleben- Würde die Reichsbahnverwaltung allein zu tragen haben." Als Bezirksoertreter in den Verbanos beirat wurde Förster Chemnitz und Oelkers- Trerden gewählt. Der gegen nur eine Stimme von den 131 stimmberechtigten Vertretern ge wählte Bezirksb errat für den Bezirk Sachsen setzt sich auS Müller-Leipzig, Koch-Freital, Bloens- Dresden, Binner-Löbau i. Sa., Koch-Leipzig, Höhnr-Riesa, Feldmann-Chemnitz, Wolf-Zwickau und Günzel-Dresden als Vertreter der Beziiks- räteverwaltung, zusammen. Teutschuatioualer Parteitag in Mährisch-Schöneberg. Prag, 9. September. Auf dem Parteitag der veutschnalionalen Parteien in Mährisch-Schöneberg erklärte Abg. vr. Ledgnan, daß das jetzige Deutsche Reich viel leicht aus die vom deutschen Volkskörper ab getrennten Gebiete verzichten kkme, aber das deutsche Volk könne dies niemals, rille »Hue Teilnahme der Eudetendemschea zustande gekommenen Abmachungen müß'en dtrse als für sie unverbindlich ervären. Au- dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund könne den Minderheiten kein Vorteil erwachsen, denn die Nachfolgestaaten hätten sich durch besondere Bestimmungen von vornherein gegen die Be- schwe ben der deutschen NeichSregierung geschützt, Der Redner setzte sich ferner für die Schaffung einer einheitlichen sudetendeutschen Ab- wehrfront ein. In der Resolution des Parteitage- wird auch di« Notwendigkeit des par- lamentarijchen Zusammenschlusses der in dei Tschechoslowakei unserdrückien Böller betont, welche die gleichen Iuleressen vereinen. Eröffnung der mittelenrspäischcn Wigschaststagnug. Wien« 8. September. Heute vormittag wurde die mitteleuropäische WirlschaftStagung durch drn Vorsitzenden, «v«. merzienrat Meinl, eröffnet, der ein Begrößungr- telegiamm des Generalsekietärs des Völkerbundes, En Enk Drummond verlas. Hieraus hielt George Paish-London einen mit lebhastem Bei« fall aufgenommenen Vonrog über Wirlschofts- krisiS, Weltfrieden und internationale Kredit- beziehungen. worin er die Kreditgewährung als das grundlegende Problem deS heutigen Wirt- schastklebrn- bezeichnete und für die Beseitigung aller den internationalen Handel hemmende» Schranken eintrat. Minister a. D. Gothein sprach sodann über die gegenwärtigen wirt schaftlichen Verhältuisse Deutschlands. Er verwies auf die Gefahren, die ver europäische» Wirtschuft durch die wirtschaftliche Balkanisierung Mitteleuropas, wie auch durch die Friedensdiltate überhaupt drohen. Auch der DaweSpian werd.» z» einem gewissen Zeitpunkt eine Revision erfahr;» müssen, weil die wahren Leistungen Deutschlands nicht unerschöpflich sein können und das Passioum der deutschen Handelsbilanz, das Gothein in diesem Jahre auf fünf Milliarden Goldmark bc- ziffert, schon wegen des Mangels an Absatz- gebieten steigen müsse. Jedenfalls sei immer wieder mit Nachdruck zu betonen, daß nur durch das Niederreißen aller Cchutzzollmauern nnd Lie Befestigung der ungerechten Fiiedensdiktaie ein: Besserung eintreten könne. Nackdem noch der Präsident der französischen Handelskammer, Roger, gesprochen hatte, wurde die Beraiung auf heute nachmittag vertagt. Noch keix Exde des französische» Bankbeamtexstreiks. Paris, 8. September. Der ArbeitSMinister verhandelte gestern über 2s/z Stunden mit dem Ausschuß der trotz ihrer gestrigen Stellungnahme noch streikenden Bank beamten. Es scheint jedoch kein Ergebnis erzielt worden zu sein. Die Verhandlungen sollen heute fortgesetzt werden. Paris, 8. September. Tie Bankangestellten haben heute vvlinittag eine gut besuchte Versammlung abgehasten, in der ihnen vom Streikkomitee mitgeteilt wurde, daß die Direktoren ihre Gegenvorschläge nicht angenommen haben. Tie Redner sprachen daher für die Fortsetzung des Streikes; die angenommene Entschließung spricht sich im gleichen Sinne aus. Tis Re- gierung denkt jetzt ein Schiedsgericht zusammen- Kunst