Suche löschen...
Sächsische Staatszeitung : 06.09.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480732469-192409066
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480732469-19240906
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480732469-19240906
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Staatszeitung
-
Jahr
1924
-
Monat
1924-09
- Tag 1924-09-06
-
Monat
1924-09
-
Jahr
1924
- Titel
- Sächsische Staatszeitung : 06.09.1924
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
— ESchstsch« «taat-ieituttg — Sonnabend, 6. September 1224 In der Nachmittagisitzung erhält der telzische Mixisterprafident ThenxlS das Wort: Ein wahrer FriedcnSzustand ist mit der Unterzeichnung von Vertrügen allein noch nicht geschaffen. ES bedarf des gegenseitigen Vertrauens unter den Völkern, des Vertrauens, das im Ge» sühl der Sicherheit wurzelt. Belgien war schon vor dem Kriege eine der pazi- fi stiften Nationen. Unser RüstungS- bndget ist schon heute a-f das Minimum ein geschränkt. Tie im Palt gegen den Angreifer vorgesehenen Sankiionen sind letzten Endes doch auch solche müilärischer Art. Zweifellos können an diesen Maßnahmen einige Staaten nicht teil- nehmen. Tas nngeschiitztc Belgien hat in Erinnerung der Ereignisse deS letzten Krieges ein Recht auf den wirksamen Schutz des Völkerbundes. Der Garantiepakt-Entwruf, dem wir im Prinzip unsere Zustimmung gegeben haben, ist sicherlich nicht ohne Fehler. Ich glaube im Namen aller Keinen Staaten zu sprechen, wenn ich sage, daß wir nichts als Sicherheit verlangen, ohne uns auf diese oder jene Form von Anfang an festzulege«. Als Vertreter der Kleinen Entente und als Berichterstatter über die Frage des Garautiepaltes sprach der tschechische Außenminister Benesch. Er erinnert gleichfalls an die Resolution 14 der dritten Völkcrbunrstagung, die eins unmit'clbare Hilfeleistung für den Fall eines Angriffskrieges fordert. Wir heben eine Rundfrage b.i den einzelnen Staaten veranstaltet, um ihren Stand- punlt zu d:nr Garantirprcjekt kennen zu lernen. Die Kritik hat uns borgen ocfen, daß d'escs Projekt zuerst au das System der alten Bündnispolilik erinnert und daß die Defini tion des Angreifers eine bedenkliche und langsame Angelegenheit ist. Man tann aber nicht ein fach ab rüsten, wie manche Staaten fordern, weil der Stand der modernen Technik von heute zum Beispiel hochentwickelte Industrieländer ohne weiteres in den Stand setzt, in kurzer Zeit ihre Rüstungen zu vervollkommnen und die industriell schwächeren Länder zu vernichten. Wenn man auch außer der Schiedsgerichtsbarkeit andere Maß nahmen zur Verhinderung internationaler Streit fälle ergreift, wie Entmilitarisierung der Grenz zonen oder besonderen Schutz gefährdeter Grenzen, so bleibt immer wieder dis Frage: Mas tun wir, wenn trotz der über» «ommeueu Verpflichtung ei« Staat zu den Kaffe» greift? Für dieses Problem gibt rS bau« »ur eine Lösung: die militärische Sanktion. Wenn man im Falle einer Verletzung abge schlossener Verpflichtungen durch einen großen Staat einem kleineren Staat gegenüber dazu kommen würde, der Großmacht gegenüber dicse Sanktionen anzuweuden, das würde erst den vollen Erfolg des Garantiefystems und zugleich das Heil der kleinen Staaten bedeuten. Znslimmuug des französische« Kabinkttßrats. Paris, K. September. Ten Mitgliedern des franzöjischcn Kabinetts und andcrc» Mitarbeitern des sranzöfischcn Ministerpräsidenten wurde am Freitag dieRcde Herriots in Genf drahtlos übermittelt. Tic Verständigung war so deutlich, Laß man sogar das Beifallklatschen und die Zuruse der Hörer vernehmen konnte. Tie Versammelten sandten Herriot ei» Telegramm, in dem sie Ihr, -re«»- »der de« Beifall mit de« seine Siede »«fgcurmmen «orde« Mir, au», drü Sten. Die Presse ist von der Rede Herriots sehr befriedigt und fühlt sich namentlich durch den außerordentlich herzlichen Empfang und den starken Beifall geschmeichelt, der dem fran zösischen Ministerpräsidenten gespendet wurde. * Um die praktische Verwirklichung deö Schiedsverfahrens. Die Tagesordnung der Völkerbunds- Versammlung. Genf, ».September. Ter heutige Verhandlungstag der Völkcr- bnndsversammlung hat in der Sicherheits- und Garantiepaktfraze bereits wichtige Anregungen gebracht. Drei wesentliche Punkte stehen zur Verhandln»?, erstens Schiedsverfahren, zweitens wirtschaftliche «ud finanzielle Sanktionen, drittens militärische Sank tionen. Über die Veidt« erstc« Punkte sind sich alle einig; nur gegen den dritten Punkt er heben die Engländer Einspruch. Nachdem die sechs Redner, die noch morgen zu dieser Frage sprechen sollen, sich ebenfalls zu den drei Pro blemen geäußert haken, wird der dritte Aus schuß ter Versammlung, ter die Frage der Rüstungsbeschränkungen zu brarbclte« hat, eine