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Sächsisch eStaalszeilung Zeitweise Nebenblätter: Landtag»«Beilage, «rrlauf»ltste von Holzpflanzen aus den Staatsforstrevieren. verantwortlich für die Redaktion: Hauptschriftleiter Bernhard Jolle» in Dresden Nr. 7 I Dresden, Freitag, 9. Januar 1925 Schlechtes Gedächtnis oder Schlimmeres? <ki) Die Darlegungen deS Ministerpräsidentl« über die Entwicklung des sächsischen Staates und der Staatsverwaltung im letzten Jahre Haden in einem Seile der sächsischen sojtaldemokratischen Presse, besonder- in der „Dresdner Volkszeitung", lebhafte» Unwillen ausgrlöst. Sachliches ver mögen die Blätter nicht zu erwidern. Zu den einzelnen Vorwürfen sei folgendes sestgestellt: 1. Die „Dresdner Voltszeitung" vermißt in den Darlegungen des MinistrrdrSjidentcn den erforderlichen Dalt und die Rücksichtnahme aus die eigene Partei. Vs ist merkwürdig, daß aus gerechnet die „Dresdner Volkszeitung" über den Mangel an Takt klagt, ein Blatt, das ein volles Jahr lang die sächsische Regierung und insonder heit die sozialdemokratische» Minister, also die eigenen Parteigenossen, unter Hintansetzung jedes Taktes heruntergerisjen und in der übelsten Weise herabzusetzen sich bemüht ha». 2. von einem sehr schlechten Gedächtnis zeugt die Behauptung der „Dresdner Volks,tg.", der Ministerpräsident hätte als Finanzminister nicht so lange in der Regierung Zrigner aushalten dürfen, wenn sie wirklich so übel gewirtschaftet hätte. Demgegenüber muß nunmehr leider vor der Öffentlichkeit darauf hingewiesen werden, daß der Ministerpräsident sich gegen die Berufung ZeignerS in das Amt des JustizministerS gewandt und später wiederholt in der sozialdemokratischen LandtagSsraktio» betont hat, daß die Politik ZeignerS unbedingt zum Zusammenbruch führe« müsse, und daß das Zeigner-Vcrfahren »nr eine Zeitlang gehen könne, also eine Politik auf Ab bruch getrilben werde. Sol te etwa der frühere Finanzminister Heldt, der ohnedies im Kabinett von Zigner systematisch soviel wie irgend mög lich von den Geschäften abgedrängt wurde, durch ei« vorzeitiges Ausscheiden jede» Widerstand gegen eine Entwicklung aufgeben, die er für un heilvoll hielt? 3. Der weitere Hinweis der „Dresdner Volks« zeitung" darauf, daß unter Zeigner der frühere Ministerpräsident Buck zum Sreishauptmann und der Gewerkichaftssekretär Tempel zum Präsidenten der Landesversichernngsanstalt berufen worden sind, geht völlig fehl. Denn beiden Herren hat die gegenwärtige Regierung in der Ausübung ihres AmteS noch nichts in den Wcg gelegt und denkt auch nicht im entferntesten daran, gegen sie etwas zu unternehmen. Das entspricht dem «erhalten der Regierung all den vom Kabinett Zeigner ernannte» Beamten gegenüber, die ihre Pflicht tun und ihren Aufgaben gewachsen sind. 4. Im übrigen war es sehr unvorsichtig von der „Dresdner Volkszeitung", an die Person des Sreihauptmanns Buck zu erinnern. Ist doch gerade Buck derjenige, dem die jetzigen Macht haber der Partei die Befähigung zur Wieder- ausstellung als Reichötagskandidat aberkannten mit der Begründung, daß sich seine Wiedcraufstrllung mit seiuem Amt nicht vertrage, da die Ausübung des Mandats ihn z» sehr iu Anspruch nehme» würde. Wieviel mehr trifft diese Begründung der Partei doch aus den bisher i» der SlaatS- zeitung beschäftigte» Abgeordneten Sdcl zu. Den», abgesehen von der Ausübung seines Landtags- Mandats, benutzte er ja die übrige Zeit, um landaus und landab herumzureiscn und mit ver