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Staatsan^eiger für Erscheint Werktag« nachmittag« mit dem Datum de« ErscheinungStage«. Bezugspreis: Monatlich 3 Mark. Einzeln« Nummern 15 Pf. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 1457« Postscheckkonto Dre«den Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. den Zreiftaat Sachsen Ankündigungen: Die 32 ww breite Grundzeile oder deren Raum 30 Pf , die 66 ww breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf., unter Ein gesandt SO Pf. Ermäßigung auf Geschäft-anzeigen, Familiennachrichten u Stellen- gesucht. — Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, verkaus«liste von Holzpflanzen auf den StaatSforstrevieren. verantwortlich für die Redaktion: I. B.: Oskar Edel in Drrsden Dresden, Donnerstag, 2. Oktober Nr. 230 1924 Ter Abschluß der Londoner Goldanleiheverhandluukeu. London, 1. Oktober. Wie Reuter erfährt, >!«ben die v.rtrrter der Morgan-Gesellschaft und brr Bank von E.igland ihreUnterha«dl«ngtn über die deutsche Goldanleihe so gut wie abgeschlossen. Die Richtssachverständtgrn der Bank von Eng. land Haden «bestätigt, daß die Bedingungen der Anleihe mit dem DaweSbericht und dem Lon doner Übereinkommen im Einklang stehen. Der amerikanische Anteil an der Anleihe ist endgültig auf 1VV Millionen Dollars festgesetzt worden. Di« Anleihe wird wahrscheinlich Mitte Oktober i« allen Ländern zu gleicher Zeit auSgegeben werden. Der endgültige Verteilung»,chlüfjel ist noch nicht bestimmt. Die britische Quote wiirde wahr scheinlich zwischen 1« und 13 Millionen Pfund Siering betragen. Augenblicklich unterhandeln holländische, Schweizer und schwedische Bankiers mii dem Reichsbankpräsidentcn vr Schacht in London. Tie französische Antwortnote betreffend die 2ttprozeutige Exportabgabe. Berlin, 1. Oktober. Tie von der französischen Regierung am 30. September der deutschen Botschaft übergebene Antwortnote betreffend 26prozentize Exportabgabe lautet in deutscher Übersetzung: Die französische Regierung hat die Ehre, der deutschen Botschast den Empfang der Rote vom 26. d. M. zu bestätige», die sich aus die In. kraftsetzung des französischen Gesetzes vom 21. April d. I. bezieht, das eine 26- prozentige Im Portabgabe auf deutsche Erzeugnisse legt. Diese Maßnahme erscheint der franzöjijcheu Regierung durchaus in Übereinstimmung mit dem Geiste deS Lawesplanes und der Londoner Abmachungen. Der Dawes- plan hat tatsächlich die Art eines Transfer, der aus der Anwendung des Reparativ iS-Recoverh- Akt sich ergibt, gebilligt und hat nirgends fest gestellt, laß diese» System nicht auch durch ander« alliierte Signatarmächtc augrwenvet werden könnte. An dcrseitS spricht derArt. 7 Anlage 3 deS Londoner Protokolls wörtlich von den Einnahmen, die sich ans dem englische« Reeovery-Akt oder ähnlichen Maßnahme« ergebe«, die durch die übrigen allierten Regierungen etwa getroffen werde« »»nuten. Ma« kann auch nicht aunehmen, daß die Berfasser dieser Bestimmungen etwa der Auf fassung gewesen wären, daß die Regierungen, die gewillt sei« würden, einen Rrroveryakt ein- zuführe«, diesen etwa «ur in der kurze., Über gang-Periode anwenden wollte«. Es gehört jede«sallS zur ZnstSudigkeit deS Tra«sjerkomi,ees Igemäß ««läge «84» deS Dawetzplanes), den Zahlungsplan z« regeln für die Zeit, die der Übergangsperiode folgt. Im übrigen ist die französische Regierung davon überzeugt, daß die Verordnung vom 18. September 1»24 weder dem «eist ihrer Entsteh»«« nach noch dem «eist ihrer A«wend«ng nach «ine Gefährdung de» wirtschaftliche« Gleichgewicht» Deutsch- laud» darstellt. Der