das menschliche Erleben an sich berief. Zur Form der symphoni schen Dichtung (durchaus in Anleh nung an Franz Liszt) fühlte er sich hingezogen, ebenso aber zur Ver bindung von Wort und Musik, also zur Vokalmusik. In seinem Werkver zeichnis sind neben einigen Opern zahlreiche Lieder, Chöre und auch Werke für Gesang und Orchester zu finden (auf letzterem Gebiet hat er geradezu einen entscheidenden Anteil für die Entwicklung dieser Form geleistet). Als Liedkomponist hat er den unmittelbaren Zusam menklang von Wort und Ton gera de in der Vertonung von alt- und mittelhochdeutschen Texten am überzeugendsten gefunden. Seine Drei Gesänge nach mittelhochdeut schen Gedichten zeugen davon. Innerhalb des Gesamtschaffens von Johannes Brahms nimmt die Kammermusik einen wirklich großen Platz ein, und das in einem Zeitraum, als eher die Sinfonik bzw. die Sinfonischen Dichtungen (Liszt) oder gar Wagners Weg zum Musikdrama vordergründig die all gemeine musikalische Entwicklung beeinflußten. Die Komposition von kammermusikalischen Werken war für Brahms nicht nur deshalb wich tig, weil er einer älteren, über die Klassik verfeinerten Traditionslinie folgen wollte, sondern es war für ihn auch ein entwicklungsträchti ges Experimentierfeld auf seinem langen Weg zur Sinfonie (1876, also mit 43 Jahren, hatte er seine 1. Sinfonie geschaffen!). Die Inner lichkeit dieser Gattung lag ihm sehr viel näher als die extrovertier te, dramatische Darstellung auf der Bühne, die er zwar sehr schätzte, aber nicht für sich selbst künstle risch ausdeuten konnte. Ein ande rer Aspekt führte ihn aber schon sehr frühzeitig zum musikalisch ausdeutbaren Wort. Das war nicht die Bühne, sondern das Lied, ge nauer, das Volkslied. Über 200 Lie der hat er geschaffen, viele davon sind bekannt, wie es Volkslieder sind, ja sind zu Volksliedern ge worden. Viele Volkslieder hat er verwendet, bearbeitet, umgedeu tet. Diese sind zu Kunstliedern oder liedhaften Themen für instrumenta le Werke geworden. Liedmäßiges Gestalten war zeitlebens ein Hauptanliegen des Komponisten. Brahms psychologisierte oder über dramatisierte nicht in seinen Lie dern (wie später Hugo Wolf, sein großer Rivale in der Liedgeschich te), sondern erstrebte größte Ein fachheit und erreichte meist eine strophisch-variierte Geschlossen heit. Die Zwei Gesänge für eine Altstim me mit Bratsche und Pianoforte op. 91 (wie das Werk original be nannt ist) verdanken ihre Entste hung der innigen Freundschaft von Brahms zu dem Geiger Joseph Joa chim. Das erste dieser Lieder war als Glückwunsch zur Taufe des er sten Kindes seines Freundes (1 864) - Brahms war Pate des klei nen Johannes-gedacht, und 1884 vertonte er das zweite Lied aus ei nem weniger erfreulichen Anlaß, Unter Hauseggers Leitung erklang 1932 erstmals Bruckners „Neunte" im Original, die seit ihrer Urauf führung 1903 nur mit Instrumentations retuschen von Ferdinand Löwe bekannt war. Johannes Brahms, geboren am 7. Mai 1833, gestorben am 3. April 1897