Musik dürfe nicht nur Genuß sein, sondern müsse an den Nerven zer ren und in seelische Abgründe schauen lassen, von denen die bis herige Musik noch keine Ahnung hatte, forderte (Louis) Hector Ber- lioz. Das ist natürlich ein ästheti scher Ansatz, wie er wirklich vor her nicht vertreten, ja nicht einmal zu denken gewagt wurde. Musik, jede Kunstauffassung wurde im althergebrachten, griechisch-klassi schen Sinne als Ausdruck des Schönen, Harmonischen charakte risiert, immer verbunden mit einem erzieherischen Ideal, z. B. dem der Läuterung des Menschen. Nicht aber sollte, nicht durfte Häßlichkeit verkörpert werden. Als ein ebenso literarisch wie musi kalisch gebildeter Künstler nahm Berlioz schon frühzeitig zahlreiche künstlerische Anregungen auf, deu tete sie für sich und sein Schaffen aus, erkannte Vorbilder, über nahm, was in eigene Denkansätze paßte. Die späterhin sein künstleri sches Leben prägenden Eindrücke erhielt er aber doch wohl meist jen seits der starren akademischen Ausbildung am Pariser Conserva- toire. Er begeisterte sich für die Opern Glucks, nahm die Sinfonien Beethovens tief in sich auf und wur de erfaßt von den literarischen Strömungen in Paris in den 1 820er Jahren, von Lord Byron z. B. Er schwärmte für Goethes „Faust" und las E. T. A. Hoffmann, dessen Phan tastik und makabrer Humor ihn we sensverwandt anzog. Victor Hugos Plädoyer für eine Kunst, die auch vor Trivialität und Häßlichkeit nicht zurückschreckte, kam seinem eige nen künstlerischen Empfinden ent gegen. In der Romantik sah Berlioz einen Ansatz für das eigene Schaf fen, doch wollte er nicht, wie gera de in der deutschen Romantik, al lein das innere Licht der Seele leuchten lassen, sondern seine „Helden" sollten von ihm zum in tensiven Erleben hin gewendet werden, äußeres Verhalten, Aktion und Reaktion zeigen. Das Aktivie- Hector Berlioz 1803-1869 (um 1860); Bleistiftzeichnung von Alphonse Legros