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Sächsisch eSlMsMung Staatsan?eiger für den Zreiftaat Sachfen Dresden, Montag, 1. Dezember 1924 Nr. 279 Ankündigung»»! Di» S2 nun breite Grundzrtl« oder deren Raum SO Pf., di» 66 mm breite Grundzeil« oder deren Raum im amtlichen Letl« 60 Pf, unter Lin» gesandt SO Pf. Ermäßigung aus Veschäfttan-eigen, Familiennachrichten u. Stellen» gtsuche. — Schluß der Annahme vormittag« 10 Uhr. Erschein« Werktag» nachmittag» mit dem Datum de» Lrsch«tnung»tage». Bezug»prei»: Monatlich S Mark. Einzeln» Nummern 15 Pf. Fernsprecher: Geschästssttve Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 1457«. Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. Zeitweise Nebenblätter: Landtags»Beilage, verkaussliste von Holzpflanzen aus den StaatSsorstrevieren. verantwortlich für die Redaktion: Hauptschristleiter Bernhard Jolle» in Dresden. Reichsbanner Schwarz rot gold. Seine abweichende Beurteilung durch den Reichskanzler und den Reichsaußenwinifter. Zwei Wahlreden des Reichskanzlers. Düsseldorf, 1. Dezember. Reichskanzler Marx sprah gestern vormittag in einer ron mehreren tausend Personen besuchten Zentrumsoersammlung im Apollo -Theaier. Der Reichskanzler wie» darauf hin, daß er gleich zu Beginn des Wahlkampfe» es al» eine vater ländische Notwendigkeit bezeichnet habe, daß die Parteien den Wahlkampf ruhig und sachlich führen, ohne unnöti'e Schärfe, daß sie nicht Versprechungen machen und Fo.derungen aufstellen, dir sie nach dem 7. Dezember unmöglich vertreten können. Leider müsse er heule sagen, daß s-ine Bitte nicht überall gefruchtet habe. Der Kanzler fuhr fort: Ich muß zu meinem Bedauern feststellen, daß z. B. die Deutsch nationale volks- partei, die vor der Auftösiing dr» Reichs tags erklärte, die Außenpolitik der Re gierung in bezug auf das Londoner Ab kommen zu unterstützen, im Wahlkampf ge-ren dirse Außenpolitik wiedrr in einer Schürfe Stellung genommen hat, die in schroffem Grgrnsatz steht zu der Haltung, die sie wührrn» drr v. rhandlmrgt« über die Sabine«», erweitcruug bekundete, «nb die ganz verschärf ablehnenden Stellung entspricht, die sie in den Monate» April bi» August gegenüber de« Expertenvorschlügen und dem Dawes- abkomme» einnahm. Erst vor wenigen Wochen eillärte Graf Westarp in Hamburg, die Deutschnaiionalen jeun einig in der Verurteilung des Londoner Abk.mmenS. Die deutsche Regierung hat den Paki von London unterzeichnet, das Parlament Hal ihm zugestimmt, da wir nur so die ^e- sreiung der besetzten Gebiete herbeiführcn konnten, da wir nur so den allgemeinen Ruin aus halten konnten, und nur auf diesem Wege hoffen dursten, eine Wiederau sucht unz Deutschlands ermögliche» zu können. Der Reichskanzler legte eingehend die günstigen Auswirkungen des Dawesabkommens in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht an Rhein und Ruhr dar und fuhr dann fort: Da» alle» find Tatsache», die auch «raf Westarp »ud seine Freunde nicht leugne» könne«. Wie nutrr de» bisherige» Vrdt»- gnngen die Ruhrwirtschaft Hütte weiter existiere» lSune», darüber hat noch kei»er der Rei»sager vom 2». «»gust ei»e befrie- dige»de «»lwort geb»» kö«nr«. ES wäre töricht, das Eireichte etwa nun über- schätzen zu wollen und anzunehmen, daß alles in be^er Ordnung ist. Taoon sind wir leider recht weit entfernt. Aber wir stehen doch heute nicht mehr vor einem ChaoS. Wir haben doch wieder Möglichkeiten einer Besserung und «ine» Auf stiege», haben doch wieder Zukunftshoffnungen. In dem Maße, wie eine nüchterne, sachliche Be- urteilunz unserer gesamten