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Staatsaiyeiger für Erscheint Werktag» nachmittag» mit dem Datum de» ErscheinungStage». Bezugspreis: Monatlich 3 Mark. Einzelne Nummern 15 Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. den Freistaat Sachsen Ankündigungen: Die 32 mw breite Grundzeile oder deren Raum 30 Pf., di« 66 mw breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf., unter Ein« gesandt SO Pf Ermäßigung aus Geschäftsanzeigen, Familiennachrichten u. Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittag- 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Lerkaufsliste von Holzpflanzen auf den Staatsforstreviere«. Verantwortlich für die Redaktion: I. B.: Oberregierung-rat Han» Block in Dresden. Nr. S1 Dresden, Montag, 20. April s Marx in Dresden. Dresden, 18. April. Die vom Deutsch Republrlanischen Reichebunde am Sonnabend mi ZukuS Canasani veranstaltete Wähleroe,sammlung wies einen solchen Massenbesuch auf, daß Tausende und Abertausende keinen Einlaß mehr fanden, sonbern vor dem Zirkusgebäude warten mußten, zu denen dann später der Präsivenlschafts- kandwal des Bolksblocks vom Balkon aus noch sprechen mußte. Nach begrüßenden Worten des Vorsitzen den der Dreedner Ortsgruppe des Republi kanischen Reichsbundes, Ministerial- rats Ristau, ergriff sofort, von stürmischem Beifall begrüßt, das Wort Reichskanzler a. D. Mar x, der etwa folgendes ausführte: Es handelt sich bei der Wahl um politische Ziele und es ist eine Verkennung der Sachlage, wenn man meint, den Reichspräsidenten am besten aus Kreisen ne h nr en zu können, die sich, nach ihren eigenen Morten, bisher nicht um Politik gelümmert haben. Das Volk würde einen solchen Irrtum in be da erl cher Weise spüien müssen, besonders ein Volk wie das deutsche, dar nach dem verlorenen Kriege besonders einer nach politischen Grundsätzen handelnden Leitung bi darf. Meine politischen Grundsätze ergeben sich aus meiner Lebensarbeit und aus der Gemeinschaftsarbeit der Paiteien, die meine Wahl dem Belke voischlagen. Als Ziel meiner Politik betiachte ich die Erhaltung des Reiches und der Rerchseinheit. Tas Werk BiSmaicks, das nach dem militärischen Zusammenbruch des Jahres 1918 lange Zeit be droht erschien, soll erhalten und gefestigt werden. Mil großer Entrüstung muß ich es als eine schamlose Verleumdung zurückweisen, wenn heute in einem Dresdner rechtsgerichteten Blatt die Behauptung ausgestellt toird, ich sei geneigt, irgendwelchen separatistischen Bestrebungen Vorschub zu leisten. Wir hätten den Weltkrieg und die Errungenschaften von Jahrhunderten erst dann endgültig verloren, wenn wir uns verleiten ließen, in den Fehler zu verfallen, den unsere Vowälec nach dem Dreißigjährigen Kriege machten, nämlich das Einzel,echt über das Recht der Gesamtheit zu stellen. Meine Arbeit gilt der Freimachung Deutschlands nach außen. Soweit meine Kräfte reichen, soll DcntjchIand wiederein freies gleichberechtigtes Volk unter den anderen Völkern Europas und der Erve sein. Ich vertrete den Gedanken des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Wir wollen die Verpflichtungen, die wir nach dem verlorenen Krieg übernehmen mußten, erfüllen. Soweit unsere Kiafl rncht, wollen wir dir Last tragen, aber wir wollen auch als sletchberechtigte Nation betrachtet und be- Hinwelt weiden. Als Volk schätzen wir unsere Ehre, unsere Freiheit nicht geringer als andeie Völker ihre Ehre un) Freiheit. Ja, a's ein Volk, das