nnd Wissenschast. Ter Kärntner Messias. In Kärnten rst jetzt der neue Messias an gekommen, und zwar in Gestalt eines ehemaligen FuhrknechieS mit Namen Oswald. AIS „Abgesandter des Herren" zieht er von Dorf zu Dorf und predigt den Gläubigen und er soll großen Zulauf finden. Das wäi« au und für sich nicht- Be- sonderes, in den stillen Tälern der Alpen sind dem Herrn schon mancherlei Propheten erstanden. Aber dieser hier faßt seins Sache großzügig an und hat ernr Art NumiuS sogar nach Wien ge- fandt, um die Hauptstadt für die Ankunft des Erlöser- würdig vorzubereiten. Und so ist sein Ruf nach Wien gedrungen und hier zum Tages- gespräch geworden. Der Abgesandte, der Bauer HanS Leicher aus Wotfeberg in Kärnten, sitzt »ümlich alle Hebel in Bewegung, um seinen Herrn populär zu machen. Zunächst schirm ft er über die Gendarmerie, die so wenig Verständnis für den Gesandten Gottes übrig habe und dann erzählt er von den vielen Erfolgen und fordert die Geistlichen und weltlichen Be- Hörden und die Öffentlichkeit auf, die göttlichen Gaben Oswalds zu prüfen. In den letzten Tagen wurden an virsänedenen Straßenecken, namentlich der äußeren Vorstädte, Plakate an geschlagen, die folgender „Telegramm" enthalten: Wunderbares — noch nie Gekörtes — sehr Beachtenswertes — predigt ein Bauer im Kärtnner Paradies — im schönen Lafanttal — vom 3. heiligen Geist Testament — — — ^Telegramme müssen eben in Telegrammstil ab- gefaßt sein. Sie wirken dann mehr, selbst, wenn man sie nicht versteht) Daß er kommen wird: wol ganz gew ß: wie ein Neuer: noch nie ge- fehener Sonnenstrahl: ist dieser Bauernknecht, Oswald genannt, sehr bekannt. (Und nun kommt eH da- große Wunder:) Er zeigt an ftm«» Schädel — eine rote heilig« Feuerflamme — und will damit alle unkultivierten Völker stämme veredeln — das ganze Volk im Lasant- tal — nennt ihm: den neuen Herrgott überall — — es soll in die ältesten Sibillabücher drinnenstehn; das im 20. Jahrhundert nach Christus es wird geschehen: daß man Gott, den Helligen Geist wird austretcn sehen. Der mit seine viel tausend Versgedichterl! alle hohlen, schwarzen.finsterenSchädelmachthellerundlichler- die jüdische, mosaische, christliche und jede Sekten Lehr, allen Arbeitslosen wird viel, sehr viel Er- werb zugeführt. — Ter deutsche Volksstamm und d:e deutsche Sprache!!! wird dann für alle Völker Ehrensache — den Erzengel Michael sein Drachen — der Radau — kein Schade» mehr machen — alle Volker werden müssen lachen. Wie der Schwarze wird von die höchsten Hochaltäre müßen weichen — und wie die neuen Oewaldisten werden den jetzigen Blödismus ausbleichen. So ähnlich geht es noch weiter und der Messias wird noch vielfach mit Sancta Clare und — Rosegger verglichen. Da haben wii's also! Man hält Konferenzen und Konzi e ab und kommt nicht weiter in den Bestrebungen zur Weltbeglückung. Vertrauen wir uns doch alle Herrn Oswald an, er wird eS schon machen! Dir Feuerflamme, Vie er auf s-inem Haarschopf trägt, wird uns den Weltfrieden, wird unS den wahren Völkerbund bringen, die Dumm- köpfe werden aussterben und obendrein wird am deutschen Wesen auch noch die Welt genesen. Tas ist doch genug. E. I. Vincents. Anna Pawlowa. Wieder ist sie da, nachdem sie die ganze Welt bereist hat; wieder entzückt sie und bezaubert. Anna Pawlowa ist an Jahren älter geworden, aber ihreKuust bleibt davon unberührt. Cie ist das WWWWwtige, behende Persönchen, al» das wir sie vor 12 Jahren an gleicher Stelle kennen lernten. Wohl waren die mitwukeuden Kräfte andere, aber das Programm hat sich wenig ge- ändert. Noch immer siegt sie mit den gleichen Tänzen wie einst; die Zelt mit ihrem Jazz und Eh,mmy hat ihr nichts anzuhaben vermocht. Sie bleibt — nur reiner, reifer, vielleicht sogar ver geistigter — die, die sie immer war: Name und zugleich Symbol. Symbol einer untergegangenen