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Staatsaryeiger für Erscheint Werktag» nachmittag» mit dem Datum de» Erscheinung-tage-. Bezugspreis: Monatlich 3 Marl Einzelne Nummern 15 Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. den Freistaat Sachsen Ankündigungen: Die 32 mw breite Grundzeil« oder deren Raum 30 Pf., dl« 66 ww breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf., unter Ein gesandt SO Pf Ermäßigung auf Geschäftsanzeigen, Familiennachrichten n. Stellen- gesuche. — Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Fettweis« Nebenblätter: LandtagS-Beilage, «erkausSliste von Holzpflanzen auf den StaatSsvrstrevier«. Lerantwortlich für die Redaktion: I. B.: OberregierungSrat Han» Block in Dresden Nr. 113 ii Dresden, Sonnabend, 16. Mai sl925 Landwirtschaft und Schutzzölle. Sitzung des Reichstags vom 15. Mai. Ta- Haus nimmt zunächst in allen drei Be- ranmgen den Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung von Gebühren für die Aufs ichts- tätigkeit des Reichsaufsichtsamtes für Privatvcrsicheruugeu im Jahre 1923 an. Dann erfolgt die Weiterberatung des Haushalts des Reichsministeriums für Er nährung und Landwirtschaft. die mt einem Antrag Korell (Dem ) verbunden wirb, einen Ausschuß von Sachverständigen zu be rufen mit dem Zwecke der Erstattung eines Gut- achtens über die wirtschaftliche Lage Deutschlands in ihrem Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Zöllen und Hau- -elsverträgen. Abg. Putz (Komm.) begründet eine Inter- pellativn der Kommunisten, die sich mit der Not der Kleinbauern beschäftigt und sich dagegen wendet, daß die Finanzämter gegen diese Notleidenden Bauern schroff vorgehen. Mnüsterialdirekior Zach führt dann aus, daß allen Landwirten in den landw rischasilichen Not- gebietcn gleichermaßen von den Steuerbehörden Steuerst undungen auch auf die Einkommen' steuer in weitestem Maße gewährt worden sind. Wenn die kommunistische Interpellation'be haupte, daß Sleuerstundungen den Landwirten keine Hilfe brächten, so müsse darauf hingewiesen werden, daß die gestundete Ein'ommensteuer selbst- verständlich gar nicht erhoben würde, wenn der Steuerzahler nachweise, daß er kein Einkommen in der fraglichen Zeit gehabt hat. Siundungen se en auch bei der Vermögens-, Erbschaftssteuer und für Rcnten- banlzinsen eingetreten (Zuruf bei den Komm.: Pfändungen sind vorgenommen worden; die letzte Kuh ist gep'ändet worden!) Wo die Finanz- ämler ungerechtfertigt oder den Absichten der Re- gierung zuwider zu Pfändungen geschritten seien, habe die Regierung sofort eingegr ffen. Abg. Korell (Dem) weist in bezug auf die Schilderungen des Abg. Jäcker (Zoz) über schlechte Behandlung der Landarbeiter in Ostpreußen darauf hin, baß in Westdeutschland die Landarbeiter im allgemeinen besser behandelt würden. Die Kluft zwischen dem Landbund und den landwirtschaftlichen Arbeitern sei so ties, daß sie kaum zu überbrücke« sei. Ein Monopol in der Vertretung der land- wirtschaftlichen Interessen habe keine Partei oder Organisation. Der Redner begründet dann einen Antrag, der oie alsbaldige Einberufung einer Sachverständigenkonferenz verlangt, die sich mit der Förderung der Produktion und Steigerung des Verbrauchs inländislen Obstes und Gemüses beschäftigen soll. Wenn die Landwirt- schast Schutzzölle für ihre Existenz braucht, muß man sie ihr angesichts ihrer Bedeutung geben. Sind aber die Schutzzölle ein Mittel, nm die gegenwärtige Notlage der Landwirtschaft zu lindern? Zur Beantwortung dieser und anderer Fragen über die Zweckmäßigkeit der Zölle will der Redner einen besonderen sachverständigen Aus schuß eingesetzt wissen. Ec setzt sich dann für eine Erhöhung des Tabakzvlls ein. Wir litten zuungunsten unserer eigenen Wirtschaft an einem Überfluß in der Einfuhr entbehrliche, Sachen Durch die massenhafte Einfuhr auslän dischen Obstes würde beispielsweise erreicht wer- dech daß in einigen