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Sächsisch eSlaalszeilung den Freistaat Sachsen Staatsaryeiger für Dresden, Freitag, 6. März Nr. 55 1925 Erscheint Werktag» nachmittag» mit dem Datum de» ErscheinungStage». Bezugspreis: Monatlich 3 Marl. Einzelne Nummern 15 Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. Ankündigungen: Die 32 nun breite Grundzeit« oder deren Raum 30 Pf., die 66 wm breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf., unter Ein» gesandt SO Pf. Ermäßigung auf Geschäft-anzeigen, Familiennachrichten u. Stellen gesuche. — Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtag».Beilage, BerkaufSliste oon Holzpflanzen auf den StaatSforstreviere». verantwortlich für die Redaktton: I. B.: OberregierungSrat HanS Block in Dresden. Unterhaltsdebatte über die auswärtige Politik. Dir Räumung Kölns — Saargebiet — Danzig — polnischer Konflikt und andere Fragen. Chamberlain begrüßt den deut schen Schritt. London, 5. März. Der Liberale Fisher, der die Debatte über die auswärtige Politik im Unter» Haus ei öffnete, bedauerte die Abwesenheit Lloyd Georges infolge Krankh.it und sagte, die Debatte werde Chamberlain Gelegenheit g'ben, den Schleier zu litfien, den er bisher so erfolgreich über die Geheimniise der auswärtigen Politik breitete. Die Liberalen seien der Ansicht, daß es wichtig sei, daß die biiiischen Delegierten für den Bölker- pflichtungen erfüllt habe. Chamberlain fuhr fort, man habe bis jetzt noch nicht einmal eine ver trauliche Würdigung lerjcnigen Punkte er halten, in denen sich Deutschland im Verzug befinde. Aber man habe vor einiger Zeit er fahren, daß Deutschland im Verzug war und daß es nicht berechtigt sei, die Räumnng vor der Gutmachnng seiner Verzüge zu beanspruchen. WaS die Veröffentlichung des 162 Seiten um. fassenden Berichtes der Konirollkommission bedeaie, so habe er keinen Grund, etwas za verbergen, bund mit der Ansicht des Hawes vertraut seien, wenn die Veiöffenllichung zu einer Lösung dieser tr wolle jedoch nicht auf vorzeitige Erklärung Frage füh-en würde. Wenn die Regierung ge- der Politik dringen. Die Verschiebung der Zögert habe, so sei da; nicht deswegen, weil sie Räumung Kölns sei ein sehr ernster etwas verbeigen wolle, sondern weil sie nicht Schritt der Regierung. Die britische sicher war, ob die Verstöße gering oder groß ge- Öffentlichkeit kenne immer noch nicht die genauen wesen seien. Grürrde für die Verschiebung der Räumung. Fisher drang auf Veröffentlichung der Dokumente und sagte, es sei nicht genug, der Welt einfach die Hauptgründe anzugeben. Wenn er der Ansicht sein würde, daß die Ver öffentlichung die Beruhigung verzögern werde, so würde er nicht darauf dringen. Aber er stelle sich vor, die deutsche Regierung werde das Do- kiimenr erhalten und werde über den besonderen Verzug unterrichtet werden, dessen sie beschuldigt Das Ziel der britischen Regierung sei, zum frühest mögliche» Zeitpunkte von der deutschen Regierung die Erfüllung dessen z« erhalten, was gerechte,weise nach dem vertrage ver langt werden könne, damit die in Aussicht ge- nommene Räumung der besetzten Gebiete sobald wie möglich in Kraft treten könne. Was die SicherheitSfeage betreffe, die von riesiger Bedeutung sei, so wisse er, daß die Sicherheit der Hauptschlüjsel für die schwierigen Probleme We teuropas sei. Zur Frage, ob die dentiche Regierung eine Ge legenheit habe, ihre Beobachtungen und An merkungen den Alliierten vorzulegen, so müsse er wiederhole», daß er nur in Übereinstimmung und nach Beratung mit den Alliierten