einen Weltkrieg verloren, haben wir ein Recht, in unserem Ehrgefühl empfindlicher, feinfühliger zu sein als die Siegervölker, für die der Erfolg wirbt ünd arbeitet. Wir sind zur offenen Gemein schaftsarbeit im Völkerbunde bereit, aber wir können dafür keine Bedingungen aner kennen, die anderen nicht auseilegt werden. Wenn die deutsche Republik sich noch nicht so befestigt hat, wie es wünschenswert ist, dann mögen die westlichen Völker sich einmal überlegen, wieweit sie daran mit schuldig sind, inwieweit sie den Anhängern des alten Smales m die Hände gearbeitet haben. Da- möge man besonders in Frank,eich beachten. Wir wolle» mit Krautreich tu -riebe« lebe», dieser Friede kann aber nur bestehen und dauer« aus dem Wege gegenseitiger Achtung und Gleichberechtigung. Meine Arbeit gehört der Freimachung der Rheinlande, meiner Heimat. Für dieses Ziel muß das ganze demsche Volk Opfer bringen. In dieser Beziehung bedaure ich, daß noch immer die Kölner Zone nicht frei ist von fremdländischer Be setzung. Mein: Lebensarbeit gehört der Wiedererrichtung einer gesunden deutschen Wirtschaft. Zur Wirtschaft gehören alle Arbeitenden in Deutschland: die Unternehmer, die Arbeit nehmer, die Ingenieure, di» Techniker, die Lehrer, die Landwirte, der Mittel- stand und alle anderen. Die deutsche Wirtschaft kann nicht gesunden auf Kosten einer ver- armten Arbeitnehmerschaft. Si; kann auch nicht gesunden durch Er- schütterungen der deutschen Unter nehmerschaft, beide müssen leben, schaffen und arbeiten. Beide haben Anspruch auf den Schutz des Staates. Der Staat hat auch für eine gute moderne Handelspolitik, für eine moderne Sozialpolitik, für eine wohlerwogene Steuerpolitik zu sorgen, welche die Lasten gekecht verteilt. Das alles ist nur möglich, wenn ein neuer Gemeinschaftsgeist im deutschen Volke Einzug hält. Wir sind spä', sehr spät, zu spät als einiges Volk in dis moderne Geschichte ein- getreten, eist dann nämlich, als die westeuropäischen Mächte schon hundert Jahre lang dis Welt geführt und beherrscht hatten. Das einige Deutsche Reich haben wir seit 1871. Um die wirklich einige deutsche Nation ringen wir no t, heute. Jahrzehntelang hatten wir im Deut- schen Reiche ein ei eneS Haus; aber die Bewohner des Hauses waren nie einig Jeder Stand kämpfte gegen den anderen. ES fehlte ihnen das Größere, das Umfassendere, der Linn für die staatsbewegliche Gemeinschafts arbeit. Das war die schwache Stelle in dem Glanze der Volkriegezeit. AuS jener Zeit stammt der Schlachtruf der sog nannsrn „nationalen" Kreise gegen dis „Reichs- f-inde", gegen die „Internationalen". Das Wort „national" wurde zu einem volkstrennenden Schlagwort. ES gibt keine Politik, die für den Staat ge- jährlicher ist, als wenn er große Teile d.s Volkes — in diesem Falle sogar dis große Mehrheit — als minderwertige Bürger stigmatisiert und be handelt. DaS hat noch nie ein Staat aus Vie Tauer ertragen. Es bleibt dir Aufgabe des neuen demokratischen Staates, daß wir das verhäng nisvolle Erbe der Bolkszerreißung be- seiligen. Wir stehen in der Erfüllungsieit dieser Aufgabe. Wir sind weitergekommen auf diesem Gebiete. Wieder einmal erwsisen sich die Geschmähten von früher als die Bannerträger einer ne.en Zeit. Was von diesem al sn, übsrholten Gegensatz oon „national" und „international" gilt, das gilt auch für den Klassengegensatz Es wird WKMM und Andidntnr -Hindenburg. Berlin, 18. April. Im Haushaltsausschuß des Reichs- tag es