gifteten Waffen die Regierung zu bekämpfen. Damit hat er die «ussassung der Regierung be stätigt, daß seine Stelle entbehrlich ist. Schließ lich sei daran erinnert, daß es derselbe Abgeord nete vdel ist, den Zeigner in die Staatszeitung ausgenommen ha», weil er behauptete, dort durch aus nur eine» Man» seiner politischen Ausfassnng gebrauchen zu können. ö. Wenn die „DreSdn. Volksztg." weiter sagt, daß für die neue Gemeindcoronung die ganze sojialdemokratische Fraktion verantwortlich sei, so hat auch diese Behauptung nur formal den Schein der Berechtigung für sich, den« bet der Beratung der i« Frage kommende» Bestimmungen ist aus der Fraktion heraus der damalige Minister deS Jnncr» Lirbman« dringend gewarnt worden, Bestimmung»» auf- »»nehmen, di« sich jetzt in aller Schärfe gegen ihre Urheber «„»wirken. Liebmann hatte aber dakLr kein «erständni», sondern bestand darank. daß die sehr anfechtbaren Bestimmungen in dem Gesetzentwurf blube«. «. Schließlich scheint die „Dresdner Volks zeitung" völlig vergessen zn haben, daß unter der Zeigner-Regierung in Sachse» so g»t wie jedes Wirtschaftsleben unterbunden »der gestört war. Wran jetzt im sächsischen Wirtschaftsleben Beruhigung und vertraue» eiigezogen st»d, so ist das, «eben der allgemeinen Entwickln»-, der Tatsache zuzuschreiben, daß die jetzige Regierung sich von den kommunistisch beeinflußten Zrigner- Mcthoden strnhält. Damit emiallen die Gerüchte, die bereite am Donnerstag abend wissen wollten, daß Marr den Auftrag zur Regierungsbildung schon zurück gegeben hab?, und daß der Reichspräsident eine I)r. Marx verhandelt weiter. Berlin, 8. Januar. Der „Sozialdimokratijche Pressedienst" bringt zur Lage folgende aus parlamentarischen Kreisen stammende Informationen: „Die Regierungskrise im Reiche hat ^m Donnerstag, entgegen alte« Erwartungen, keine Lösung erfahre». Reichskanzler vr. Marx, der von dem Reichspräsidenten, namentlich im Hinbsick auf die außenpolitische Lage, ersucht worden war, beschleunigt ei» Kabinett znsammenznstelle«, hat sowohl mit einem Teil der Parteiführer» als auh mit Kandidaten, die für ei« Kabinett aus Zentrum und Demokraten, unter Mitwirkung der Staatssekretäre, in Frage kamen, verhandelt. Er stieß dabei inwfern auf Schwierigkeiten, als der Reichsfinanz- minister vr. Luther uns Ernährungsminister Kanitz es ablehnten, sich ans der ge planten Grundlage zn beteiligen. Sie er klärten, daß für sie nur eine Regierung mit direkter Beteiligung oder positiver Unterstützung der Volkspartei in Frage kommen könne. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß diese Erklärungen ans dem Einfluß Stresemanns beruhe«. Auch der Reichsarbeitsmiuister vr. Brauns machte Schwierigkeiten und gab der Auf fassung Ausdruck, daß die Sozialdemo kratie mit der Bildung der Regierung be auftragt werde« sollte. Der Reichskanzler be richtete am Abend seiner Frakiio«, ohne daß diese einen Beschluß faßte. Gegen ^,8 Uhr begab er sich zum Reichspräsidenten, um Be richt z« erstatte». Auf Grun) der Aussprache, die der Reichs kanzler mit dem Reichspräsidente» hatte, wird vr. Marx am Areitagvormittag seine Be mühungen zur Bildung einer Regier««- fort- setzen. Es verlautet, daß Graf Kanitz «ud der RrichSfinanzminister vr. Luther ihre« Widerstand im Verlauf einer er»eute» Rücksprache mit dem Reichskanzler aufge geben haben, sodaß am DonuerSta-abeud gegc« » Nhr die Bildung ewer Regierung auf der geplante« Grundlage von amtlicher Seite für Freitag in Aussicht gestellt