sprechen könne. Was die Frage Fishers nach etwaig«» Vorschlägen Denschlands anlangt, so habe Herriot bereits dem französischen Ausschuß fürauswärtigeAiigelegen- heiten mitgeteilt, daß derartige Vor schläge eingegangen seien. Chanberlains erste Kenntnis hiervon sei eine Mitteilung gewesen, die ihn in nertraulichüer und geheimster Form vor einigen Wochen erreicht h ibe. Er habe sofort erklärt, oaß er eine Mitteilung dieser Art nicht annehmen könne unter der still- schweigenden Verpflichtung, daß er zu den Alttietten England; nicht davon sprechen dürfe. Chamberlain fuhr fort: der deuische Botschafter habe ihm sofort, als er ihm seine Ansicht mitgeteilt habe, die Versickerung gegeben daß es die An sicht der deutschen Regierung war und stets gewesen sei, eine gleichzeitige Mit teilung nach Paris, Rom und Brüssel ergehen zu lassen. Das sei jetzt geschehen. Die Wahl des Reichspräsidenten. weide. Wenn die Deutschen das Dokument er hielten, dann müsse auch das Unterhaus es be- komme». Fisher erklärte weiter, es sei wünschens wert, daß Deutschland eingeladen werde, seine Beobacktungen zum Be» richte zu machen. Er begrüße gewisse Erklä rungen Über diesen Punlt, Tie Liberalen empsän- oen große Besorgnisse über die von Hen'ot in der französischen Presse geführte Sprache. Chamberlain ergriff das Wort, um zunächst aus die Fragen Fishers zu antworten. Chamb:r- laiu erlläUe: Er begrüße dcn neuen Schritt der deutsche» Regierung, der große Möglichkeiten für den Frieden und die Sicherheit der Welt habe und der Ansgangspunkt für eine wirkliche Erholung der europäischen Lage sein könne. Es sei zu früh, zu sagen, ob diese Vorschläge wirklich dazu führen würde» oder »icht. Abcr es sei nicht zu früh, zu sage», daß die britische Re gierung ihnen die größte Bede«tn»g beimesst und beabsichtige, ihnen die ernsteste Er wägung zu geben in der Hoffnung, daß »ach diesem freiwillige« Schritt der deutsche» Re gierung ei» «g gefunde» werde, der Vox der unglückliche« verga«gr«h,it wegsühre zu einer bessere« und freundlichere« Zukunft. Wenn dies vollbracht werde« könne durch und mit Hilfe England» und wenn diese Hilfe er forderlich sei, um e» zustande zn bringe«, so werde sowohl die Hilfe wie auch der gute Wille Englands nicht fehle«. Fisher habe die Verwaltung de» Saar- gebiete» kritisiert. Nach Erwägung aller Umstände und nach Prüfung der Eignung des Henn Raoult set er zum Schluffe gekommen, daß man für den Augenblick keine Befürchtungen wegen der Saarvervaltung zu hegen brauche. Hinächtlich Danzig führte Lhamber'ain aus, er bitte sehr darum, den Vertreter Englands nicht zu sehr zu binden, wenn er >m Begriffe sei, einen Beittaz zu den gemeinsamen Angelegenheiten mit den anderen Nationen der Welt zu leisten. Er teile völlig den Wunsch, daß die wtederhergestellte Republik Polen mit ihren Nachbarn in einem guten Verhältnis lebe und alle» tue, um ihre Lage leichter zu gestalten und Schwierigkeiten zu verhindern. Zur Kölner Frage sagte der Redner, daß die Besetzung de» gesamten Gebiete» auf 15 Jahre festgelegt worden sei mit dem Vorbehalt, daß da» Kölner Gebiet nach fünf Jahren geräumt werden solle, wenn Deutschland seine Vertragöver- Berlin, 5. März. Am Freilag beabsichtigt die Reichstags- fraktion des Zentrums, mit den republi kanischen Parteien wegen der Neuwahl des Reichspräsidenten Fühlung zu nehmen. Sie selbst will jedoch nicht früher einen endgültige» Beschluß fassen, als bis sich die sozialdemokratischen Parteiinstanzen entschieden hiben. * Die deutschnationale Presse schweigt sich bisher über ihren