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Staatsan^eiger für den Zreiftaat Sachfen Dresden, Freitag, 2. Januar 1925 Erscheint Werktag» nachmittag« mit dem Datum de« Ersch»inung«tage«. Bezug«pret«: Monatlich S Mark. Einzelne Nummern 15 Ps. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14574. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. Ankündigungen Die S2 mm breite Grundzeile oder deren Raum 30 Ps, di» 66 mw breit» Brundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Ps.. unter Lin. gesandt SO Ps Ermäßigung aus Geschäftsanzeigen, Familiennachrichten n. Stellen, gesuche. — Schluß der Annahme vormittag» 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtag».Beilage, vcrtausSlistr von Holzpflanzen aus den StaatSsorstrevierew verantwortlich für die Redaktion: Hauptfchriftleiter Bernhard Jolle» in Dresden. Politische Neujahröwünsche. Empfang beim Reichspräsidenten — Hoffnung ans Frieden nnd Verständigung. Berlin, 2. Januar. Amtlich wird mitgeleilt: Reichspräsident Ebert empfing gestern die Chefs der fremden diplomatischen Vertretungen in Deutsch, land. Die Glückwünsche des Diplomatischen Korps brachte der Apostolische Nuntius Monfiguore PaceNi «ls Doyen mit folgender Ansprache zum Ausdruck: „Als ich mich in den verflossenen Jahren des ehrenvollen Auftrags entledigte- Ihnen die Glück wünsche des Diplomatischen Korps darzubieien, habe ich mich zum Dolmetsch der tiefen und pein lichen Sorgen der Stunde machen müssen und habe zugleich dem Wunsche Au:druck gegeben nach einer besseren- nach einer von Nächsten liebe, Gerechtigkeit und Frieden er füllten Zukunft, ein Wunsch, der von allen meinen helvorragenden Kollegen im Herren ge tragen wurde. Ungeachtet der unablchsiz wieder aufiauchen- den Schirierigkeilen und Hindernisse scheint es, als ob dieser Wunsch sich zu erfüllen begonnen habe. Wir sind glücklich, die Morgenröte dirfeS ncncn Jahres zu bcgrützen als eine Morgen röte des Wiederaufbaues und des Fortschritts. In dem Jahre, duS soeben zur Neige gegangen ist, sind sehr ernste und schwierige internationale Probleme ihrer Lösung niihergebracht worden. Mit neuer Kraft haben die Völker an di: Arbeit gehen können, die für Vie gesittete Welt ruhmvollen Glan; und berechtigten Stol; bedeutet und in der gerade die Nation, deren höchste? Amt Sie, Herr Reichspräsident, au-üben, sich her vorragend auszeichnet. So dehnt der Mensch, Erde, Wasser und Lüfte meisternd, die fried- lichen Errungenschaften der Wissen- schäft und die wunderbaren Fortschritte der Technik ans alle Gebiete der Natur aus; die herrlichen Luftfahrzeuge der verschiedenen Länder erheben sich ohne Furcht in den WsLen- ranm, es schwindel die Entfernung zwischen den feinsten Völkern und Ländern. Möchten mit Hilfe der Vorsehung diese hervorragenden Erfolge da? Unterpfand bilden für einen rnger.'n Zu- samm.'nhalt, für eine innigere und herz lichere Brüderlichkeit zwischen den Völkern, möchten sie das Wahrzeichen eines mächtigeren Emporstiegs der Seelen sein zu den höheren Regionen der Wahrheit, Gerechtigkeit und Güte. Von diesen Gedanken erfüllt, entbietet da? vereinigte Diplomatische Korps Ihrer Person und drm demschen Volle die wärmsten Wünsche sür Gedeihen nnd Glück." Ter Reichspräsident erwiderte mit folgenden Worten: „Nehmen Sir meinen aufrichtigen Tank entgegen für die Llück- und Segenswünsche, die Sie, im Namen des Diplomatischen Korps, dem deutschen Volke und mir auszusprechen die Güte hatten. Es ist mir eine lebhafte Befriedigung, mit