Jahren kein Deutscher mehr wissen werde, daß es deutsche Äpfel gibt. — Am Schluß setzt sich der Redner noch für den Schutz des deutschen Weinhandels ein; der deutsch-spanischeHandelsvertragsei nicht recht geeignet für diesen Schutz. In Zukunft müßten bessere Handelsverträge abge schlossen werden. (Beifall links ) Abg. Metzer-Hannover (Wisch. Bgg.) wendet sich gegen die massenhafte Einfuhr auslän discher Agrarprodukte und meint, wenn Deutschland seine Landwirtschaft nicht lebensfähig erhalle und schütze, verliere es de wirtschaftliche Selbständigkeit. Tann fordert der Redner Beseitigung des Restes der Zwangswirtschaft. Dafür sollte dem landwirtschaflkichen Schulwesen mehr Beachtung geschenkt werden. Abg.Serauer tBayr. Bp.) beklagt den starken Steuerdruck, der auf die bayerischen Klein- bauern geradezu vernichtend wirke. D-e deutsche Landwirtschaft sei gefährdet durch die Konkurrenz der Getreide.Exportländer Kanada und Argentinien. Agrarichupzölle seien darum eine Notwendigkeit, um die deutsche Volkseinährung zu sichern. Auch gegen die wachsende Fleischeinfuhr aus dem Auslände müsse die deutsche Bauernschaft ge. schützt werden. Eine Förderung der hei. mischen Milch Produktion sei drinzend wün schenswert. Rkichsernährungsministcr Graf Sanitz: Tie Haupiarbeit des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschast muß sich jetzt auf die Förde- rung der heimischen Produktion richten. Wir brauchen eine stark produzierende Land- Wirtschaft, einmal um unserem Volk die not- wendigen Nahrungsmittel in größtmöglicher Menge zu liefern, dann aber auch, um die Aktivierung unserer Handelsbilanz allmählich erreichen zu können. Die 2,7Mil- liarden, mit denen die Handelsbilanz im Vor. jähre passiv war. entsprechen zufällig dem Wert der im Vorjahre eingeführteu Agrarprodukte. Nach der Stabilisierung der Währung bereitet die Ernährung des deutschen Volkes mengenmäßig keine Schwierigkeiten mehr, aber der Konsum hat noch nicht die Höhe der Vorkriegszeit erreicht. Die Reichs- g e tre id e ste lle kann jetzt ausgelöst werden. D e Regierung wird einen Gesetzentwurf vor- legen, der berufen ist, auf dem Kreditwegc die landwirtschaftliche Produktion zu fördern. Der Fleischv rbrauch hat jetzt dm Stand von 1900 wieder erreicht. Die Erzeugerpreise für Rindvieh sü d ganz ungenügend, de für Schweine stehen nur wenig über dem Friedens st and. Tas Berlin, 1ä. Mai. Der Reichspräsident empfing heute in seinem Hause in Anwesenheit der Reichskanzlers Vr. Luther, des Reicheministers des Innern Schiele und des Staatssekretärs vr. Meißner die Staats- und Ministerpräsidenten uid anderen Regierungschefs der deutschen Länder zur Vorstellung und Entgegennahme ihrer Glückwünsche. Sämtliche 18 deutschen Länder hatten Vertreter entsandt. Es waren eischienen Ministerpräsident Braun für Preußen, Ministerpräsident Vr. Held für Bayern, Mi nister des Innern Müller für Sachsen, Staatspräsident Bazille für Württemberg, Staatspräsident vr. Hellpach für Baden, Staalsminister Leutheußer für Thüringen, Staalsp.äsivent Ulrich für Hessen, Büger- meister vr. Petersen für Hamburg, Mi nisterpräsident Freiherr v. Brandenstein für Mecklenburg. Schwerin, Ministeipräsident v. Finckh für Oldenburg, Staatsminister Marquardt für Braunschweig, Minister präsident Leist für Anhalt, Bürge,meister vr. Donandt für Bremen, Volsiyender des Land.