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Nr. 128 Dresden, Freitag, 5. Zum 1925 — 1 Die Aufstandsbewegung in China. Sächsisch evlaalszeitung den Freistaat Sachfen Staatsan?eiger für Die Lage in Schanghai. Schanghai, 4. Juni. Wie Reuter meldet, scheinen die Aufständischen jchi das Vertrauen zu ihrer Taktik der sinnlosen Argusse auf die Fremden zu v-.rlieren. Zu- saumcnstöß: siud heute nicht gemeldet worden. Allerdings gewinnt der Streik immer mehr an Ausdehnung. Tie Zeitungen sprechen von ungefähr 300000 Mann, in der Hauptsache Kulis, wrlche Vir Arbeit nieder- gelegt haben. Neue Zusammenstöße haben sich in den Q ar luren des ZWKums ereignet, wobei mehrere Manifestanten getötet und verletzt wilden. Bis jetzt ist bekannt, daß 21 Streikende a-töiet uu) 66 verletzt worden sind. Auf seilen kr Verteidiger der Ordnung zählt man einige verwundete, darunter einen schwer Verletzten. Panzeiaulcm bile wurden gestern schleunigst nach dein Wstoiertel entsandt, wo sich Aufständische ansanmcllen, die von Thapei kamen. Die Strei kenden haben in Thapei, das unter chinesucher Verwaltung steh«, ihre Operauonsbasis gegen die ^renldenviertkl eingerichtet. Tie „Evening-News' >wn Schanghai ist der Ansicht, vast die Lage ernst sei. Jedoch würden die Chinesen selbst mehr lewen als die Amläncer» dir Vorräie an Nah rungsmitteln haben. ES scheint nicht, dast eine Verständigung unmittelbar bevorstehe, weil die Fremden entschlossen sind, die Meuterei nieder- .uschlagen, und da anderseits auch die Chinsen zu erregt sind, nm ihnen Bernunft predigen zu lüuneu. * Landung englischer Marinetruppeu. London, 4. Juni. Laut „Preß Association" verlautet, daß zwei britische Kriegsschiffe heule vormrltag in Schanghai ein getroffen seien, und dast ein weiteres Kriegsschiff heute nachmittag dort anlangen werde. Der britische Generalkonsul in Schanghai trabe nm Landung von 2000 Mann ersucht, die a.ch e folgen werde. Reuter erfährt aus guiunterrichteten Kreisen: Abgesehen von der Entsendung von Schiffen und d.-r Landung von Matrosen und Ma.inetruppen in Schanghai hat bisher keine vereinte Aktion der Wch c staltgefuuden. Es besteht kein Wunsch nach einer Intervention, die allster den bereits unternommenen Schritten auch nicht an geregt worden ist. Gerüchtweise verlautet, dast der russische «üeueralkonsul in Peking und d.-r Ver treter des chinesischen Außenmini st e> uums ein Abkommen abgeschlossen haben, buch da? alle Eisenbahnarbeiier in China, die weder Chinesen noch Russen sind, sofort entlassen weiden müssen. Manrechuet mit einer diplomatischen Aktion Japans, da diese Maßnahmen eine Verletzung deS ja anisch-tuftchchen Vertrages bedeuten würden, auf Grund dessen sich beide Mächte v.rpstichieten, ih-e gegenseitigen JiUercssen in China nicht zu untergraben. * Tie Antwort des diplomatischen Korps. Peking, 4. Juni. Heute vormittag beriet das diplomatische ltorps über den Entwurf einer Antwort auf dis Note des Auswärtigen Amtes vom L. d. M., in der das Austenamt gegen das Vor- -eh n der Polizei von Schanghai gegen die Un ruhestifter Einspruch eihoben hatte. Am Nach mittag liest d:S diplomatische Korps den Text der Anlwoit dem chinesischen auswärtigen Amt duich den Italien schen Gesandten zugehen. Darin heißt e- w u.: Die demonstlierlnden Truppen wurden ausgefoldert, sich zu zerstreuen. Die Führer wuidkir verhaftet. Tie Menge weigerte sich, der Aufforderung nachzukommen, griff die Polizei an und versuchte einen Stu m auf die Polizeistatton. Erst dann machte die Polizei von der Waffe Gebrauch. Die verantwort- lichkeil liegt daer bei den Demonstranten und nicht bei den Behörde». Wrr haßen, dast die chinesische Regierung den Zwischenfall in dem selben versöhnlichen Geiste betrachten werde, der die diplomatischen Vertreter erfüllt. * Die zweite chinesische Note an die Mächte. Peking, 4 Juai. Das chinesische auswärtige Amt hat gestern nachmittag eine wertere Note an den italienischen Gesandten als Vertreter Ter Inhalt der Note der Alliierten. Berlin, 4. Juni. Bei der Überreichung der Kollekiivnote er klärte der englische Botschafter: „Entsprechend dem am 5. un> 26. Januar befolgten Verfahren habe ich dir Ehre, Eurer Exzellenz im Namen meiner Kollegen und im eigenen Namen eine gemeinsame Nv'e unserer Regierungen über die Voraussetzungen der Räumung der Kölner Zone auszuhändigen." Der Reichskanzler nahm die Nole mit fol ender Antwort entgegen: „Seit der