Ihnen feststellen zu können, daß im vergangenen Jahre an der Behandlung schwerwiegender, inter- nationaler Fragen in einem Geiste gearbeitet worden ist, der die Hoffnung aus eine Lösung im Wege der Versöhnung und Verständigung ne» belebt hat. Möge der Wille zur Gerechtigkeit nnd der Geist de» Friedens auch im kommeuden Jahre die Regierungen bei den noch der Lösung harren den Entscheidungen beseelen, und möge so da», wa» im vergangenen Jahre erfolgreich begonnen wurde, auch im kommenden Jahre glücklich wettergesührt werden. * Auch die Fragen, deren Regelung noch offen- steht, und deren Lösung der nächsten Zeit vor- behalten ist, sind von schwerwiegender und weit tragender Bedeutung sür die Zukunft nicht nur Deutschlands, sondern auch Europas und der Welt; eS wird der Anstrengung aller Regie rungen und aller Völker bedürfen, um auch hier deu »eist de» «echt» und de» Fried,»» de« Weg bestimme» »» lasse», a»k de» die europäische Ordnung endgültig wirdel- hergestellt werden soll. Nur dann, wenn diese Aufgabe gelingt, wird auch i» dr» Herzen der Völker der Friede tiefe und lebensftarke Wurzeln fassen können, nur danu werden die Vorbedingungen geschaffen sei», die unerläßlich sind sür den Wieder» ausbau Europas und einer Welt, i» der friedliche Völker iu edlem Wettstreit gemeinsam arbeiten am Fortschritt der Geistesbildung und einer in den Dienst des Friedens gestellte» Technik. Ta? deutsche Volt ist gewillt, unter Einsetzung aller seiner Kräfte an diesem Wiederaufbau mit- zumbetten, und wünscht dazu bntragkn zu können, daß für die ganze Welt eine neue Ara des Fort- schritts, der Freundschaft und des Friedens an heben möge, die Sie, He.r Nuntius, für die Zu kunft mit heißem Herzen erhoffen. Zum neuen Jahre spreche ich, zugleich im Namen des deutschen Volkes, Ihnen, Herr Nunlius, und Ihnen, meine Herren, zugleich für Ihre Slaatsobeihrupter, Regierungen und Völker meine herzlichsten und aufrichtigsten Wünsche aus." Hierauf begrüßte der Reibtpräsid.nt die ein- zelnen Botschafter, Gesandten und Ge- sch ästS träger und wechselte mit ihnen Neu- jahrswünsche. Bei dem Empfang waren der Reichk- minister vr. Stresemann und die Staatssekre täre vr. v. Schubert und vr. Meißner zu gegen. » Im Anschluß hieran wurd:n drr Reichskanzler, die Reichsministr- und die Staats'ekretäre empfangen. Ter Reichskanzler hielt folgende Ansprache: „Zum neuen Jahre entbiete ich Ihnen, Herr Reichspräsident, im Namen der Reichsminister, die Sie, nach dem Rücktritt des Kabinetts- mit der vorläufigen Wetterführung der Geschäfte be raat haben, die aufrichtigsten Glückwünsche. Vor Jahres frist durfte ich hier den Wunsch aurs^rechen, das Jahr 1924 möge ein erfolgreiche? sein für den Wiederaufstieg unseres Volkes und Reiches. Tiefer Wunsch hat sich, wenigstens zu einem Teile- eifüllt. Unsere Wirtschaft hat, wenn auch nnttr Überwindung schwerer Krise«, wieder festeren Bode« gewönne», die Arbeitslosigkeit hat ab- genomme« und die Vevölkcruug de; besetzte» Gebietes, deren Schicksal Sie, Herr Rcichs- praside», mit ga«; bisonderer Anteilnahme verfolge«, hat erfreulicherweife eine Er» leichter«»g ihrer Lage erfahren. Der preußische „Panama Skandal". Tic Verhaftung der Brüder Barmat. Berlin, 1. Januar. Die Inhaber des Barmat-Konzerns, über deren Verhaftung wir bereits berichteten, sind, ohne daß ein polizeiliches verhör vor genommen worden war, vom PolizeiprSjidi« n nach dem Uutersuchung sgr jäug nis in Moabit gebracht worden. Tie die Sache be arbeitenden