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SächsischeSlaalszeilung Staatsan^eiger für den Freistaat Sachsen Erscheint Werktags nachmittags mit dem Datum des ErscheinungStageS. Bezugspreis: Monatlich 3 Mark. Eiiizelne Nummern 15 Ps. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. Ankündigungen: Die 32 wm breite Grundzeile oder deren Raum 30 Pf, die 66 rum breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf-, unter Ein gesandt 90 Ps. Ermäßigung auf GeschästSanzeigen, Familiennachrichten u. Stellen- gesuche. — Schlug der Annahme vormittags 10 Uhr. Dresden, Freitag, 7. August M. 182 Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Verkaussliste von Holzpflanzen auf den Staatsforstrevieren. Verantwortlich für die Redaktion: I. V.: Oberregierungsrat HanS Block in Dresden. Die Rot der Optanten vor dem Reichstag. Sitzung des Reichstages vom 6. August. oes Reiches As WlW UnttlhM bmiW die ÄltUktiMrW dts NltütOm der Arbeiterpartei: Die B.rgwerks- des schloß: Ich bi n überzeugt, daß-, Zeit kommen sollte, wo die und Re- London, 6. August. Lor vollbefttzlem Hause b achte Baldwin im Unterhaus eine Ergänzung des Vor anschlags um 10 Millionen Pfund für die Subvention an den Kohlenbergbau und die Industrie ein. Baldwin schild.-rte zunächst die Ereignisse in der Bergbauindustrie während der letzte» 30 Jahre und die Kohlenpolitik der Regierung und kam hier auf auf die jüngste Krisis im Kohlenbergbau zu sprechet». Baldwin kennzeichnete die von ihm unternommenen Bemühungen und erwähnte, raß es ihm gelungen sei, einige Zugeständnisse von den Arbeitgebern zu erha Uen daß aber die Bergleute weiter auf dem Stand punkt veiblieben, die Frage der Arbeits zeit und der Löhne nicht zu erörtern. Das Ergebws sei gewesen, das, am Donnerstag abend eine völlige Stockung in den Bethandlungen einzctrele» sei. Ich bin übrigens überzeugt, erklärte Bald win, ».an auch bei einem frühcren Ein greifen der Regierung schließlich an der Stelle angetangt wäre, an der man am Donnerstag abend stand, wo es nur zwei Möglichkeiten gab: die Stillegung der Industrie oder Mittet, dieses Ereignis zn umgehen. Eine dritte Möglichkeit bestand nicht. Tie Aufgabe des Staatsmannes ist es, die Schwierigkeiten wenn irgend möglich zn vermeiden und sic nicht alt unentrinnbares Schicksal zu betrachten. Angesichts der langen Tauer und der unerhört schlechten Lage des Handels hätte die Re gierung nichts Schlimmeres tun können, als zujulassen, dass das Land in einen Kampf ge riet, der nicht nur de» ganzen Handel läh men, sondern auch die Aussicht auf Besserung nm Monate, vielleicht um Jahre vernichten mutzte. Es sind nicht die Führer der Bergleute, sondern die Bergleute selbst, die in einem solchen Kampfe unendlich leiden würden, und diese Leiden würden viel schwerer wiegen als der Berl »st derLnmme, die in dem vorliegenden Voranschlag ge fordert wird. Angesichts dieser Lage habe ich nach einem ehrenvollen Ausweg gesucht, und ich glaube ihn gesunden zu haben. Die Bergleute hallen Be schwerde geführt, daß nur wenig oder nichts getan worden sei und daß in der Industrie Ersparnisse erzielt weiden könnten, so da) man ihnen an- ständigerweise nicht zumuten könne, niedrigeren Löhnen zuzustimmen. Wie dem auch ist, ich und meine Kollegen sind zu der Überzeugung gelangt, daß es angebracht ist, diese Frage durch eine Kommission n it auszrdehnten Befugnissen prüfen zu lassen und während dieser Zeit, nämlich für etwa neun Monate, der Industrie eine zeitweilige Unterstützung zu gewähren. Man hat mir Feigheit vorgeworfen. Aber eS ist viel leichter» sich in den Kampf al» in denF'ieden htneinlärmen zu lassen. hat. (Ruse bescher!) Baldwin wenn die Zuschauers begnügt, weil die Arbeitgeber im Juli das Lohnabkommen kündigten. Tie Arbeiterverbündc hatten gewuht, daß »ach einer Niederlage der Bergleute diese auch anderen For derungen der Arbeitgeber hätten weichen