Welt und Kultur, die zuletzt in Rußland ihre letzte Pflegefläite hatte, herausgewachsen aus höfischem Amüsement, das den Menschen nicht als Selbstzweck, sondern als technischen Automat, federnde Gliederpuppe auffaßte: Technik, Schulung, Virtuosität, dar waren die Erfordernisse, und sie hat Anna Pawlowa refllo?. Nicht darin aber liegt ihr Ruhm — denn technische Vollendung haben andere Tänzerinnen auch, sie Karsawina ganz sicher — sondern ihr Tanz hat Stil und Tiadition, ist denkbar höchste, verfeinerte Augen kultur. So selbstverständlich, so graziös unv vor- nehm, daß selbst der, der vem modernen Aurvruckrtanz zugetan ist, ihr die Bewunde- rung nicht versagen kann. Es ist etwas von jener selbstverständlichen aristokratischen Hal- tung, die heute so selten geworden ist, aber doch auch gepaart fest mit tieferen seelischen Tönen. Darin liegt immer und immer wieder die Wirkung deS berühmten „Sterbenden Schwans". Anna Pawlowa bleibt in ihrer Art eine schlechthin voll endete Tänzerin. Welche Skala an Ausdrucks- Möglichkeiten von der „Koketten Colombine" über die „Libelle" zum „Sterbenden Schwan"! Auch ihre Truppe ist rhythmisch gut diszipliniert, aber reicht doch wohl nicht an die frühere, die noch auS dem alten kaiseilichen Ballett zusammengestellt war, heran. Ihrer Truppe gehen jenes reiche Spiel der Hände und Füße, jene AuSdruckSmög- ltchkeiten des Rumpfes ab, über welche die Pawlowa verfügt, und ihre Tänzer e>greifen jede Gelegenheit,' ihre oft verblüffenden Tanzkunst- flückchen anzubringen: den Spitzentanz, die Pirouette, die Sprünge, da- Hochheben der Mädchen vurch die Mä-ner. Dar fällt am stärksten bet den Gruppentänzen auf. Dort, wo sozusagen noch die rhythmische Akzentuierung durchdringt wie in der Rhapsodie, dem Menuett oder den nationalen Tänzen, werden wir auch noch Henle ästhetisch befriedig«; nicht aber dort, wo es sich um lang same Bewegungen handelt. Die Männer, d, alle Kraft auf die Sprünge und fabelhaften Drehungen verwenden müßen, die Mädchen, die ihren gesamten Körper auf den Spitzentanz ein- gestellt haben, können weder schreiten, noch gehr» und sind damit für die langsamen Bewegungen verloren. Ter „Griechische Tanz" blieb bläßliäes Griechentum aus der Zei^ der Anakreonlil oder Wieland?. Nur dort, wo schnellstes Tempo erreicht wird, gerät die Körperbewegung mit ihm in Kontakt, und es entsteht ein alles mit sich fortieißender geschlossener Rhythmus als bacchantischer Taumel und Wirbel. In dem „Bacchanale" von Glazounow, hinreißend von der Pawlowa und Novikoff getanzt und mit Abficht wohl an den Schluß gestellt, erreichte das Ballett — und damit der Abend — den vollendeten Ein klang von Bewegung, AX, Bilo und Gebärde. Auf dieses ursprüngliche Element sollte Anna Pawlowa ihre Truppe ganz einstellen, abrr die Hanv oder besser die Bein« von modernen Ver mittlungsversuchen laßen, wie sir in „Anilras Tanz" naturgemäß vergeblich veisucht winden, denn niemand kann auS seiner Haut. Sonst ist ihr Ensemble nicht übel, und zwar überragrn die Männer die Frauen. Laurent Novikoss ist ein „Bolero" von männlicher Kraft, Alexander Volinin« als Pierrot von geschmeidiger Eleganz und Algeranoff ei» BiituoS in russifche» Eplüngen. Doch sie all« überstrahlt die Pawlo«», unvergleichlich, zeitlos ist ihr« Kunst, jens-itS aller Debatte und äs-hetischen Theorien. Ist auch das russische Ballett tot, in ihr lebt es unvergänglich. Daß die russischen Gäste von dem auSverkauften Hause über alle Maßen gefeiert wurden, ist zu bemerken überflüssig. Und darum nur ein Sa> spiel? Art * Die musikalische Seite des Pawlowa- gastspiel» muß unter dem Sesich'Swinkel de» retn Tänzrrifchen und der hieran« entspringenden künstlrrtschen Absichten bettachtel werden. Außer mehreren längeren Vorspielen bei offener Szeiw
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