von diesrr Abgabe z« erwartende Ertrag ist auf Grund der Zollstatifiiken der erste» sieben «onate te» Jahre» auf »so 000 Goldmark im Oktober und auf zwei bi» drei Million,» Goldmark für den Monat in der Folge errechnet worden. Soweit e» den französischen und deutschen Handelsverkehr betrifst, kau» daher eiue schädliche Rückwirkung der Abgabe weder auf da» wirtschaftliche Gleich, zewicht Drutschlaud» «och auf die Lurchführung de» SachlieferuugS- Programm» auerkanut werden. Di, fra»Msche Regier««« tst dahrr d»r A«- sicht^ daß der für di, Inkraftsetzung der v,r- orduung vorgesehene Aufschub dou zehn Tage« für den Rückzahlnnggmodn» völlig au» reicht und die deutsch, Regilrung in di, Lag, vkrsrtzt, aus ke« sra»z»sisch,u Handel di, gltiche« Bestimmunge« anzuwendru, di, von ihr getroffen wurd,n, um rin gutrs Funktio. ni,re» d,S englischen Retoveryakte» sichcr- zustellen Die französische Regierung be rü'^t mit Freu), die versichern.g der teutjche» Re- giernng, daß alle notwendigen Maßnahme» in dieser Hinsicht getrosse» sind und versichert ihrerseits, daß sie mit Wohlwollen all« An- regunge» prüfe» wird, um di« Reg«. lu«g dirser Abgab« de» v«dürf«isst» deS deutsch.sranzösijchen Handelsver- kehrS anzupassen. Der neueste Dorschlüg zur Lösung der Regierungskrise. Reichskanzler Marx wünscht eine Regierung non den Teutsch nationalen bis zu den Sozialdemokraten. Herlin, 1. Lltober. Die Besprechungen deck Reichstanzlers llr. Marx mit den Parteien über die Krage der RegierunftSerweiterung nehmen, wie verlautet, am Donnerstag nachmittag mit einer Konferenz der Führer der Re gierungsparteien beim Reichskanzler ihren Anfang. Am «Freitag soll dann eine Besprechung mit den Sozialdemokraten und am SonnabendeineKonferenzmitdenDeutschnationalen folgen. Tie Ausnahme des Kanzler- Vorschlages. Verärgerung der Rechtspresse. Be rli n. 2. Oktober. Durch den Vorstoß der Deutschen VoNS- partet ist eine neue Regierungskiise eröffnet worden. Jetzt, nachdem das Kabinett Marx das Londoner Abkommen mit den Regieiungen Mac« donald und Herriot geschlossen, ist eine neue Krise eröffnet und es besteht die Gefahr, daß die Feinde jeder Ersüllungspolilik, die Revanchepoluiker und offenen Monarchisten die Ausführung dieses Abkommens in die Hand bekommen. Nun haben die Deutschnationalen ans ihrem Vert'.elcrtag eine Entschließung gefaßt, nach der sie bei den in Aussicht gestellten Ver handlungen über ih,en Eintritt in die Regierung „sich nicht versagen" wollen. Die Formulierung ist so gewählt, als ob man ein ungeheures Opfer von ihnen ermattete. Dabei weis aber jedes Kind im Lande, daß sie mit ollen Fasern ihres Herzens „ ur Futterkrippe" drängen, daß sie den Zeitpunkt nicht erwarten können, der sie mit Ministelämte-n beglückt. Reichskanzler Marr jucht sich nun m dieser Lage auf besondere Art zu Helsen. Ec eröffnete Verhandlungen nach beiden Leiten. Er will die Sozialdemokiatie wie die Deutsch nationalen zum Eintritt m die Regierung über reden. In einem Interview, das er der .Ger mania" gewährte, betonte er, die Zeit „zur Zu sammenfassung aller nationalen, wirtschaftlichen und gesellfchafrlichcn Kräfte" sei gekommen und er werde versuchen» «auf dem Boden be stimmter Richtlinien" alle Parteien zu- sammenzuführeu, die willens seien, dem Volke den Weg in eine bessere Zukunft zu bahnen: „Man kann nicht »erkenne«, baß eg t» letzt,» Jahr, ohne di« «ntschtideid« Uri ter» stütz««« brr jozialdem»Ir»t«fche» Fraktion nicht möglich gewefe« wäre, d«rch die der Regier««« gegebene Erwäch. tigung auf dem Verord«»«gswege De«tfchla»d vor dem wirtfchastliche« und