Übcr abe der alliierten Noten am 5. und 26. Januar, auf die Euer Exzellenz soeben Beug genommen haben, hat die Reichsregierung sowohl beid r Beantwortung jener Notrn als auch bei anderer Gelegenheit wieder holt Anlast genommen, ihien Standpunkt in der Frage de> Räumung der nörd lichen Rheinlandzo ne dar; ul egen. Ich n.hmr auf diese Erkmrungen Bezug. Die mir übergebene Note wird von der Reichsregierung unverzüglich geprüft werden. Tie ReiäFiccieruug wird sodann Ent scheidung über ihre weiteren Maßnahmen liessen." Die Reich uegierung wird dis Eniwaffnungs- note der Alliierten nickt s^on in den nächsten Tagen beantworten, da eingehende Besprechungen innerhalb des Kabinetts erforderlich sind. Die Reichsregierung wird sich gleichfalls mit den Ländern in Veibindung setzen, um ihren Stand punkt zu hören. Eine Kabinetlssitzung wird erst in einigen Tagen stattfinden. Die gegenwärtig außerhalb Berlins weilenden Minister vr. Strese mann, Geßler, v. S.lli ben, Krohne und Graf Kanitz werden vermutlich am Sonnabend nach Berlin zurüllkchien. Eist dann werden Be- sp echungen des Kabinetts über die zu erteilende Antwort rinsetzen. Die in der Note der Alliierten dargelegten Beschwerden beziehen sich auf die Re organisation der Schutzpolizei, die Umstellung industrieller Werke und auf den angeblichen deutschen Generalstab. Schon jetzt kann grsagt werden, dast die Reichsregierung in ihrer Antwort darauf Hinweisen wird, dast die Räumung der ersten Zone mit der Entwaffnung weder rechtlich noch vertraglich etwas zu tun hat. Da Frankreich anscheinend eine Fortsetzung der Militäikontrolle beabsichtigt, wird die Regierung dagegen Einspruch erheben und darauf Hinweisen, dast auf Grund des früheren Notenwechsels die Mili ärlontrolle nochmals zugestanden wurde unter der Voraussetzung, dast es sich um eine ab- sch liestende Generalrevision handelt. Die Reichsregierung dürfie dann weiter Vorschlägen, die von den Alliierten dargelegten Beschwerden auf dem Wege mündlicher Verhandlung zu klären. * Unterredung Briands mit dem deutschen Botschafter. Paris» 4. Juni. Außenminister Briand hatte heute nach mittag eine Unterredung mit dem deutschen Botschafter v. Hoesch, die ganz allgemein der interessierten Mächte gesandt, in der Be schwerde erhoben wird, dast die Polizei von Schanghai wiederum auf das Volk geschossen habe, was neue Opfer forderte und worin weiter erklärt wird, die meistrn der Opfer seien von hinten getroffen worden, während die Polizei keine Verluste erlitten habe. Dadurch fei die Grundlosigkeit ihres Vorgehens erwiesen. Die Haltung der Behörden in Schanghai sei die Ur- fache des Streiks Die Note fordert die Ver- ireter der Mächte ans, unverzüglich energische den Stand des Sicher heitsproble ms und die damit zusammenhängenden Fragen zum Gegenstand halte. Kabinettsrat unter Vorsitz Hindenburgs. Nonscrenz der Ministerpräsidenten der Länder. Berlin, 4. Juni. Wie wir erfahren, sinnet am Freitag, den S. Juni, mittags unter dem Vorsitz des Reichspräsidenten ein Kabinettsrat zur Erörterung der am Donnerstag über reichten Rote über die Voraussetzungen für eine Räumung der nördlichen Rheinlandzone statt. Wie die „Zeit", die heute als Kopfblatt der „Däglicheu Rundschau" wieder erschienen ist, mit- zuteilen weist, werden am kommenden Mittwoch die Ministerpräsidenten der Länder in Berlin eintreffen, nm mit der Reichsregierung über die Beantwortung der Entwaff. nungsnote zu beraten. * England lehnt die Verant wortung ab. London, 4. Juni. Der diplomatische Berichterstatter des „Daily Telegraph" schreibt, in Paris bestehe die Nei gung, Großbritannien irgendwelche Verantwortlichkeit für die genaue Durch führung der abzuschließenden östlichen Schieds- gerichtsverlräge aufzuerlgen. Eins solche Ver antwortlichkeit sei in der britischen Note drut- lich abgewiesen worden. Was die Differenzen im Westen betreffe, so werde es nicht genügen, die aktive militärische Unterstützung Groß britanniens heibeizujühren, wenn irgendwelche Streitigkeiten über eine schiedsgerichtlich zu ent- scheidend: Frage vorlisgen, oder wenn es zu irgendeinem sonstigen bedauerlichen Vorfall käme, der vom Völkerbund oder der Diplomatie erledigt werden könne. Bevor England bereit sei, in einer Krieg zu treten, müßte eS zu einer brstimmten feindseligen Haltung seitens einer der Parteien gekommen sei», welche die Verletzung der entmilitarisierten Zone einschlitßr. * Tie Antwort Frankreichs an Teutschland. Parrs, 4. Juni. Im heutigen Mmisterrat berichtete Briand über die auswärtige Lage und besonders über den Stand der Verhandlungen, die mit der britischen Regierung zumAbschluß eines Sicherheitspaktes unter Beteiligung Deutschlands geführt würden. Er erklärte nach Beendigung der Sitzung Pressevertretern, zwischen der Londoner Regirrung und d.