-eprüsiviums Drake für Lipve, Büroer- mri^er vr. Neumann für Lübeck, Staats- Minister Schwabe für Neu-Strelitz, Landcs- direklor vr. Schmieding für Waldeck und Staal-:,at Steinbrecher für Schaumburg- Lippe. Ter preußifche Ministerpräsident Braun richtete folgende Ansprache an den Reichs präsidenten: Herr Reichspräsident! Nehmen Sie, Herr Reichspräsident, heute von den Regierungen de, deutschen Länder die wärmsten Glückwünsche zu Ihrem ArmsaMritt entgegen. Die Wahl des deutschen Voltes hat Sie an die Spitze der deutschen Republik gerufen. Wir, die Vertreter der Landetregierunzen, treten Ihnen zur Seite vertrauensvoll und willig zum gemein- sauren Dienst am deutschen Volk. Das Wohl des Deutschen Reiches, dem Sie, Herr Reichspräsident, Ihre Klüfte zu widmen getobt haben, ist das Wohl der deutschen Länder. Nutzen und Schaden titflt sie und da» Reich gemeinsam. So ist ihre Ar beit Herr, Reichspräsident, auf daS innigste mir der Angebot an Milch ist befriedigend, der Frischmilchverbrauch ungenügend, ein- mal wegen der geringen Kaufkraft der ärmeren Bevölkerung, daun wegen des starken Konsums vou Kvude nsmilch, deren Import sich gegen den Frieden versieben- facht hat. Tie Versorgung mit Kartoffeln ist völlig ausreichend, die Landwirtschaft hat fvzar Absatzschwierigkeiten bei Kartoffeln und noch mehr beim Spiritus. Der Minister schilderte daun die schwierige Lage des Wein-, Obst- und Gemüsebaues und erllärle, er werde sich bemühen, bei den schwebenden Handelsvertrag-Verhandlungen Schutzzölle für diese Betriebszweige zu erreichen. Er verwahrte sich weiter gegen den im Hauptausschuß gegen ihn e.hobenen Vor wurf dec Siedl ungs fei udlicbkeit. In den letzten Jahren sind jährlich rund 3000 Siedler ansässig gemacht worden. Bei einer Steigerung Ler Rentabilität dec Landwirtschaft und der Landarbeiterlöhne wird auch die Ab- Wanderung der Landarbeiter aus dem Osten nachdem westlichen Industriegebiet aufhören. Tic Landarbcitcrsragc gehört zu den w chtigstcu Probleme» dec Agrar Produktion. Tie Krcditnot, die sich von Monat zu Monat steigert, hat sür die Landwirtschaft einen bedrohlichen Charakter angenommen. Die hohen Zinsen können meist nur durch Ncuver- schulduug aufgebracht werden. Tie Gründung der Rcnlenbanttrcditanstalt eilt. Die Zoll Vorlage wird in der nächsten Woche unsrigen verbunden. Sie haben es in diesen Tagen als Ihre Aufgabe bezeichnet, die berechtigten Eigenarten der deutschen Länder zu schonen und ihre Wünsche und Bedürfnisse nach Kräften zu fördern. Dieses Wort hat freudigen Widrrhrll gefunden. Nichts kann Las Bekenntnis der Länder zum Reiche mehc vertiefen und freudiger machen als die gegenseitige Achtung vor den Rechten des anderen Teiles. Möge unsere gemeinsame Arbeit auf dieser Grnd'age dem gesamten deut- sehen Volke, dem Reich und Ländern zum Segen gereichen. Hieraus erwiderte der Reichspräsident folgendes: Meine Herren! Ich danke Ihnen für Ihren Besuch. Ich danke Ihnen auch für die freundlichen Glück oünsche, die Sie mir durch Len Henn preußischen Ministerpräsidenten soeben haben darbüngen lassen. Auch heule möchte ich Ihnen versichern, daß ich es als eine meiner vornehmsten Aufgaben ansehen werde, oas gute Einvernehmen des Reiches und der Länder zu pflegen unv zu fördern, deun in der Vielgestaltigkeit der deutschen Stämme, ihrer Eigenart und ihrer Eigen liebe liegen die Wurzeln unseres Volks, tu ms und unserer Volkskraft. Das Reich umschließt sie und saßt sie zur Einheit, die allein -törke gibt, zusammen. So sind Reich und Länder zu einer Schicksalsgemeinschaftverbunden und in diesen Jahren gemeinsamer Not und Leiden mehr denn je zusammengesügt. Lassen Sie uns alle diese Einigkeit mit besten Kräften festigen und försern. Wir wollen immer sein ein Volk und ein Rerch, das walte Gott! Nach dem Empfang gab der Herr Reich-« Präsident ein Frühstück, an dem der Reichs- kanzler sämtliche Reichsminister, die Staats- und Ministerpräsioenlen und Regi- rungschesS der Länder, Vie StaatSsekretäie des Reiches, die Gesandten und stimmsührenden Reichsratsbevollmächtigten der Länder, der Reihtbankpräsieent, der stellvertretende Geneialvirektor der Reichsbahn, der Chefpräsident veS Rechnungshofes sowie der Sohn des Reih-- präsidenien Major v. Hindenburg teilnahmen. dem Reichsrut zugehen. Die Reichsregierung steht auf dem Standpunkt, daß die allseitig als not wendig anerkannten Jndustriezölle ohne das Korrelat von entsprechenden Agrar- zöllcn eine Handels- und wirtschafts- politische Unmöglichkeit wären. Ich bin kein Freund vou Hoch schutzzöllen, man wird aber ohne Zölle nicht auskommen, so lange die ganze Welt sich auf dem Zollgebiet so protektionistisch einstcllt wie heute Die hei m ische Produktion muß auch gegen die Einfuhr aus Ländern geschützt werden, die wegen besserer klimatischer Bedingungen bil- liger produzieren können. 