Staatsanwälte unterzogen dir Brüder Barmat sofort einer eingehenden Vernehmung, die fich über mehrere S unde» hinzog. Tic weiteren Ermittlungen, die außerdem den eigent lichen Fall Autister und die Seehand lunq betreffen- zogen sich bis in die späten Richt stunden hin. Ein ganzes Heer von Kriminal beamten ist in der Angelegenheit unterwegs In der Merkurbank wurden alle maßgebenden Beamten vcrnommcn. Zwei von ihnen, der Tirektor Lichtenstein und ter Prokurist Lcvy. wurde» vorläufig sestgenommcn und nach den Polizeipräsidium gcbracht. Auch die Angestellten der Filialen Ler Mcrkurbink A.-G., die nicht mit der Melkur Kommanditgesellschaft zu verwechsel« ist, werd,» cingehend verhört. Aus der Pauk, wie auch i« der Filiale, wurde fo viel Material du:ch die Polizei vefchlagnahm», daß sür die Sichtung wohl einige Tage erfordcilich sei« werden vernommen wurde« auch bereits, soweit sie zu erreichen waren, Angestellte andererBarmal- Airmrn und ihrer Berliner Niederlassungen. Isaak Barmat ist von scincm Jagdausflug noch nicht zuruckgekchr». Ter sünste dee Brüder, Tavid Barmat, besindrt sich i« Hamburg, wo er geschäftlich tätig ist. Geldbeträge wurden auf der Merknr- bank « icht beschlagnahmt. Tie Verpflich tungen fGehaliszahlungc» usw.) kouuten also eiugrlöst werde». Ans besondere Anordnung de» Oberstaats anwalt» ist i» Moabit z» de» bereit» bestehende« dreiSonderdezernate» ein dritte» ge- bildet, da» der Amtsgericht»»«» v. Mehl leitet. Geheimrat vr. Hellwig bejiadet sich ans der Rückreise von Kassel nach Berlin, um sich hier der Siaalsanwaltschaft znr Veisüg«ng zn stelle». Tie Staatsanwälte sind gegtnwärlig znnächst tamit beschäftigt, die banktechnischen Frage« z« kläre«, um sich dann darüber schlüssig z« »erden, ob die Brüder Varmat, di» bisher noch al» verhaft-t gelten, wieder ans sreienFnß z« setzcn oder, ans «rnnd einer bestimmten Anklage, in Hast z« halte« sind. Erst dann wir» über di» Erlasinng eine» -ast» besehlS gegen fle ,»schieden. Einen besonderen Raum nehme« t« der U»ersmh«mg «»«rgemäß die Geschäft« zwiiche« dc» Varmat-Ko«zrr« und der Prenßische« StaatSdaak ein, die, «ach alle», »a» bi»h«r brk»»» arwordr« ist oroße Ahnlichkcit mit de« Geschäfte« Iwa« KutiskerS haben Eine auch «ur teilweise üläiung der ganzen Angrlegcnheit kann sich jedoch ent in den nächsten Tagen ergebe«. * Berlin, 1. Januar. Bei den Turchsuchunge» in den Wohnungen oer Gebr. Barmat wurde gestern kein Bar geld nnd nichts an Wertsachen gesunde«. Eest eine nochmalige Turchsuchnng des Schlosses von Julius Barmet auf der Jufel Schwanenwerder förderte sür etwa cinr halbe Million Marl Schmucksachcu zn- age. Es wird angenommen, daß die Barmittel der Gebr. Barmat an unbekannten Stellen innterltgt worden sind. Ter fünfte Bruder, Tavid Barmat, befindet fich, wie jetzt sestgeiteltt wurde, zur Erledigung von Geschäftet in Holland. Tcr Barmat-Aonzern. Berlin, 1. Januar. Zur Verhaftung der Brüter Barmat nimmt oer „Sozialdemokrat cke Pnss.'di:nü" mi: fotzen den Worten Stellung: „Die Untersuch-uz der Kutisker-Afsäre nimmt langsam einen Umfang an, der weniger dem öffentliäen Jntereffe as oielmrbr den po litischen Bedürfnissen der Staatsan waltschaft zu entsprechen schein'. Wir sind, seit v.'r Aucheckung de: Kuttske: - Skandals, zu jeder Zeit süc die strengste Unter,uchunn der Affäre einzmeten und werd n diese Auf asjung, jo reit sie berechtigt er chnnt, nach wie vor ver- lre en. Am Mittwoch hat dir Staatsanwaltschaft nun auch die „Festsetzung" der Gebrüder