-n Alliierten sei über die auf die deutschen Vorschläge zu erteilende Antwort ein Einverständnis erzielt wo den. Die Antwort Frankreichs werde nach seiner Rückkehr von Genf der deutschen Regierung zu gestellt werden. Außerdem werde er mit dem Staatssekretär Ehamberlain über die SicherheitSfrage verhandel». Weisungen an ihre Konsuln in Schanghai zu senden, den Gebrauch von Fruerwafjen einzu- stklle«, damit weiteres Vlutoergiestrn verhindert werde. * Eine dringende japanische Note. Aapan will Land- und Marine- trnppen senden. Loudon, 4. Juni. „Daily Expreß" will ertahren haben, dast die japanische Regierung eine dringende Note nach Peking gesandt habe, in der k!ar zum Ausdruck gebracht werde, dast die Japaner, wenn die chinesischen Behörden nicht in der Lage seien, die Ordnung in verschiedenen chinesischen Städten aufrechtzuerhalten, bereit seien, be waffnete Land- und Se e strei t kr äs i e in genügender Zahi zu entsenden. Das Blatt erklärt dazu: Diese Aktion würde nicht der Erklärung des japanischen Austeuministers, nur im Einvernehmen mit den andenn Mächten rorzugehen, entspreche» und würde weit über dtc britischen Absichten hinausgrhcn. Der Kreuzer „Tatsuta" ist mit 200 Mainesoldaten an Bord nach Schanghai ab gefahren. * Pie englische« Gewerkschaften fordern Zurückziehung der britischen Truppen. London, 4. Juni. Als Antwort aus den vom Komitee der Streikenden von Schanghai an die britischen organisierten Arbeiter ge- richt steir Appell haben dec Vorsitzende und der 2. Sekretär des Generalrals des Ge werkschaftskongresses an den Premier- Minister Baldwin im Namen des Generalrats einen Brief gerichtet, in dem die Zurück ziehung der britischen bewaffnete» Streitkräste, die in die Vorgänze in Schanghai verwickelt sind, verlangt wird. * Das Beileid der Sowjetrepubliken. Peking, 4. Juni. Ter Sowjetbatschafter Karachan richtelr gestnn eine Note an den chinesischen Außenminister, in der er aus Anlaß der Er schießung chinesischer Arbeiter und Studenten in Schanghai dem chinesischen Volke das Beileid der sozialistischen Sowjetrepubliken ansspricht. * Was -er chinesische Gesandte in Berlin sagt. Berlin, 4. Juni. In einer Unterredung mit einem Pressever treter sagle der chinesische Gesandte in Berlin, Wu, daß die Unruhen in Schanghai ihren Ursprung lediglich in einem Streik haben. Die Chinesen wollten dieselben Rechte geniesten und anerkannt haben, wie sie bei anderen Völkern üblich sind. Au? diesem Grunde sei es begieiflich, daß die rein soziale Bewegung eine nationale Färbung angenommen hat. Die Äe vegung würde an Schärfe verlieien, wenn die frcmdrn Mächte sich nicht in das Streikrecht der chinesischen Aibnter einmischen winden. Der Gcsanvte gab der Überzeugung Ausdruck, daß die Deutschen in China von dieser Streikbewegung nichls zu für hten hätten. Er wies in diesem Zu sammenhang auf den zwischen China und dem Teulschen Reich bestehenden Beitrag hi», der auf der Basis der Gleichheit und der Gegenseitigkeit aufgebaut ist. Der Lissaboner Proteststreik. Lissabon, 4. Juni. Der von der Arbeiterpartei erklärte Protest streik gegen die Deportation einiger Gewerkschaftler wird nicht allgemein durchgeführt. Eine An ahl Blätter ist nich« erschienen. Die Stiaßenbahnen verkehren. Pie Polizei Hal Maßnahmen getroffen, um die Freiheit der Arbeit zu schein. Bor der Beantwortung der Entwaffnnngsnote durch Deutschlaud. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, VrrkausSlist, von Holzpflanzen aus den StaatSforstrevier«. verantwortlich für die Redaktion: I. B.: OberregierungSrat HanS Block in Dresden Ankündigungen: Die 32 mm breite Grundzeile oder deren Raum 30 Pf, die 66 mm breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Ps., unter Ein gesandt SO Pf Ermäßigung aus Geschäftsanzeigen, Familiennachrichtcn ». Stellen- gesuche. — Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Erscheint Werktags nachmittags mit dem Datum deS ErscheinungStage». Bezugspreis: Monatlich 3 Mark Einzelne Nummern 15 Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140.