müssen. Nach Macdonald sprach Lloyd George, der im Lause seiner Rede häufig von Mitgliedern der Arbeiterpartei mit ironischen Zurufen unter brochen wvlde. Er sagte, Balvwin habe sehr geschickt gesprochen, aber seine HandlunzSweise sei nicht gerechtfertigt. Lloyd George vertrat die Ansicht, es hätte bei Gewährung der Bet >ilse zur Bedingung g.macht werden Gesamtheit sich selbst zu schützen hat, sie dies tun wird. Und die Antwort, die sie erteilen wird, wird die Kräfte der Anarchie in der ganzen Welt in Er staunen setzen. (Beifall bei den Ministeriellen, zornige Zurufe b-i der Arbnterpartei.) Jh sage dies lediglich als Warnung, und ich weiß, daß ich nur ausdrücke, was die liefe allgemein verbrerlele Überzeugung der üb.rwiegrnden Mehrheit eines großen und freien Volkes ist. (Lebh. Beifall.) Macdonald, der hierauf daS Wort ergriff, erklärte: Ich bedauere tief die Schluß sätze der Rede des Premierministers. Dieser hat vielleicht nicht viel Erfahrung in der 5000 Optanten bestimmt, deren rasche Weiterleitung durch die preutzischen Vorschriften gewährleistet war. Neben dem Wohnungsproblem war die Frage der Arbeitsbeschaffung zu losen, und zu diesem Zweck war von der Reichsarbeitsverwaltung Mitte April eine Optanten-Vernrittlungs- stelle eingerichtet worden, deren Leitung einem hervorragenden Sachkenner übertragen wurde. So gelang es, bis znm 1. August d. I. 5751 Personen in Arbeitsstellen unterzubringen. An Mitteln für d e Unterbringung sind vom Reich und Preuße» insgesamt 6,5M illi onen Mark bereitgestellt und weiteren 5 Millionen für die Unleibringung der zn erwartenden Op tanten ausgeworfen. Tie Besetzung des Lagers hat sich schon auf 5üv» vcrmindert. Die Reichsregisrung hat cs sich zur Richtschnur gemacht, daß dieselbe Behandlung, der die deutschen Optanten in Polen ausgesetzt sind, auch den polnischen Optanten in Deutschland zule l werden soll. (Beifall.) Um die Lage Behandlung der modernen, sehr schwierigen verwickelten Probleme der demokratischen aierung- Tie Regierung hat sich mit der Roll« unserer deutschen Optanten nicht unnötig zu er- schwerer», werden wir Represfivmaßnahmen solcher Art erst dann trefsen, wenn Polen damit voran- gegangen ist. (Wideripruch und Unruhe bei den Völkischen.) Wir haben gerade dos größte In teresse an der klaren Feststellung, daß Polen mit den Gewaltmaßnahmen voran geht. (Abg. v. Graefe: Ist denn Polen noch nicht damit vorangegangen?) Warten Sie, Herr v. Graefe, das Ende meiner Erklärung ab. (Un ruhe und Eulrüslungsruft gegen die Völkischen.) Demgemäß hat die deuische Regierung, nachdem die polnische Regierung der» deutschen Optanten die Avwanderungsoersügung znstellte, dasselbe den polnischen Optanten gegenüber getan. Heute ist uns berichtet worden, daß die polnischen Botörden den deutschen Optanten, die noch nicht abgereist sind, den Befedl erteilt haben, innerhalb 48 Stunden Polen zn verlassen. (Psni- Rufe.) Daraufhin haben wir sofort die gleiche Maßnahme gannen. Jeder Optant erhielt gedruckte Ver- halt u ugsmaßre gelu, Ab wände rungs- Papiere und im Notfall eine Geldbeihilfe. Dank dieser Vorbereitungen konnten schon im I ul i 8 0 0 0 O p t a n t en die Rückwanderung au- lreten, ohne das Durchgangslager in Schneidemühl m berühren. In einer erneuten Besprechung vom 30. März 1925 Wille der Vertreter des preußischen Innenministeriums mit, daß der Oberpräsident in Schneidemühl zum preußischen Staatskommissar für d e Übernahme der Optanten aufgestellt sei, und es wurde eine entsprechende Arbeitsteilung ver. eindart. Tas Turchgangslager in Schneidemühl war lediglich für die erste Aufnahme von etwa müssen, daß eine Vereinheitlichung und Zusammenlegung in der Kohlen- industrie erfolge, die die Ausgaben ver minderten. Eine uferlose, uneingeschränkle Garan tierung bedeute für beide Teile den Anreiz, sich nicht zu beeilen. Die Arbeitgeber hätte»» nichts zu tuu, als ih»e Rechnungen