Verhältnisse es er- walten konnte, beginnt sich überall eine lang same Wendung zum Bessern ersichtlich durch- zusetzen. Über den Völkerbund sagte der Reichs kanzler: Ich bin »i» gr»«»sützl«cher Freund de» vülkerb»«»«», »nd wem« irge«»wle di« Möglichkeit da»» Vorhände» ist, da»» werde» wir versuche««, de» Vülkerb»«» bei,»trete». Mr müsse« »»» de» Schritt allerdi,,» sehr wohl überlege«, weil er große ver»«»»lichkette» ««t sich »rt«ge« müßte, »»d »tr »erde» de» Gchritt erst tun, wen« er »um Wohle de» Deutschen «eiche» und de» deutsche» Bolte» ge schehe» ka»». Man hat uns vorgeworfen, daß wir bei den veihandlunzen in London schwächlich waien und andere Wege hätten einschlagen müssen, abe, man ,st uns tue Aufklärung schuldig ge blieben. Das Dawesabkommen — darüber wüsten wir uns llar sein — ist das Fundament auf dem es ailt, Deutschland wieder aufzubane»,. den veipflichluugen, die wir nach dem verlorenen Kriege nun einmal übernommen haben, nach Mög- lichkett nachziikommen und so auch zur politischen Freiheit unseres Volkes und Landes zu gelangen. Dazu brauchen wir aber einen arbeitsfähigen Reich Nag. Meines Eiachlens muß nun am 7. Dezember ein Reichstag zustande kommen, der tatsächlich arbeitsfähig und arbeitswillig ist. Der Reich-kanzler bedauerte den Zwiespalt über die ReichSjarben schwarz-Weiß-Rot nnd - chwar z- Rot-Gold und sagte: Wir hielte« die Farve« Schwar»-Miß- Rot io »hre«, aber jetzt habe« wir »un ein mal Schwa rz-R ot-Bold, «nd wir müsse« uns dagegen verwahre», baß ein Deutscher die Reichsfarben Schwarz- Rot-vold heruntermacht, sts sei jetzt dringende» Gebot, a» der Verfass«»«. wie sie i« W.imar beschlos,e« wnrde, festtu- halten. Ler Reichska»»ler wandte sich bann gegen die Hetze gegen den Reichs- prüsidenten, diejenige Periönlichteit die verfassungsmäßig da» Staatsober haupt ist. Man habe ihm, dem Reichska»»ler, verübel», daß er sich schützend vor di« Prr.ou be» N ichSprüsib-nt«« gestellt hab«. Ur H-ttl e» aber «ich» «nr für sei» gute» «echt, sonder« auch sür sei«e Pflicht, die» zu tn», den« der ReichSPräsrvent stehe «icht nnr über den Parteien, sonder« auch «»ßerhalb de» politischen Kampfe» und sei nicht i« der Lage, sich so z« verteidige», wie e» de« An griffe» gegenüber erforderlich würe. Bezüglich der Aufwertungsfrage erklärte der Rnchtkan ler, daß diese mit der Sta- bilisierung Zusammenhänge. ES sollte unser Bestreben s in, nicht wieder in eine neue In flaiion hinemmgeraten, aus der eS keine Rettung mehr geben würde. ES würde alles geschehen, um den Gläubigern zu ihrem Recht zu verhelfen, aber man dürfe nichts Unbilliges verlangen. Unter allen Umständen müßte an der Stabili sierung unserer Währung festgehalten werden. Der Reichskanzler bezeichnete dann die Politik der Mitte als dre einzig mögliche, die allein geeignet sei, den verichiedenen Forde- rungen von rechts und links in gerechtem Aus- gleich zu entsprechen. Am 7. Dezrmber habe jedermann die heilige Pflicht, »o« seinem Wahlrecht Ge brauch z« machen. Wer aus Lässigkeit oder F»teressel»stgkeit der Wahl fernbleibt, schädige Volk u«d Vaterland. Die Ausführungen des Reichskanzlers fanden lebha ten Beifall; besondere Ovationen wurden ihm bei seinen Erklärungen über den Rerchspräsi- venten darg. bracht. Mit einem Hoch auf den Reichskanzler »nd das Deutsche Reich schloß die Versammlung. * Essen, 30. November. Am Rau,mütag sprach Reihskanzler Marx im Städtische» Saalbau in Esten. Ter große Saal war überfüllt. Biele fanden keinen Ein laß mehr, doch wurde auch dielen die Rede de- Kanzlers durch Lautsprecher