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ganzen Welt besser als Monsieur Saint-Saens" - bekannte einst Claude Debussy, selbst zwar alles andere als ein Freund des Mei sters, doch voller Anerkennung für die Vielseitigkeit des 27 Jahre Alte ren. Doch das Werk des Tonschöp fers wollten weder Debussy noch viele andere Zeitgenossen so recht gelten lassen, es paßte ihnen nicht in die Zeit musikalischer Umbrüche und in ihre Geisteshaltung. Sicher lich, die Schöpfungen Saint-Saens' sind in gewisser Weise als unange- paßt-zeitlos anzusehen, sind intel lektuell-rational, emotionslos-unter kühlt, unromantisch (und das im Zeitalter eines romantischen Über schwangs!), und eine erkennbare Entwicklung von frühreifen Anfän gen bis hin zu einer Altersreife ist in Vokabular und Stil seiner musi kalischen Sprache nicht wirklich auszumachen. Und doch hat er der Musik immer wieder Anregungen gegeben, proklamierte z. B. 1 878 bereits „die Agonie der Tonalität und des enharmonischen Halbton systems" und setzte sich dafür ein, „antike und orientalische Modi" zu verwenden und eine „Verselbstän digung der Rhythmik" zu errei chen. Aber das waren rein rationa le Ansätze, keine ästhetischen, waren nicht so sehr auf das Ge fühl, die Seele des Hörenden ge richtet, als mehr auf äußeres, hand werkliches Können. Gerade aber eine solche distanzierte - seelenlo se? - Objektivität, besonders aber seine (allzu)große Vielseitigkeit, brachte dem Komponisten den Ruf eines Eklektizisten ein, eines Man nes also, der nur Überliefertes un geachtet aller weiteren „Fortschrit te" verwendet. Sein ästhetisches Ideal war das der klassisch-vollen deten Form. Sein Streben nach dichten Motivbezügen innerhalb klar gegliederter Formproportionen wurde als „gelehrt" abgetan, als „Akademismus". Weil er seine Musik so verstanden wissen wollte, daß sie „ebenso wie die Malerei und Bildhauerei aus sich selbst her aus und unabhängig von jeder Emotion" existieren könne, setzte er hinzu, sie sei „nichts als nur Musik. Je weiter sich die Sensibi lität entwickelt, desto weiter ent fernt sich die Musik und die ande ren Künste vom Status der Reinheit; wenn man nur nach Gefühlen ver langt, verschwindet die Kunst." Und der Zeitgenosse schlußfolgerte rasch, seine Musik sei frei von je der inneren Regung, also emotions- Camille Saint-Saens (1835-1921); Karikatur von Gabriel Faure Biographisches: •Geb. 9.10.1835 in Paris, gest. 16.12.1921 in Algier • Wunderkind (Klavier, mit 13 Jah ren 1. Sinfonie) • Studium am Pariser Conservatoire • ab 1853 Organist verschiedener Kirchen in Paris •1861 Lehrer an der Ecole Niedermeyer • 1871 Gründungs ¬ mitglied der „Societe Nationale de Musique" (gemeinsam mit Franck, Faure u. a.) • ab 1877 vornehm ¬ lich Reisen als Dirigent und Pianist eigener Werke • Kompositionen für alle Gattungen, u. a. 3 Sinfonien, 5 Klavierkonzerte, mehrere Opern, Kammermusik