äußerte sich der Reichsaußenmi nister am Sonnabend über die Eindrücke der Kandidatur Hinvenburg im Auslande. Von den republikani schen Partei-n war bekanntlich eine de artige Er- klärung gefordert Worten. Aus dsm amtlichen Bericht, der über den Verlauf der Sitzung reröffsntlicht wurde, geht hervor, daß die von dem Botschafter in Washington erbetene Äußerung über die Kreditstockung an Deutschland als Folge der Kandidatur Hinden- bürg noch nicht eingetroffen ist. Es liegt bisher lediglich ein schriftlicher Bericht in Berlin vor, in dem es heißt, vaß dir Verhandlungen wegen der Wirt schaftskredite noch einige Zeit in Anspruch nehmen werd n, weil man in Amerika zu nächst den Ausfall der Präs dentenwahlen abwartcn will. In der Ausiprahe erklärte Abg. Meyer (Dem.), daß die freiheitlich gesinnten Kreise des Auslandes durch die Auf!» klung der Kandidatur Hindenburg zweifellos bssondeis beunruhigt sein müssen, wenn rechtsstehend.» Politiker und Zeitungen gleichzeitig immer wieder be tonen, die Wahl Hind.nburgs soll- das Ende der Stresemannschen VrrständigungS- Politik bedeuten. Der Redner eiwähnt zwei Fälle, rro sich die Folgen bereits eingestellt haben. In drm einen Falle hatte ein deutsches Konsortium einen Kredit von 25 Millionen Mart zugesagt erhalten. Rach der Auf stellung Hindenburgs haben die amerikani- fchiN Geldgeber die Auszahlung bis rach der Präsidentenwahl zurück.estellt, weil man für d.n Fall der Wahl Hinden burgs innere Verwickelungen befürchte- Ab,r. Hergt finde! an diesen Erscheinungen nich.s besonderes. Er halt es ür ganz natürlich, daß die Geldgeber den Ausgang der Wahl ab- warten. Unter stürmischer Heiterkeit er klärt er, daß die Deuischnaticnalen lediglich die Mo al in Deutschland heben wollen. Abz. Müller-F-anken (?oz.) wies darauf hin. daß die ganze Frage im Ausschuß von den Deulschnationalen aus agitatorischen Zwecken in» Rollen gebracht worden sei. Sie seien schlechte Hüter der Moral und sollten nur daran denken, wie ihre Presse Ebert be schimpf hat. Tie Presse des Auslandes habe sich gegen Hindenburg gewendet, und das müsse Einfluß auf das Wirtschaftsleben haben, Was nicht deutsch nation al sei, gelte in Deutschland als landesverräterisch. Stresemann Habs sich gegen Geßler als Reichs- Präsident gewandt. Heimann Müller fragt dann, weshalb diese Gründe, die für Stresemann gegen Geßler ausschlaggebend waren, nicht auch gegen Hindenburg maßgebend seien. Hindenburg sei an seiner Kandidatur sicherlich weniger schuld, als die hinter ihnen stehenden Drahtzieher. Diese Elemente seien gefährlich, weil sie — ähnlich wie Bauer' und Nicclai im Kriege — Hindenburg als Schutzschild für die Durchführung ihrer reaktionären Zwecke benutzten. vr. Curtius (D. Vp.) betonte, daß die Kredit- restruklionen Amerikas bereits im Februar- März cingetretcn seien. In den letzten Tagen seien Kreditabschlüsse von erheblicher Höhe zustande gekommen. Reichsaußenminister 0r. Stresemann be antwortete hierauf verschiedene Anfragen in ver- traulicher Rede. Abg. Schlack (Zir.) sagte, daß eine Kandida- tur Hindenburgs die Kreditgabe nicht för- vere, wogegen dies von der Kandidatur Marx gesagt werden könne. Ab,'. Eichhorn ltkomm.) pries die Ziele seiner Partei; nur sie könnten eine befriedigende Lösung süc d .S d.uische Volk brii gen. Abg. Dietrich-r'aden (Dem) bedauerte, daß di? Rechte auch diesmal wieder für sich allein die nationale Gesinnung in Anspruch nähme und sie damit den andsrrn