5 Millionen sind in den Etat zur Förderung verschiedener Produktionszweige neu eingestellt. Wir wollen dem kleinen Land- Wirt die Fortschritte derTechnik durch ge- steigerte Wirlschafteberatung nutzbar machen. Je ramkrästigcr die Landwirtschaft wird, desto auf- »ahmesähiger wild der Binnenmarkt für die deutsche Industrie Die Ernährung aus unserer eigenen Scholle muß unser Ziel sein. (Beifall.) Abg. Kling (Bayer. Bauernb.) weist auf die Notlage der kleinen Landwirte hin und fordert einen mäßigen Zollschutz für die Agrarprodukte, be sonders auch sür die Viehwirtschaft. Abg. Wcidenhöscr (Völk.) verlangt Schutz der Landwirischast, vor allein der bäuerlichen Betriebe. Abg. Frau Wurm (Soz) wende: sich gegen die Behauptung des Ministers, daß der Fleisch ver- brauch von 1900, der heute erreicht sei, schon genüge. Wir müssen auf einen viel höheren Stand ver Ernährung kommen, wie ihn auch daS Reichsgesundhe tsamt fordert. Es genügt aber nicht allein die Menge, sondern sie muß auch be zahlt werden können. Der Verbrauch von Gefrierfleisch ist deswegen verhältnismäßig hocv, weil es wesentlich billiger ist als das Frischfleisch. Wem: in einem Antrag gefordert wird, daß die veterinären Vorschriften ver- schärft werden sollen, so liegt darin ein versteckter Angriff gegcn das Gefrier fleifch. Im übrigen steigt ja die Einfuhr von Ge-ner- fleisch nicht, soeaß die Besorgnis, das Volk könne sich den Magen dara, verderben, unbegründet ist. Ein Redner hat behauptet, daß sich unter einer Anzahl von 600 argentinischen Rindern 120 kranke befunden hätten, er gibt aber nicht an, wo und wann das festgestellt sein sott. Auf meine Frage im Hauptausfchuß, ob etwa der § 12 des Fleischbeschauungsgesetzes wieder in Kraft gesetzt werden soll, hat der Minister nicht geantwortet. Ein unmöglicher Zustand ist, daß sich Preußen über die Reichs gesetze hinwegsetzt, indem es die Einfuhr polnischer Schweine verhindert. In der Rilchfrage hat sich der Minister sehr optimistisch geäußert Der Brandenburgische Landbund hat seine Mitglieder ausgesordert, die Lieferungen von Milch an die Milchhändler einzu stellen oder e i n z u s ch rä n l e n, um auf diese Weije höhere Preise zu erzielen. Dieses Vorgehen kann nur mit dem Wort gewissenlos bezeich werden. Es ist kein Wunder, daß die Sterb lichkeit noch so groß ist. Der Futterpreis steht 57 Proz. höher als im Frieden, der »äse ist um 100 Proz. teurer. Wenn wir die S el bst- versorgung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen durchführen wollen, dann muß dafür gesorgt werden, daß nicht nur die Menge erzi.'lt wird, sondern, daß auch die Preise erschwinglich sind. In Amerika, das ein Milchamt hat, ist der M ilch v erbr auch wesentlich höher als bei uns. Es ist sehr nötig, daß die Bevölkerung zum Milchgenuß er zöge» wird, freilich ist es auch eine Frage des Preises. Der Reichstag hat unsere Anträge auf Schaffung cinc» Schankstättengefetzes und des Gemetndeab stimmung-recht- ab gelehnt. Bielle-cht soret er jetzt dafür, vaß mehr Milch Propaganda getrieben wird. Wir Mben in unserem Anträge gefordert, daß die Länder größere Mittel zur Abgabe von Milch an Minderbemittelte bereitstellen ollen Es wäre wünschenswert, daß besonder- dar auf hingewiesen wird, welcher Unterschied zwischen dem Nährwert des Alkohols und dem der Milch besteht. Wir wenaen uns gegen dl« «nfhepnng Per «tlchverarpnnn», den Städten muß die Möglichkeit einer »ilch ontrolle gegeben werden und es liegt ia auch im Die Ministerpräsidenten der Länder beim Reichspräsidenten.