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seines Entwicklungsromans 1803 wie folgt charakterisierte: „Titan soll heißen Anti-Titan; jeder Himmels stürmer findet seine Hölle; wie jeder Berg zuletzt seine Ebene aus seinem Tal macht.” - Trotz derartiger und weiterführender Hinweise lehnte er programmatische Deutung, wie sie jeder verbalen Annäherung an Musik mehr oder weniger innewohnt, später mit dem althergebrachten Standard-Argument ab, Musik sei ganz allein zum Hören da: Die Sprache würde für die Beschreibung seiner Musik nicht ausreichen, solange er sein Erlebnis in Worten zusammenfassen könne, würde er gewiß keine Musik darüber machen. Sein Bedürfnis, sich musikalisch-symphonisch auszusprechen, würde dort beginnen, wo die „dunklen” Empfindungen walten, an der Pforte, die in die „andere Welt” hineinführe; die Welt, in der die Dinge nicht mehr durch Zeit und Ort auseinander fielen. Am Beginn des ersten Satzes wird die ordnende Hand des Komponisten zunächst nicht offenbar. Seine langsame Einleitung beginnt unangenehm rauh mit dem Kammerton a, dem inszenierten Naturlaut, in diese amorphe Umgebung tritt im übertragenen Sinne während des schnelleren Hauptteils plötzlich der heimatlose, fahrende Geselle aus Mahlers Gesangs-Zyklus Lieder eines fahrenden Gesellen mit seinem Liedchen „Ging heut’ morgen übers Feld". Thema des ausgesparten Textes ist der romantische Topos vergeblicher Liebe, Todessehnsucht und Suche nach innerem Frieden, wie ihn die Natur repräsentierte. Das musikalische Ich läßt sich von der es umgebenden Heiterkeit des Frühlings zunächst anstecken. Doch die Idylle der Natur ist nur Schein, die Wahrnehmung wirkt wie verzerrt. Kuckucksrufe und Finken- Tirilieren werden bald ebenso verfremdet wie die Aufbruchs-Fanfaren einer fernen Stadt. Die Rast im idyllischen Schatten des Lindenbaums bringt nur vorübergehend Entlastung. Das ruhige Wandern, die zentrale Gestaltungsidee des Satzes, wird zur hastigen Reise, zur überstürzten Flucht. Doch wird diese subjektive Eskalierung, markiert durch starke Signalmotivik, ein echter, wahrhafter „Durchbruch” „al paradiso” (Adorno)? - Der Formablauf spricht dafür, jedoch mit vorläufig ironischem Zwischenfazit schließt Mahler den Satz im Zitat aus der Arie des Leporello in Mozarts Don Giovanni: „Keine Ruh’ bei Tag und Nacht” - dem Gesellen bleibt immer nur harte Arbeit und schlechter Lohn, jedoch keine Mög lichkeit, selbst ein großer Herr zu werden. - Hier werden zweierlei Aspekte exemplarisch deutlich: Zum einen ist es der Hang des Komponisten, Musik mit außermusikalischen Programmen zu verknüpfen, wie etwa den Aussagen der Lieder eines fahrenden Gesellen, deren Melodie und Begleitung Mahler nun, und diese Gattungsverschmelzung ist der zweite wesentliche Gesichtspunkt, in seiner 1. Symphonie zitiert: Solches Eindringen gleichsam verbaler Strukturen und anderem ungewohnten Vokabular in die Sympho- nik wurde damals gern als zu prosaisch im Sinne von „zu banal” kritisiert - doch in Mahlers „Weltensym- phonik” war neben typischer, ingeniöser Symphonik durchaus Platz für im streng-ästhetischen Sinn ver standen Unzivilisiertes oder Triviales aus den verschiedensten Milieus. Auch in den Mittelsätzen entfernt sich Mahler deutlich von der Stilhöhe traditionellerer Symphonik. Derbe, stampfende Lebensfreude wie vom vorstädtischen Tanzboden bringt der zweite Satz mit seiner leutselig-kollagierenden Mischung verschiedener Walzer und Ländler dem Wandernden. - Reste der guten alten Zeit, Volksweise und „Bruder Jakob, schläfst du noch?” Kanon, werden im dritten Satz ihrer schlichten Pietät entkleidet. Ordinäre Blaskapelle und die billige Puppentheaterklamotte „Des Jägers Lei chenbegräbnis” bieten auf der Kirmes des Lebens moderne Oberflächlichkeit und verlorene Naivität feil. - Die Katastrophen-Mechanismen sind im vollem Gang, Zusammenbruch und sporadischer Neuansatz sind die Koordinaten des dramatischen Finale. Krasser Einstieg seitens Mahler: „Es ist einfach der Auf schrei eines im Tiefsten verwundeten Herzens.” „Was ist das für eine Welt, welche solche Klänge und Gestalten als Widerbild auswirft!", Mahlers Äuße rung anläßlich der Aufführung seiner 1. Symphonie 1909 aus New York an Bruno Walter, ist nur eines jener zahlreichen Zeugnisse dafür, daß er wie viele andere Zeitgenossen die gesellschaftliche Situation als fehlgeleitet, belastend oder sogar „gottverlassen” empfand: Schon 1879 richtete er seine „Anklage an den Schöpfer” der Welt, der nicht „(liebender) Vater”, sondern „(kalt herrschender) Zar” sei (Gedan ken, die er in einem Jugendbrief der „Totenfeier” des polnischen Dichters Adam Mickiewicz entnommen hatte). - Eine künstlerische Haltung mit wechselnder Perspektive auf die ihn umgebende Geschichte, die Mahler sich fernab von lapidarer Selbstbespiegelung in der nachfolgenden Symphonik erhält. Dresdner Philharmonie Die Dresdner Philharmonie, das Konzertorchester der sächsischen Landeshauptstadt, prägt mit ihren jährlich über 60 Konzerten im Festsaal des Kulturpalastes Dresden wesentlich das Kulturleben der Stadt. Die Konzerte des aus 450jähriger Dresdner Ratsmusiktradition hervorgegangenen Orchesters sind für Tausende Dresdner und für die Gäste der Elbmetropole Anziehungspunkt. Bedeutende Gastdirigenten und Solisten musizieren mit dem Orchester in seiner Heimatstadt. Ihrerseits sind die Philharmoniker auf den Konzertpodien des Auslands regelmäßig präsent. Durch ganz Europa, bis nach China, Japan, Israel; Südamerika und in die USA führten Gastspielreisen die Philharmoniker bisher. Ihre Entstehung führt die Dresdner Philharmonie auf die Einweihung des ersten Konzertsaales am 29. November 1870 in Dresden zurück, mit dem die Entwicklung eines öffentlichen, vom höfischen Musikle ben unabhängigen bürgerlichen Konzertwesens der Stadt in ein neues Stadium eintrat. Das damalige