einzuschicken. Er tadle Baldwin nicht, daß er seine Ansicht geändert habe (Iro nische Zwiste: Sie haben das niemals getan! Gelächter.) Aber Baldwin sei zn semcm Entschlusse gelangt nicht auf Grund sorgsamer Erwägung, sondkl» einer Drohung gegenüber, vvr der die Regierung sich fürchtete. Eine Berheimlichung der Tatsache sei zwecklos. Ter abgeschlossene Handcl sei schlecht und lasse kein Ende absehen. Er laufe ans eine Natio nalisierung mit einer Regie ruugs- garautic Hinans, aber ohne jede Kontrolle. Die Lcmokratie sei dem Do c geweiht, wenn sie vor einem von irgendeiner Minderheit ausgcübtr» Zwange kapituliere. Und die Rr» gicrung sei doch dcr Hüter dcr Demokratie. Der Koirselvatioe Sir Leslie Scott billige 'die Handlungsweise der Regierung. Robert Smillie (Arb.-ilerp.) sagte, seiner Überzeugung nach sei die große Mehrheit der Bevölkerung der Regierung dankbar, daß fe der Industrie ernste Verluste erspart habe. Tas Btigbauprogramm könne nie ohne Nationalisierung gelöst werden. Sir Roheit Horne (Kons-rv.) hob hervor, daß alle Industrien sich in einer Notlage befinden. Finanzielle Beihilfe könne den Schwier igke te» der Industrie nicht abhelfen, denn diese seien wesentlich in der L>ge des Weltmarktes begründet. Die Lohne sür die Erzeugung einer Tone Kohle seien in England 6>^ Schilling in Deuischland 6 Schilling 10 Pence Selbst das be ftg el eite» e Bergwerk müßte unter alle»» Umständen mit Verlust arbeiten. Gretton (Konserv.) sprach von einer Kapitu lation der Regierung vor der Gewalt, die eine schwere Zumutung für ih e Anhänger bedeute. Die Kommunisten und Extremisten inner halb der Gewerlschasten würden durch diese Aktion der Regierung gestärkt. DaS UnlcrhauS hat die Borlagt betr. die Unterstützung des Kohlcnberg- baneS mit «51 gegen 1« Stimmen an- genommen. Bei der Abstimmung stimmten 1S Liberale, der Arbeitcrsührer Bromley sowie die beiden tkovservativcn Syril Lloyd nnd Alexander gegen die Rcgierung. Ei-re Anzahl von K» «servativen übic Stimmenthaltung. Lant „Tailtz Telegraph- wird sich daS Parla ment Henie abend bis znm 1» November ver tagen. Poisonby wird heute über die Be- zictznngen zn Nutzland und dtc Lage in Teutsch- land sprech,«. Man hat l.'tzle Wcch.' d:m g oßen Bündnis dcr Gewerlschafien gegenübergestanden, die die Macht und den Willen hallen, ihrem Lands un- g.'he ren und unwleverh.'lstellbare»» Schaden zuzusüzen. Ich halte es sür einn» sehr be- trü blichen Höhepunkt in der Ent wickelung der Lolksregierung, wenn Leute sich erlaube«, die natürliche Entwickelung dadurch zu ersetzen, daß sie sich gegen alles wenden, wo für die Demokratie ein tritt. Wenn diese Politik von der Gesamtheit der Ar beiterpartei bestätigt werden sollte, so sehe »ch nicht, wie die verfassungs mäßige Regierung au, Leben bleiben kanir Nur in» Frudsn kann die Wohlfahrt ge- deihen, und wie dec Fliedenswillen Frieden bringen kann fo kann die Kriegskunst Krieg biinzen, wenn die Kriegslust vorübergehend ob siegt. Wenn wir daher einer Herausfo.derung derait, wie ich sie geschildert habe, gegenüber stehen, dann bilte ich sage» zu dürft», daß bis her «och nie in einem freie!» Land: die Minder heit der Gesamtheit ihren Wlllei» aufgezwungen Vor Eintritt iu die Tagesordnung teilt Puisi- dent Löbe den» Hause mit, daß an Stelle des ver- swibenen kommunistischen Abg. E chhorn Redakteur licdt iu die kommunistische Reichstags- sraktion eiilgetrete!» sei. Tann tritt das Haus in die Besprechung dcr Interpellationen zur OPtantensrage cin. Abg. vr. v. Keudell (Dnatl.) begründet die dcutschnationale Jnle»pellation Er foidert den Reichstag auf, in der Optautenfrage einmal ein- mülig zusammenzuarbeiten, mir zu untersuchen, wie cs zu dcn schmählichen Zuständen iu Schncidc- mühl gekommen sei, und eine Wiederholung dieser Zustände zu verhindern. Die Verantworllichkeils- und die Zuständiakeitlgrenze für die Volgänge in Cchucidcmühl dürfe nicht verschoben