soziale» Chao» z« b,wahr,« ««d ferner di« »»> der Re gier«».!, geführte Politik hinsichtlich de« Gach. verstä»digengutacht,»s «nd der L»«d»»er Ab- machnuge« zu sichern. Ich erachte e» dar»» al» meine Pflicht, an die G»tialde«»- Iratie he ranz« trete» und sie z»r Mitarbeit in der R«ichsregi,r«»g «ujz»f»rb»r»." Anderseits aber „begrüßt" Marx den Beschluß der Deutschnationalen, „fortan nicht mehr abseits zu stehen". Die Verbindung der Deutsch nationalen und der Sozialdemokratie mit den bisherigen Mittelparleien ist ihm die „wahre Volksgemeinschaft", eine andere ist für ihn nicht denkbar! Über diese Andeutungen fällt nun di« deutsch- nationale Presse in vollem Zorne her. Die „Kreuzzeitung" versichert, daß „die Deutsch, nationalen unter dteies kaodinische Joch nicht kriechen" werden, vielmehr könne es gar keinem Zweifel unterliegen, daß die Temschnationalen auf einem Rurswechfel in der Innen- «nd Außenpolitik bestehen würben Deshalb müsse di: Partei „ebenso vorsichtig wie skeptisch allen Angeboten und jedem Ansinnen genenübertreten, das an sie gestellt werden sollte". Auch die „Deutsche Tageszeitung" versichert, daß man auf der Rechten kaum damit rinoerstanden sein würde, sich einer „Tyrannei" des Wirth-Flügels bedingungslos zu unterwerfen. Im übrigen widerspreche die Absicht des KanflerS ganz und gar den Absichten der Volkspartei, die doch gerade m ihrer bekannten Entschließung die Sozialdemokratie als regierungsunfähig bezeichnet habe. * Demokratisches Mißtrauen. Der Schlüssel der Lituatio« liegt beim Zentrum und den Demokraten. Im „Berliner Tageblatt" schreibt I)r. Ernst Feder über die jüngste mnenpolitiich- Situation: Di« Teuischnationale Volkspartei hat gestern fest- gestellt, daß die Gulacbtengesetze „zur rechtlich bindenden Norm" geworren sind und daß dies zweite Versailles jetzt „der Durchführung be darf". Das heißt also, daß erfüllt werden muß. Eine Bemerkung vorweg. Uns scheint dreie selbst- verständliche Feststellung, daß Deutschland die von ihm eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen hat, gilt ohne Rücksicht auf die Zusammensetzung der Regierung, ohne Rücksicht darauf, ob die Deutsch- nationale Volk-Partei im Kabinett ist oder nicht. Die Deutschnationale Vollspartei hat sich zu jenem Satze bekannt in der Hoffnung, daß sie in die Regierung kommt. Ter Satz be- hält aber seine Richtigkeit, auch wenn sie in der Opposition bleibt. Trotz aller Vorsicht in der Formulierung hat somit der Bertretertag der für den Fall einer Ab age angedrohten „schärfsten Opposition" die Waffen gestumpft. Also deutsch, nationale Erfülluugspolitik? Wirklich? Der Widerjpruch gegen di, Politik d,r I»y«It» Erfüllung znm Zweck der Befreiung war vorher f» laut, und die jüugsten Ver handlung,» sind so ltis, g,führt worden, daß «ehr al« »in Fragezeichen gefetzt «erden mnß. Da» führende Berliner Ze«tr«m»,rga> hebt in seine« heiligen Leitartikel mit Recht her»»r, daß „««fer ehrlicher Erfälluugswille nicht verdächtigt werden darf", und daß jede Zweideutigkeit, wie sie au« de« Zusatz der dentfchuanonaicn Entschließung über die „A«»leaung, Handhabnng nnd verbeffernng »er Gesetze" sich ergibt, vermieden werden muß- Die Deutschnationalen haben sich hermetisch ab. geschlossen. Sie haben die eigene Presse aus dem Sitzungssaal hina»«komplimentiert. Kem Mensch weiß ayo, wie die Erfüllungspolitik auszulegen ist, die von ihm gestern anerkannt worden ist. Fest steht nur ein«: sie wollen in die Regierung. Am 2S. August haben sie 48 Überzeugungen geopfert, damit der bittere Kelch der Neuwahl an ihnen vorbeiaebe. Heute