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sind, zu erkennen und demzu folge durchaus ein eigner künstleri scher Weg. Richard Wagner spielte gegen Ende des Jahrhunderts eine große Rolle im französischen Musikleben. „Wagnerisme" wurde zum stilbil denden Schlagwort. Bayreuthpil ger machten sich auf, die Opern des deutschen Musikgottes zu erle ben. Vor allem „Tristan und Isolde" mit einer ausufernden Harmonik (und nicht nur hiermit) beeinflußte zahlreiche Komponisten, beflügelte sie zu eigenen, analogen Werken, legte ihnen aber auch Fesseln an, die nicht einfach zu sprengen schie nen. Da Cesar Franck die Welt der deutschen Musiktradition (Klassik und Romatik) seinem Schüler geöff net hatte, war es naheliegend, daß auch Chausson diesem Pfad, der ihn zu Wagner führen sollte, recht lange folgte. Sein ambitioniertestes Werk wurde die Oper „Le Roi Arthus" (1886-95), ein Werk mit hochgradigem Wagner-Einfluß. Doch wie andere seiner französi schen Zeitgenossen auch, löste er sich schließlich von diesem musika lischen „Übergott" und suchte nach eigenen Wegen. Debussy hatte ei ne solche Richtung aufgezeigt. Wagner malte breit aus im schwe ren Espressivo, ahmte Leben und Seelenzustände musikalisch nach, meinte aber die reale Wirklichkeit. Debussy hingegen wollte „keine direkte Nachahmung, sondern see lische Übertragung dessen, was in der Natur nicht sichtbar ist", wie er es selbst ausgedrückt hat. Das be ¬ deutet somit, daß es eher um An deutung anstatt eines breitwandi gen „Pinselstriches" geht, nicht um eine „Impression" des Sichtbaren, sondern um seelische Schwin gungen. Aber Debussy war weiter gegangen. Im Harmonischen legte er traditionelle Fesseln ab und stell te Akkorde frei nebeneinander. Das galt vorher als unvereinbar, weil ein harmonisches Beziehungs geflecht funktionell aufeinander abgestimmt werden mußte. Es ent stand jetzt eine Technik frei schwe bender Klänge und damit auch freier melodischer Elemente, die nicht mehr thematisch „verarbeitet" zu werden brauchten, wie es z. B. die deutschen Klassiker praktiziert hatten. Chausson suchte durchaus auch eine Weile auf diesem Weg einer neuen Klangsinnlichkeit, kehrte aber immer in irgendeiner Weise zum klassisch-romantischen Vorbild zurück. Sein Platz ist also eher zwischen Franck und Debussy einzuordnen, besser aber wohl in die Nähe von Faure zu rücken. Das klingt sehr theoretisch, umreißt aber doch andeutungsweise seine stilistische Richtung. In seiner künst lerischen Ausdrucksweise liegt et was Schwermütiges. Musik war ihm Herzenssache, kam tief von in nen. Er suchte die Sonne, „die im Dunste leuchtet", ein etwas ver schleiertes Licht. Hell und Dunkel sind Kontraste, Mischungen daraus sind eher seine Sache. Die Loslö sung von lähmenden Vorbildern gelingt nicht ganz, doch das Neue liegt recht nah. Seine Musikspra- Biographisches: •geb. 20.1.1855 in Paris, gest. 10.6.1899 in Limay bei Montes • zunächst Jura studium, 1879 Rechtsanwalt • 1879 Musikstudium am Pariser Conservatoire (bei J. Massenet und danach bis 1883 bei C. Franck) • unterhielt in Paris einen gefragten Salon, den bekannte Künstler besuchten •1886 General sekretär der „Societe Nationale de Musique" • starb (1899) an den Folgen eines Fahrradunfalls