wurde." G Das Zentrum lehnt die Zusammen« arbeit mit der Bolkspartei ab Köln, 8. Januar. Die „kölnische Volttzeitung", da« Organ des rteiuiichen Zentrum«, «'teilt am Donnerstagabend Tas Konkordat in Bayern. Annahme im Berfassungstausschutz. München, 8. Januar. Nah dreistündiger Debatte nahm der Ber- sassung-auSichuß de» Landtages, unter Ablehnung sämtlicher Anträge der Lpposttio«, mit 15 Stimme» er Bayerischen Voltspartei, des Baqerischr« Bauernbundes und der Deutschnattonalen -ege» 11 Stimmen der Sozialdemokraten, Kommunisten uud völkische« das Konkordat und die beiden protestantischen Kirchenverlräge an. Lie ent sprechende Gesetzesvorlage der Regierung kommt bereits am nächsten Dienstag in die Plrnarsttzuug deS Landtages. außerhalb des Parlaments siebende Persönlichkeit — gerannt wurde der Rerchtsinanzmimster vr. Luther — mit der Regierungsbildung b:auf- tragen werd?. in einem Artikel zur Kabinettsbildung der Deut- sehen Bolkspartei eine Abfuhr von betiächt« sicher Schärfe. Ta» Blatt schre'bt: „Es hat wahrlich nicht an Bemühungen von unserer Seite und namentlich auch des Reichskanzlers Marx gefehlt, der Vofks- Partei und d:n Deutschnationalen gol dene Blöcken »u bauen. Es ist ein billiges Vergnügen die Standhaftigkeit seiner Be mühungen, doch noch ein xosiiives Ergebnis, im Zusammenwirk-n der Parteien, zu erzielen, zu be'pötteln. Keine Sorge: die Volkspariei hat sich durch ihre letzien Taten im Dienste der Deutschnationalen der „Gefahr", doch noch irgendwie in einer politischen Gemeinst ast der Mitte festzehalten zu werden, so völlig eni- zogen, daß es wchl niemand in unseien Reihen danach gelüsten kann, es noch einmal mit ihr zu probieren. Es mag unter unsern Freunden manche geben, die meinen, es wäre sogar mit den Deutschnationalen direkt besser zu einer Verständigung zu gelangen als über vis eigenartige Brücke der Deutschen Volkspartei. Es ist auch keinesfalls mehr Zeit Mit nutzlosen Bemühungen zu verlieren, wir b: suchen letzt sofort eine aktivns fähige Regierung, schon im Hinblick auf die politischen und wutshaf sichen Veihandlungen mit dem Ausland. Diese Regierung sollte aber auch das grundsätzliche Festhalten an der Politik der Mitte zum Ausdruck bringen. Wenn dis RehtS.alteien gla iben, sie hätten das Zentrum vor die Alternative gestellt, ent weder vor ihnen zu Kreuze zu kriechen oder sich zu einem Linksblock zu bekennen, so sind sie völlig im Irrtum. Es besteht keinerlei Notwendigkeit für die Zentrums. Partei, die Politik der Mitte mit der des Linksblocks zu vertauschen, ganz abgesehen davon, daß das Zentrum auch in der soge nannten Weimarer Koalition nicht Linkspolitik getrieben hat. Es kann auch nicht im Falle Preußen die Rrde davon sein, daß da« Zentrum nach dem Ausscheiden der Bolkspartei (de dabei Gesolgschasi zu leisten es natürlich abgekehnt hat) in die Weimarer Koalition hinrinzeraten sei, weil alle verbleibenden Minifleiposten jetzt nur »och von Zentrum, Demokraten und Sozialsemovaten besetzt seien. Die,er Zustand, der lediglich durch die Bolkspartei geschaffen ist, kann selbst verständlich für dir grundsätzliche Einstellung der Zenirumspartei gar nichts beweisen." München, 8. Januar. Der Regierung ist es nach dem am Mittwoch erfolgten Zwischenfall im VeifassungSausschug in wiederholten Sitzungen mit den Koalitionsparleien gelungen, den authentischen Wortlaut der von der Regtriung den Deutschnationalen zu gestandenen Interpretation zum Konkordat fest- zulegen. Es wurde