bestreite. Dies sei eine unerhörte Beleidigung für die Mehr- heit der Bevölkerung. Vom Au'lade her gesehen, drehe sich der Kampf allerdings um Restanratton oder Republik, um Fortsetzung oder Verlassen der bisherigen außenpolitischen Linie. — Damit wurde die po litische Aussprache abgeschlossen. Der AuStchuß vertagte sich bis zum 29. Avril. auch wohl in Zukunft schwer möglich sein, die scheinbaren, großen Interessengegensätze zu be seitigen; was wir aber können, ist ein andere»; Tas staatsbürgerliche Gemeinschaftsgefühl muß stärker empfunden werden als der Ge gensatz der Klassen und Stände. Und noch eine dritte Scheidelinie au» der Vorkriegszeit tiagen wir allmählich ab: die Politisierung des konfessio nelle» Gegensatzes. Gewiß, in kulturellen Fragen gibt es Ge gensätze, die im engsten Zusammenhang stehen mit den Weltanschauungen der großen Konfessionen. Auch um diese Dinge wiid und muß man geistig ringen. Aberdieses Ringen darf nicht mit parteipolitischen Schlag worten geführt werden. Es darf nicht zu einem Werkzeug des politischen Partei- kampfes erniedrigt weiden. Der Staat hat die Gewissensfreiheit seiner Bürger zu sichern. Wir alle sind Glieder einer Nation, Bürger eines Staates. Laßt uns dem Staate und der Nation gemein am dienen. Im Dienste an der Na'ion Einheit, in anderen Fragen Freiheit! Tic ausgezeichneten Errungenschaften der Weimarer Verfassung erachten wir als besond.'ls geeignet dazu. Wir wollen noch weit mehr als es bisher geschehen ist, auf sie auch andsre aufmerksam machen. Wenn die anderen jetzt sagen, sie wollen sich auf den Boden der Verfassung stellen, so er klären wir: Wir wollen uns mit dem ganzen Herzen auf den Boden der Verfassung stellen! Dann wird auch Deutschland wieder die Stellung im Konzert der Völker einnehmen, die ihm ge bührt. Langandauernder stürmischer Beifall belohnt: den Redner am Schlüsse seiner Aus führungen, woraus die Versammlung das Deutsch landlied anstimmte. Es sp:ach dann noch kur; der demokratische ^Lanvtagsabgeornete Prof. vr. Kastner, dessen Ausführungen in ein drei- faches Hoch auf das deutsche Vater land ausklangen, das ein begeistertes Echo fand * Zu der vieltausendköpfigen Menge vor dem Zirkus sprachen Prof. Or. Kastner und Marx vom Balkon aus, flankiert von fackeltragenden Reichs banneileuten. Auch hier sanden die klaren Be kenntnisse zur Weimarer Verfassung wiederholten dauernden Beifall. In das Hoch auf die deutsche Republik da? Marx zum Schluß ausbrachie, wurde be geistert eingestimmt. Einige schwache Versuche, diese Versammlung im Freren durch Rufe sür Hindenburg zu stören, wurden schnell erstickt. Zum Schluß begleiteten fackeltragende Reichsbann erleute, die schon zu Beginn mit einem Wald schwarz rot-goldener Fahnen den PräsidentschaflLkandidaien des Bolksblocks vor dem Zirkus empfangen hallen, das Auto des Kandidaten zurAlbertbrücke. Ein schwader Trupp Kommunisten versuchte die Huldigung vergeblich durch das Singen kommunistischer Lie der zu stören. ch Marx aus der Wahlreise. Magdeburg, 19. April. Heute traf der ReichSpräsidentschaflskandidal Marx auf seiner Wahlreise hier ein. Da» Reichsbanner bildete auf allen Straßen, durch die Marx fuhr, Spalier. Marx sprach >m überfüllten Hofjägersaale unter stürmi schem Beifall. Dessau, 19. April. Marx hielt heule nachmittag 5 Uhr, von Zerbst kommend, wo er ebenfalls gesprochen Halle, auch in Dessau eine Rede, die siebente am heutigen Tage. Cie fand donnernden Beifall.