Volltext Seite (XML)
Dissonanzen entladen oder - ganz entgegengesetzt - zu alles über strahlenden Ruhepunkten gelangen. Die Uraufführung der 9. Sinfonie fand erst sieben Jahre nach dem Tode des Meisters statt, am 1 1. Fe bruar 1903 in Wien. Allerdings Zum Der 1. Satz (Feierlich, Misterioso, Alla-breve-Takt, d-Moll) beginnt mit einem leisen Streichertremolo, ent steht geradezu aus flimmerndem Nichts, auf dem, für den Satz so wichtig werdenden Ton d. Erst nach langsamem, aber majestätisch si cherem Vortasten - 63 Takte (oder drei Minuten) lang - formt sich allmählich in immer hitzig, heftig werdender Bewegung das erste Thema. Und dieses setzt dann im Unisono ein mit zyklopischer Wucht, mit Urgewalt, gleich Ham merschlägen des Schicksals und zugleich Symbol für die Titanen kraft des Menschen, der sich gegen das Schicksal stemmt. Abwärtstrop fende Pizzicati in den Streichern, wieder über eine lange Zeitspanne, beruhigen nach dem Gewaltauf schrei. Ein zweites Thema, nach A-Dur geführt, chromatisch-aus drucksstark, weitgespannt und ge sanglich führt in ganz andere Ge filde, beseelte Musik glückhafter Zeiten, wiedergefundene Seelenru he. „Wie so häufig, leitet ein pen delndes Motiv des Horns zum drit ten Gedanken, in dessen stark hatte sich der Dirigent, Ferdinand Löwe, erlaubt, zahlreiche Instru mentationsänderungen einzubrin gen. Erst 1932 erklang das wirkli che Original erstmals (Siegmund von Hausegger mit den Münchener Philharmonikern). Werk rhythmisierten Fluß die streitbare Motivik der Hörner hineintönt. Großartig die sinfonische Verdich tung, die hier der Satz erfährt; ein geradezu schwelgerischer Klang breitet sich aus, der nur langsam auspendelt" (Dieter Härtwig, in Programmheften der Dresdner Phil harmonie). Das dritte Thema kehrt zum lastenden d-Moll zurück. Mit diesem dreifachen Material werden die außerordentlich ausgebreitete Durchführung und Reprise bestrit ten. Höhepunkt der Durchführung ist die volle Hauptgestalt des Hauptthemas, wie sie, alles zer schmetternd, durchbricht. Sie wer den neu belichtet und zusammen gesetzt, kämpferisch-aufwühlend, gehetzt, selten beruhigt. Und nichts kündet von Sieg. Selbst choralarti ge Anklänge (Beginn der Coda) werden von der Urgestalt des Hauptthemas gestört. Der 2. Satz, das Scherzo (Bewegt, lebhaft, d-Moll, 3/4-Takt und Trio: Schnell, Fis-Dur, 3/8-Takt) fängt hu schend an, als wäre es eine der Mendelssohnschen Elfenmusiken. Doch es rafft sich schon bald zu Aufführungsdauer: ca. 60 Minuten Früher, lange schon vor Mozart, aber auch bei Schubert und noch bei Beetho ven galt d-Moll als dä monische Tonart und weist auf Schmerz, Tod und Verderben. A-Dur (1. Satz)) ist im traditionellen Tonartenkreis gleichzusetzen mit Licht und Hoffnung.