werde»». Dcr preußische Innenminister Severing, der zuständig für die Bor ko mm nifse sei, werde wohl dw ver- autworlichen Beamte» bezeichnen müsse». Tie Vmkchrungen für de» Opwntencmpfaug inSchnede- wühl seien unwürdig und uuzn reichend ge gewesen. (Sehr richtig.' rechts. Ai» den Reichs-, innenminister müsse die Frage gerichtet weiden, ob er genügend Mittel zur Verfügung gestellt habe. Ter Zweck der vorliegende!» Interpellation sei, daß au Stclle schöner Worte Taten sür die Optanten treten möchten. (Beifall rechts.) Abg. Rädrl (Komm) begründet die Inter pellation seiner Fraki ou. Die Verantwortung sür o e Vorgänge in Schneidemühl trage in allererster Linie die Reichsreg icruug und damit die hinter Nir stehende» Parteien. Im Kriege hätten die Mil larisien, die Anhänger der Rechtsparteien, auch Willkür gegenüber wehrlosen Bürgern geübt. (Un ruhe rechts.) Sie hätten heute kein Recht, gegen die polnische Willkür zu protestiere». (Großer Lärm rechts; Rufe: Herunter n it ihm!) — Die Mehrzahl der Deutschnatioualeii und der Mitglieder dcr Tenlschei» Bolkspartei verlasse»» den Saal. — Präsident Löbe ermahnt den Redner, sich zu mäßigen.) Die Leidensen seien auch in dieser Frage wieder dis Werltätigen. Wenn m Preußen elwas versäumt wordsn sei, dann treffe die Reichs- regierung die Schuld, daß sie nicht eingegnfse» twbe. — Der Redner fragt, ob es dem Anßen- Minister Stresemann nicht bekannt sei, daß die polnische Reg elung schon seit langem Bvrbereituu- gcn zur Ausnahme der polnische» Rückwanderer getroste» habe. Die Ne chsregierurrg habe das nicht getan, abcr von „Überraschungen" gesprochen. (Hört! Hört! links.) Rcichsautzenminister Itr. Stresemann weist den Borwurf zurück, daß der dcutfche Ge- landle in Warschau, Rauscher, in dieser wichtigen Zeit in Urlaub gegangen sei. Rauscher sei erst iu Urlaub gefahren, als alle seine Bemühungen in der Oplanlenfrage bei der polnische» Regierung ergebnislos verlaufen waren nnd es sich nickt mehr mit der Würde des Reiches vereinbaren ließ, wei- ter zu verhandeln. (Lärm links. Beifall rechts.) Ter Reichsaußenminister gab dann im Namen ter Reichsregiernng und im Einverständnis mit dem preußische» Ministerium des Inner» folgende Erklärung ab: „Die deulsche Delegation in Wien hat durch direkte Verhandlungen mit der polmscken Delegation versucht, eine Milderung des Schieds spruches des Präsidenten Kaeckenbeeck herbeizu- führe», wonach Deutschland die Abschiebung oer deutschen Optanten aus Polen du! den müßte. Diese Bemühungen sind am polni schen Widerstand gescheuert, und es ist nur gelungen, cinc Erleichterung dcr AbwandcrnngS- bcdingnngcn zu erreichen. Nach Unterzeichnung des Wiener Abkommens vom 30. August v. I. hat das Aus wärtige Amt die deutsche Gesandtschaft in Waischau beauftragt, in dringlicher Forni bei der polnischen Regierung auf einen Verzicht der Aus- weisungsbesugnis bezw. auf eine Ein- fchränkung des Kreises der abwanderungs- pflichtigen Optanten hinzuwirken. Diese Verstand- tungeu, die sogar noch im Juli dieses Jahres statlfanden, hatten jedoch keinen nennens, werten Erfolg. Ncht einmal der Wunsch wurde b.rücksichtigt, von der Ab- Wanderung-Pflicht Greise, Schwerkriegsbeschädigte. A Iwcn und Waisen auszunehmen. Das Bestreben der Reichsregiernng, das Los der beiderseitigen ab- wanderungspflichligen Optanten zu mildern oder ihren Kreis einzuschränken, ist asto an der starren Haltung der polnischen Regierung gescheitert. Tie Behandlung der Oplantenfrage wurde vom Reichsminister des Innern übernommen. Am 1 »nd 8. Dewmber lS2k fandenkommissarische Besprechungen mit den beteiligten Stellen und Preußens statt. Dabei wurdc d e Zahl der aus Pole« Abwauderungs- pflichtigcn auf rund 27000 angegeben. Mit dem Abtransport der Optanten an die deutsche Grenze wurden die deutschen Konsulate iu Pose» u»d Thor» beauftragt, d'e mit organsta- torische» Maßnahmen bereits im Februar be