Kandidaten noch aus. Die deutschnat'vnale Führung versucht aber um so eifriger, eine Einigkeit mit den übrigen monarchistischen Part ten zu erreichen und zvar so, daß nach Möglichkeit schon i n eisten Wahl ganz ein monarchistischer Sammelkan- dtdat präsentiert wird. So ist z. B. von der deutschnationalen Reichsiagsfiaklion bereits mit der Deutschen Volkspartei, der Bayeri schen Volkspartei und der Wirtschaft lichen Vereinigung und den in Frage kom menden Verbänden zwecks Ausstellung eines gemeinsamen Kandioa en Fühlmg genommen worden. Personen fragen sollen dagegen bei dieser Gelegenheit noch nicht erörtert worden sein. Die Besprechungen sollen in der nächsten Woche, wenn alle Führer der beteiligten Parteien in Berlin eingetroff n sind, fortge setzt werden. Eine «utzerung der „zeit". Berlin» 6. März. Die „Zeit" äußert die Vermutung, daß die Sozialdemokraten uns Demokraten selbständige Kandidaten aufstellen werden. Alt Anwärter auf die demokralische Kandidatur nennt da» Blatt den Hamburger Bürgermeister l)r. Petersen uns den bidischen Staaiöpräsi- deuten vr. Hell Pach. Auf ZentrumSserte sei die Aufstellung von Marx so gut wie sicher. Wa» die Parteien recht» vom Zentrum anlange, so werde e» hier aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer gemeinsamen Kandidatur kommen. ES set bereit» innerhalb de» Aus schüsse», der die Entscheidung vorzube reiten habe, eine engere Wahl getroffen wor den. sodaß e» sich nur noch um die Entscheid scheivuna über vier Personen hänsle. Wie das Blatt weiter miiteilt, scheinen die Sozialdemokraten und Demokraten et« besonderes Gesetz über tue Stellvertretung des Retckspräüdenten bis zum Amtsantritt des neugewählten Reichspräsiventen für notwendig ru halten. Die „Zeit" glaubt aber, daß bei den übrigen Parteien die Ansicht bestehe, daß für die b.-ooistehense kurze Übergangszeit der Reichs- kanzler weiter die Stellvertretung führen könne. Wenn sich aus irgendwelchen « Grünien die Notwendigkeit einer besonderen Stell vertretung ergeben solche, so scheine man in diesem Falle d:n RetchSgerichtspräsidenten vr. SimonS als geeignete Persönlichkeit für die Übernahme der Stellorrtretung zu betrachten. Zum Briefe Löbes. Berlin, 5. März. Der „Vorwärts" schreibt: Wir sind der Meinung, daß die „Volks vacht" besser getan hätte, diesen Brief überhaupt nicht zu ver- öffentlichen, da ec noch mchk entscheidet. Die Partei hat noch keine Beschlüsse gefaßt und es gehl nicht an, daß sich Parteigenossen, sei es arch aus noch so sympathischen Gründen, von vorn- herem Aufträge versagen, die ihnen die Partei vielleicht erteilen könnte. Wir glauben auch nicht, da, das die Abicht des Genossen Löbe ist. Die Partei muß entscheiden, wie sie bei der Reichspräsidentenwahl vorgehen will, und dann dürfen ihre Absichten nicht durch die Weige rung eine» einzelnen, die diesem zugevachte Aufgabe zu übernehmen, durchkreuzt weroen. Gegebenenfalls muß e» also heißen: Die Be scheidenheit in allen Ehren, aber über die Bescheidenheit die Disziplin. Die «audidatur des Exlrouprinzen. Berlin, 5. Mär;. Di: Meldung, der ehemalige Kronprinz werde der deutschnationalr Präsidentschafts kandidat, wird oon den Deutschnationalen entschieden in Abrede gestellt. Bon nattonalliberaler Seite au- den Kreisen um vr. Maretzky und Freiherr von Kem nitz ist dagegen schon vor Wochen die Parole aaSgegebrn worden, zu Propagandazwecken einige tausend Stimmen für den Ex- tron Prinzen ab,uzeben. An Bae offizielle Kandidatur de» Kronprinzen wird auf ver Rechte« jedoch nicht gedacht. Der Liberale