deshalb für Doni erstaz abend eine neue Sitzung des Verfassungsaus schusses zusam uenber ifen, in welcher der Ministerpräsident vr. rgekv diesen Wortlaut be kanntgab. In dieser authentischen Interpretation der umstrittenen Artikel des Konkordats wird fest- gestellt: 1. daß Latz kontorSar i» Bayern auch Lansesgesetz ist und dcmtntsprlchcnd nur der deutsche Text maßgebend ist; 2. daß durch Zuerkennung des Rechts a« die Kirchen, im Rahmen ihrer Zuständigkeit Gesetze und Verordnungen zu erlaßen, die ihre Mitglieder binden, der Artikrl 137 der Reichdoersassu«- nicht berührt wirs; 3. daß der Freiheit des Gewissens und der Vereinigung der Lehrpersonen an de» Bekenntnisschulen durh das Konkordat keine andere Schranke« gezogen sind als sie durch die besonderen Amts- und Standespslichte« der Lehrer bedingt sind; 4. daß die st a a tl i ch e S ch u l a u s f i ch t i« Bayer« erhalte« bleibt, und daß ei«e Siedereinfähru«- der früheren geistliche« Schulaufsicht nicht i« Frage steht, raß ferner der kirchlichen Lberbehörde oder deren Beauf tragten keine dienstaufjichtliche« Befugnisse in de» weltliche« Fächer» an der Bekenntnisschule eingeräumt werde«; 5. daß die verpflichtu«g des bayerische« Staates zur Dotation der katholische« Kirche durch den Art. 138 der Reich-Verfassung und des 8 1b der Landesverfassung feststeht und daß die Durchführung dieser Verpflichtung nur im Einverständnis mit dem Landtag getroffen wird. Tiefe Interpretation wird de: Ministerpräsis-nl in d;r Plsnar'itzunz d.'s Landtages im Namen der Slaatsregierung vor:ra:en. Sie soll bindend sei« für alle künfll en Sireilizksl en in Ler Auslegung der drei Ktrckenvertrüge. Die Barmat-Affäre. Prüfung der Finanzlage des Konzerns. Berlin, 9. Januar. Die mit der Untersuchung der Angelegenheit Barmat brtraute Staatsanwaltschaft wird, dem „Tag" zufolge, in einer großen Informationsreise sämtliche Werke des Barmalkonzerns besuchen, um sich ein Bild über dis Lage des Konzerns zu machen i nd um sich Klaihnt darüber zu ver schaffen, ob die Angaben über den Wert der Deckung der dem Barmatkonzern genährten Kredite den Tatsahcn entsprechen. * Die Kredite der Aeichspoft. Erklärungen vr. Höflest. Berlin, v. Januar. I« einer Mitteil»»g erklärte der Reichs- postmiuister Höfle: Der vo« der Reich», po st Verwaltung dem Barmatkonzer« zur ver füg«»- gestellte Kredit vou 14^ Millionen» ist durch Effekte« u»d Wechseldepots sicherge- stellt uns außerdem bei 17 i«- und auslän dischen, von Sachverständigen anerkannte, Ber- sichernngSgeseUschafte« »oll versichert. Ent- gegen der Behauptung deS „Tag" wird in der Mitteilung sestgeftellt, daß dieser Betrag auf dnrchans ordnnngsmäßigem «ege der dentsche, Girozentrale übernittelt wnrde, die ih» al« Treuhänderin der «eichspost an de» Barmat- ko»,er« weiterleitete. Rach der «itteilang ist schließlich die Darstellung über die Tätigkeit de« Zentrum»« bgeordnete» Lange-Hegermann frei erfunden. Ebens» wird die Rachrtcht über die «iederle-nng seine» Reichstag»- mandat» von» Reichsswstmtntster al« ,n rich tig bezeichnet. Ae fikMMNk noch MW. Berlin, 8. Januar. Amtlich wird gemeldet: Die Bemühungen des Reichstkanzlers Mar;, gemäß dem ihm erteilten Auftrag so rasch wie möglich eine Regierung zu bilden, haben am Donnerstag noch nicht zu einem Ergebnis geführt. Zwischen dem Reichspräsidenten und dem Reichstanzler fand am Donnerstag abend eine Aussprache statt, auf «rund deren der Reichskanzler am Freitag die Verhandlungen fortführen wird.