bieten sie auch den Rest ihrer Überzeugung an, um zu dem süßen Trank der Macht zu gelangen. Taran ist nicht mehr zu zweifeln, daß die Deutsche Bolkspartei alles aufbieten wird, um ihnen diesmal ans Ziel zu helfen. Auch von den einzelnen Minislerposten wird schon geredet. Ein deutschnationales Blatt verlangt heute morgen den Vizekanzler, den Innenminister, den Verkehrs- Minister und den Wirtschaftsministec und kommt damit der Wahrheit vermutlich näher als eine dem Zentrum nahestehende Korrespondenz, nach der von deutschnationaler Seite außer dem Vizekanzler und dem Innenministerium noch Justiz, Arbeitsministerium und Ernährungs- Ministerium verlangt wird. Herr Scholz, der ebenso wie Herr Garnich etwas unvorsichtig d e weiteren Ziele der angestrebten Koalition aus- plaudert, hat in Königsberg bereits den Temo- kraten vorgehalten, daß sie sich die mit der Leitung von Reichsbank und Reichsbahn betrauten Parteifreunde Schacht und Leser anrechnen lasten müssen! Aber »S sch,i»t uns etwas voreilig, Per- soneafragen zu behandeln, ehe die Sache entschied,« ist. Trr Schlüssel der Situation ist nicht mehr i« den Händen der Deutsche« Volkspartei. Er ist bei de« D e m okr at en und beim Zentrum. * Eine sozialdemotralifche Aevßeruvg. Berli«, 2. Oktober. Ler „Sozialdemokratische Parlamentsdienfl" schreibt: Die Berhausluugr» zwischen Marx und Hergt mögen recht dramatisch werde« oder vor vorn herein im Sande »erlaufe« — die Sozial demokratie hat jelbstverständlich gar keine Ursache, sich ihretwegen den Kopf z» zerbreche». Sie hat sich bisher nie zur Regier»«- gedrängt «nd sie wird auch i« Zukunft ihre Haltung ab hängig machen von dem Programm, da« befolgt werden soll. Daß innen, «nd außen politisch die sozialdemokratische Mei nung das Gegenteil der konseroativ- dentschnationalen ist, wird ja auch dem Kanzler nicht «nbekan»t jein. Tas demokratische Frankreich, wegen die Regierungsteilnahme de» Deutschnationalen Berlin, l. Oktober. F« der heutigen Sitzung der deutschen Liga für Meuschenrechte erklärte Pros. Viktor Basch vo« der Sorbonne in Paris, das gesamte de mokratische Frankreich sei heute bereit, einem demokratischen Deutschland die Hand zu reichen. Alle wahren Friedens freunde hielten e» für emen unverzeihlichen Fehler, daß Deutschland jetzt die Kriegs- schuldfragc wieder aosrolle nnd noch nicht in de» Völkerbund ei«zetret,n sei. Hierauf sprach Hclmut »Gerlach, der die dentsch- französische Verständigung al» da« Kernplobtem der enroptijchen Politik bezeichnete nnd sich gegen den Eintritt der Dentschnationalen in die Re gi,rnng wandt,. O In der genizen Kundgebung der deutschen Liga für Menschenrechte, in der d:r französische Professor Victor Basch sprach, teilt: der Vor sitzende der Versammlung mit, daß die Polizei in Nürnberg den für Montag ange setzten Vortrag von Professor Basch verboten habe. Gegen dieses verbot erhob die Versammlung lebhaften Protest und beschloß eine Pro!estlunsg?bang an den baye- rischen Ministerpräsidenten Held. Unverantwortliche Hetzereien. Vin deutsches „Vaterunser". Hamburg, 2. Oktober. Bei der Siah.helmfeier in Al ona ist es offen- bar ganz toll zugegangen. Nach der Festpredigt de« Dompredizers Martm, M. d. R., wurde auch ein „deutscher Vaterunser" gebetet, in dem esu.a. hieß: „und »ergib «>» «ajere Lchutv uud habe Geduld, dis wir uusere Feinde bekämpfe«". Mi« dem Geist des Vaterunser Jesu Chri ti bat dieses Stahlhelm - Vaterunser nickt« gemein. Die Haltung de- deutschen Episkopats zu dieser Organisation wird darum wohl sekündlich. Bei derselben Feier hielt General a. D. Freiherr