Sir Edward Grigg sagte, die Vorschläge, dir Deutschland über- mtttelt habe, stellten einen Fortschritt dar in der Regelung der Sicherheitsfrage, -ie könnten als in der von Enzians gewünschten Richtung liegend angesehen werden. England müsse diese Vorschläge eifrig fördern. Sie würden auch bei den Dominions mehr Gegenliebe finden, als ein einseitiger Pakt. Auch Holland sei an einer Sicherung der Grenzen interessiert, wi: überhaupt jede andere Macht. Ellis Davies erllärte, die wirkliche Ge fahr in Europa sei der Imperialismus Frankreichs. Englands Interesse würde am besten gedient, wenn es sich von jedem Pakt fernhalte. Ler Liberale Sir John Simon wandte sich gegen die französische Auffassung, daß die Räumung des Rheinlandes irgendwie mit der Sicherheit im Zusammenhangs stehe. Frankreich sage mit vollem Recht, so er klärte der Redner, daß es bei der Unterzeichnung des Vertrags von Versailles durch die ihm ange- Ibotene Garantie beeinflußt worden sei. Daß diese da«» nicht zustande gekommen sei, fei »Lrr weder die Schuld Gr»ß-ri1a»»ie»S noch Deutschlands gewesen. De«tschla«d habe daher ein Recht, das zu fordern, was ihm i« vertrage zugebilligt werde. Der beste Weg, Frankreichs Befürchtung«, zu zer streue», set die «uf»ahme Deutsch lands in den Völkerbund. ES würde aber bedauerlich sein, wenn Frankreich sich nicht dazu »er stehen sollte, die britische These anzuerkenue», daß Frankreich keine freie Hand t« Rheinland habe, solange «icht der Garantie- Pakt geschlossen sei. W nn Deutschland keine» einzigen Verstoß gegen die Entwaffnungsbestim- mungen begangen habe, seien die Engländer unberechtigterweise in Köln. Weder die Regierung, noch die öffentliche Meinung Englands dürfte« sich zufriedengebe», wenn nicht die Bejchwerdepunkte veröffentlicht »nd Deutschland mitgeteilt werden «nd wenn nicht Deutschland in allernächster Zeit Gelegenheit erhalte, seine Auffassung vorzubringen, Wa das einfachste Gerechtigkeitsgefühl verlange. Sir Robert Hutchinson betonte die Not wendigkeit, Deutschland und Rußland in den Völkerbund aufzunehmen. Er sagte, eine der Grenz-n Ostd.'Utschlands könne leicht Anlaß zu Schwierigkeiten geben. England müsse dies; Tatsache im Auge behalten. Auch die Frage der Saargebiete bilde ein:n wichtigen Punkt bei der Gesamtregelung. Der Liberale Runciman bedauerte, daß Cham berlain sich die Hände m der Saarirage gebunden habe. Waram wuide das französische Ele ment im Saargebiet ermutigt und da» deutsche entmutigt? Denn die Verwaltung des Saarzebietes müsse streng unparteiisch bis zur Volksabstimmung sein. Jn E.widecung auf ein: von Runciman an der Verwaltung de» Saargebtet» geübte Kritik erklärte Chamb.'rlain, er rechne das Saar- gebiet nicht zu den Gefahrenpunkten von Europa. ES gebe dort eine gevisse E regung und Unzu friedenheit, die von der einen oder andern Seite erzeugt worden sei. Er sel auch nicht geneigt, alles, war in der Verwaltung de» Saargebiete» vorkomme, zu verteidigen. Tine große Zahl von Klagen sei jedoch unberechtigt. Wenn dort etwa» Unrechte» geschehen sei, so besteh: weit größere Aussicht, e» wieder gutzumacken, wenn diejenigen, die sich über da» Unrecht beklagten, diese» auf die Pun te beschränken würden, für die sie eine tat sächliche und wahre Begründung hätten, um sie dem Bölkerbund-rate zu unterbreiten. Er sei zu dem Schlüsse gekommen, daß er nicht» Bessere» tun konnte, als die Wahl Raoul» zu unterstützen, der sich eine große Erfahrung erworben habe. Runciman würde, wenn er mit ihm persönlich zu- sammenkäne, eine bessere Meinung bekvmmen.