Barma!, Besitzer des Bannat-stonzern?, angeordnet, ong-b- lich, weil oer Barmrl - Konzern ;u Ku'ttker g:- schäftlich» Beziehungen unterhielt. Wenn sich diese Maßnahme nachträglich als berechtigt erweist, sind wir die Letzten, die oas nicht anerkennen würden. Aber dir Art, wie diese »Festsetzung", unter Aufwand von 300 Kriminalbeamten, erfolgte, und die Tat- fache, daß die Gebrüder Barmat dis Mitt woch abend 11 Uhr im Polizeipräsidium ohne jede Vernehmung „se^gehalien" und dann in dar Untersuchungsgefängnis nach Moabit über- führt wurden, spricht nicht dafür, daß di: Staats anwaltschaft über allzu stichhaltiges BeweiS- matertal verfügt. Wie man un? versicheit, ist nicht einmal dem Rechts bei st and der Ge brüder Barmat Gelegenheit gegeben wo den, seine Klienten in der Haft aufzusuchen. Auch sollen die Verhafteten nickt wiffrn, aut welchem G unde sie überhaupt „festgesetzt" wo.den sind. Ter Barmrt- Konzern befchäflizt heute in Deutschland mehr als 12000 Personen. Da die Saacanwatt- schäft inzwischen über den Konzern Geldspere verhängt hat, liegen die Angestellten und Arbeiter des B«w»-Kon;erns aewisierma en aus der Ttraxe- WaS das, in Anbttracht der gzoßen Arbettelo ateit, hei t, dürfte auch die Unker- suchungSbehörde wissen." Tie Milliolienkredite der Staats bank. Festnahme des Ministerialdirektors Hauy. Berlin, 2. Januar. Gestern ist nun auch der Ministeriatdircktor a. T Kautz sestgenommca worden, dessc» Ver haftung i« eingeweihien Are so» schon seit einigen Tagen als bevorstet»«») galt. Kaub, der zuletzt die Stellung eines Gneraldireltors im Parmat- konzcrn bekleidete, gehört? in den Jahren 1818 di» 1921 in kttcadcr Stellung dtm Rcichs- s ch atzm in ist c ri um an und hatte dort längere Zeit das Tezcrnal für die Eriaffung von ehe maligem Herrrsgut Lein Name tauchte in der LfsentlichkeitzumerstenMalc imErz bergerprozrß ans, wo es großes Anfseicn erregte, daß dieser Bcamtc in eincm Zckitdsfpruch zugunsten einer roßen Tieibaugescllschaft gegen das Reich eatjchies rind damals eine beträchtliche Lumme für das Lchicdsrichtrramt erhirlt. Lpä- ter uar Kautz als Schiedsrichter zwischen dem Reichs'chatzmiaisterinm und den Berl n-vurgker Eisenwerker tätig. Ferner wurde gestern brr frühere Tirekror der Liaatsbank Geheimrat vr. Hellwig i« Sattel verhaftet und nach Perlin gebracht. Fcrncr sind ins llntcrsuchnngsgesängms ein» gelicsert word.-n: T revor Lichtenstein voI vlr Merkurdant, Tirektor Staub von de« Berlin-Vurgkcr Eisenwerken nnd Tirckwr Gericke von dcr Roth-Aktirngeseltschaft. Alle Feftgenommenen stehe« unter dem ver dacht« de» Sreditbrtrnges ^egtnLber der Preußisch«» Staatsbank. Tie Staate» anwaltschaft sieht ei» schwere» vergehen u. a. darr«, daß zur Eriangnng der Millioarnkredite anch Aktienpakete in das Tepot der Staats bank gegeben warben, die durch vörsenmanöver i« ihrem Werte und zwar tnrz vor der Er» strednng der Kredite, in die Höh» gelriebe« Word»« waren. Nach der Erlangung der Kredit« sank»'»« d«i Sc« d«r lombardierten Effrktc», sovaß'vo» ri««r voll«« Teckang nicht im «ntskrnttst«» mehr die Rcöe ski« könnt«. Es vrrlautkt ferner, raß vom Barmat-Konzera sür kinz«I«e Kredite «i« Jahr lang keine Jinfe» gezahlt worden sind nnd daß trotzdem die Staatsbank dem Varmat - Konzeni »eitere Kredite bewilligt«. Ter Staatsanwalt prüft an^enblickiich die Frage, ob all, führenden VkrsSaluhtnt«« d»S varWat-KonzernS über Einzelheit«» »er Kndit- gesqästc im Bilde »ar««, u«d ob fie mit ihn* Verantwortung die Transaktione« gedcckt habe».