vermittel», die in den Gängen und Nebrnräumen ausgestellt waren. In seiner Rede sagre der San ler u. a.: Ich verlang« «ich» für die Regierung »no »och weniger für mich eine gute Kritik. Ich weiß, daß wir in London wenig erreicht haben im Gegensatz zu dem, was wir erreiche« wollten. Ich verlang: aber eine gerechte Kritik, und dis muß uns zuze iehen, daß wir nicht mit leere» Händen aus London zurück gekommen sind. Weshalb will man denn nicht wahr haben, daß wir in London wenigstens einen Anfang zum Bester» gemacht haben? Etwa weil die Delegierten, die in London, im Auftrage des Reichspräsidenten, die Verhandlungen führten, den Mrttelparteien angehörten, denen die sogenannte nationale Opposition den Kampf angesagt hat? Da» D«we»a bkomme«, darüber müsse« wir »n» klar fei», ist das A»«dameut, a«s dem eS gilt, die deutsche Wirtschaft Der Abschluß der deutsch-englischen Handels- vertragsverhandlnngen. Kompromiß in der Fruge der 26proz. Abgabe. Lo«do«, 1. Dezember. Die Verhandlungen mit der deut sche» Delegatto» über de» de»tfch»englische» Ha»belsverirag si>» »ach einer„Di«eS"-Mtl»»ng Vv« So»»»be»b z» E«be geführt worb«». Der Wottta«t be» Vertrage» ist anf einer Gun» Inge verrinbart worben, wonach Drntfchlnnb nicht nnr Mriftbegünsttgnng gewähr«, fonbrr» nnch gewtfse G«rnnti«n gegen eine «mterfchiebltche Behandln g nnd gegen Ein- f»hrbeschrä»kn«ge« geb«. Di« britische «egiernng übrrnehwe «» »«gegen, be« Parlament sobald wie «»glich eine Vorlage zn «»terbreite«, welche tzte Dentschlan» anferlegte» Befchrü», kn«ge» beseitigt, sodaß keinerlei nnttrschird- siche vrhonblnng gegenüber Dentsche« n»v «n- bere« Anskündern stattfindet. Den „Limes" zufolge bleibt die Krige der S6prozentigen Abgabe weiterhin offen. Eine Formel sei j-doch gefunden und in Beilin vorgelegt woiden, die es der deutschen Regierung gestatten werde, den Beitrag z» uuterzeichnen und ihn dem Reichstag zur Ratifikation zu unter- breiten, aber die Abgabesrage einer späte ren Regelung zu üerlassen. Die britische Regierung habe in dieser Hinsicht ihre Senetgt- hett geäußert, alle« in ch er Macht Stehende z« tun, um den Handeltoerkehr zu erleichtern. Sie müsse es jedot, ablehnen, einen Vorschlag in Er- väpung zu ziehen, der dem Grundsatz der Abgade selbst oder den Bestimmungen des Dawesberichte« «uwideiläuft. . . r r : . r. Reuler erfährt, daß nur noch ein Punkt in den deutsch-englischen Handelsvertragsverhand- lrmgen nicht geregelt ist. Man hofft, daß eine Vereinbarung darüber zu^avde kommt und daß da! Dokument Anfang dieser Woche unterzeichnet werde» kmn. Ein Kompromiß über die 2«prozrntige Abgab: wird jetzt erwogen. * Die i«1eraliierte Kivanzminister- ksNserenz. Loubou, 1. D«»e«»er. Me Vie „DimeS" melden, wirb Vie Kvn» fere«z der ulkiierteu Fiuuuzmt»ist«r tu Part» über tzte Berleilnng der Biu» künfle Vee N»hrbesetz»»g uub über die A«we»»«»g ve» Dawe»berich«e» i» diese« Fahre «icht «ehr ßattft»be«, svndem sie «st bi» E»be der erste« Fa- «»arwvche verschöbe» worb««, «« de» Bachverstü»»ig«e «ehr Zeit z» gebe», ei««« ein heitliche« v«richt vorzubrrrtt«». Me bereit» ge meldet wir» «icht erwartet, baß Ehurchtkl bei dies«, S*uferr»z aus ri»e safortig« Brütt«r»ng »er Frage »er l»tcralllierle» Sch»l- »eu »ringe« »er»«. E» schei»« fetzt ange»»»«,« z« weit»««, »aß »te flw«i»stsche >egi,r»»g selbst W ber Krage »er fn»»züjische« Schnlbr« a« »ie awerikaatsch« Segteraug herautrttt, «« bessere Zahl»«g»- de»i»g»»ge» al« bi» Ge*ßbrtta«»te« i« Fehr« 1022 gewährt«» für sich za erhalt««. Di« Franzose» wünscht«, nicht nn, etn« v«r«t»»«. rnng »er -nse». son»«r« anch L«g«stä»»»iss, hWk»chMch »er «üchahtnng »e» »«Pitt»». wi«»«r aaft«ba»«n, «m de« Verpsltch' t»«ge«, »ie wir «ach de« verloreur« Kriege ««« «i«mat überaomme« haben, nach Möglich keit «achz«kommr» nnd so auch zur große» politische« Freiheit «useres Volkes u«» La«de» zu getaugeu. Da» geht «icht vo« h««te auf «orze«, dazu brauche» wir Zeit, daz» brauche« wir aber a«ch ei«c« arbeits fähige« Reichstag, desie« große Partei«« ihre btste« »raste nicht i« ««frncht barer Opposition erschöpfe« oder pnsiiv beiseite stehe». Wenn Herr Hergt kürzlich in Breslau gejagt hat „innerpolitisch opponierten wir, aber außen politisch wollten wir Helfer der deutschen Regierung sein" so ist diese Art von außen- politischer Hilse, wie die Deurfchnational:« sie in den Monaten April bis August geleistet haben, doch mehr als eigenartig. Die Haltung der sogenannten nationalen Opposition hat unsere Stellung auf der Londoner Konferenz k-ineewegs erleichtert. Wörtlich jagte der Kanzler: „Arbeitsfähig nenne ich nur eine« Reichstag, »esse« große Mehrheit fest ent- schlojse« ist, de« »«»her i« der Außen- pvlttik versvlgte» «eg weiter»«- gehe». »«»«Abkehr vo» »tese« Weg« «ach« ich »icht «it. Di« Aar« Lirri« »»fern Anßrnpoltik darf k«i»«sfallS verwi cht werde». Ich habe die Hvffnnag, »aß doS demschr Volt am 7. Dejember i» dem gleiche« Ti««e ent- scheidrn wird, ««d wen« al-dau« di« Frage der Regier««g»erweiterung vo« «eue« a« >«S hera«tritt, so ist „tstheidrnd für »ie Lömnz i« erster L nie die sachliche Stel- lnngnahme »er Parleie« »« der bisher befolgte« u«d bewährte« A«ße«politik." Ten Grafen Westarp, der in Homburg be stritt, dem Zentrum eine aemeinsqine Polnik nut den Drutschoölkifchen zugemutet zu haben, ver wies der Reichskanzler auf Nr. 515 der „Kreuz- zerrung" vom 1. November. Tort hab: Graf Westarp selbst aukgerechaet, daß in dem auf gelöst:» Reichstag ein Rechtsblock von de« Deutschvölkischrn bis zum Zentrum eine Mehrheit von vierzig Stimm:» gehabt Härte, und f:shest llt, daß in di:ser Mehrheit Vie völkisch? Rechte genau über die Hälft- der Stimmen ver fügt hat e. Graf Westarp habe irr dem gleichen Artikel noch ein werteres interessantes Bekenntnis abgelegt. Man werde sich, so meinte er, damit abzunnden haben, d«7, wenn die Deutschnationalen in eine Koalition eintreten, ihre Minister drutsch nationale Politk treiben. Ich für meine Person, erklärte der Kanzler, lehne eS grund- jätzlrch ab, im Kabinett Parteivolrtik zu treiben, und ich glaube, Graf Westarp dürfte schwerlich eine Koalition find.», in der es deutsch- nationalen Ministern gestattet ist, deutschnationale Politik zu betreiben. Die Rede wurde von der Versammlung mit lebhaftem Beifall ausgenommen. Der Reichs kanzler wurde stürmisch begrüßt. Stresemanns Berliner Rede. Berlin, 1. Dezember. In einer Wahlrede im Großen Schauspielhaus, in der Reichsaußenminister vr. Streseman» für die Deutsche volkspartei zu sprechen hatte, wurde, nah einleitende« Worten allgemeiner Natur, auch di« Frage des Austritts der Sozial demokralen au« der Koalition behandelt. Hierzu wußte Herr vr. Stresemann folgende- zu sage«: r«e Sozialbemakrate» behaupte«, fi« feie« a«S ber KoaNtt«« heranägeganzr», »eil ich besohle» Hütte, grge» ble Kvmmnntße» v»r»»g«h«». »i« Staat, »er s«i»e Anlvri- »üt »icht b»rchfetze» ka»», ist »ich« wert, »aß er »«steh». Mr ha»«» «» »er Svalttt„ «ehr geltttr«, al» »i« Sozial»««* kratte »»» al» »t« Partei rn, »ie, ans Nagst vor Straf«, »ach link« ««ratscht stad. Mr hab«« »ri »«, Ntaiwahlr» rin Drittel »»lerer »»»»»«, Verlar«» Da«