Überbrückung der Kluft finden mässe«, die zwischen tun Anhänger» und Gegnern militärischer Sanktionen klafft. Man glaubt, taß Villen Einwände» gegen den Garantie palt die Spitze abgebrochen werden könnte dadurch, daß ihm nnnmehr das Schieds verfahren angcgliedert wird. Ein grund- fätzliches Ergebnis dürste vorläufig feststehen. Tem Schiedsverfahren solle eine Rolle cin- geräumt werde». Tie Frage, um die sich alles dreht, ist jedoch, wie der Schicdsgrdanke praktisch verwirklicht wird, wie er sich durchsetzt oder wie weit er durch militärische Buudnissc oder das Lanktivn-system gelähmt wird. Auf der Tagesordnung der Völker- bundsversammlung stehen u. a. noch fol gende Fragen: Hat Polen das Recht, Tanziger Staatsangehörige aus be- sonderen Gründen aus Polen auszu- weisen, obgleich Danzig den polnischen Staats angehörigen gegenüber in einem besonderen Ver trage auf das unbedingte Ausweisungsrecht ver zichtet hat? Ferner steht zur Verhandlung die Streitfrage, ob Polen berechtigt sei, das Eigentum von in Polen ansässigen Danziger Staatsangehörigen zu liqui dieren, wie das in mehreren Fällen geschehen ist. Der Rat wird sich mit diesen Fragen am Dienstag beschäftigen. Kei« nnvkrsöhnttcher Gegensatz. Paris, 5. September. Ter Berichterstatter der Agentur Havas schreibt aus Genf: Nach Turchsicht des vollständigen Textes der Rede Macdonalds habe die französische Dele gation den Eindruck gewonnen, daß zwischen dem französischen und englischen Stand punkte kein unversöhnlicher Gegensatz bestehe. Macdonald habe seinerseits erklärt, zur Sicherung deS Friedens genüge nicht militärische Macht. Die französische Delegation füge ihrerseits hinzu, auch das Recht allein genüge nicht zu diesem Zwecke. Es gelte also, eine Formel zu finden, die den Gedanken deS Schiedsgerichts mit dem System der Unterstützungen und Sankiionen verschmelze. Sicherlich werde die Völkeibunds- Versammlung nicht auseinander geh'«, ohne die Grundlagen deS Sicherheits- unr Entwaffnung-- planes entworfen zu haben. * Für die Einladung an Teutschland. Die Anfaffttug Lloyd Georges. London, 6. September. Lloyd Georges Blatt „Daily Chronicle" sagt: „Man dürfe annehmcn, daß zum mindesten die konkreten Vorschläge des britischen Premier- Ministers sofort von seinem französischen Kollegen gebilligt worden seien. Diese Vorschlags seien die Einladung an Deutschland zum Eintritt in den Völkerbund und Plan für eine internationale rüstungSkonferenz. Kenn die Siulabrmg heute vo» Herriot begünstigt werde, würde endlich die Tür dcs Völterbnndrs für dcn Eintritt Teutsch- lauds offen stchcn. Hoffentlich würdrn keine reaktionären Einflüsse in Deutschland den Reichskanzler abhalte», sein Gesuch nach Gens z» richten. Mas die Abrüstungskonferenz betreffe, so wiirdc es am besten sein, wcnn die Regierung dcr Bereinigte« Staaten vo« Amerika eine Ein- lad«ng dazu ergehen Keße." Der Genfer Sonderberichterstatter der „Times" schreibt: Macdonald habe zweifellos seine Zuhörer milgerissen. Aber es sei zweifelhaft, ob die Reds sehr viel zum Problem der Abrüstung beigetragen habe. Was die Frage des Eintritts Deutsch lands in den Völkerbund an gehe, so glaube man in Genf, daß Frankreich viel leicht bereit sein werde, zuzustimmen, daß aber die Schwierigkeiten wahrscheinlich bei Deutschland liegen würden. * Deutschland und der Völkerbund. Berlin, 5. September. Die Erklärungen Macdonalds siud iu Gcnf und auch anderswo so anfgcfaßt wordcn, als ob Deutschland noch in dieser Tagung dcm Bund beitrcte. Tem müßte zum mindesten vorher eine Fühlungnahme zwischen dcn hauptsächlichsten Mächtcn vorangcgangcn scin. Tatsächlich ist cine solche Fühlnugnahme Mardonalds mit der deutschen Regier nng nicht erfolgt und ein unmittclbarcs Echo ist schon deswegen nicht zu erwarten, well die beiden maßgebenden Reichsminister noch für einige Zeit von Berlin abwesend sind. * Beitritt Amerikas? Genf, 6. September. In hiesigen informierten Kreisen verlautet, Amerika beabsichtige, in kürzester Frist dem Völkerbunds beizutreten. * Verstimmung der Kleinen Entente. Prag, 5. September. Die Staaten der Kleinen Entente sind von der Rede Macdonalds nicht entzückt. Das amt- liche tschechoslcwakische Pressebuleau veröffentlicht einen Kommentar zur Rede, in dem es heißt: Macdonald verblieb im Kreise der pazifistischen Ideologie ein« bereit« gesicherte« Staates und zeigte kein Verständnis für di« beson- deren Verhältnisse der kleinen Staaten, deren Existenz und Sicherheit nicht verbürgt wer- den kann. Ta« b. deutet nicht, daß Macdonalds -ußcnmgcn nicht Anregungen enthalten, welche die Grundlage einer Diskussion und weiter.» Entwicklung der ganzen Frage bilden könnten. Macdonalds Rufs nach einer Zusammenarbeit mit Amerika, Deutschland nnd Rußland auf dcm Boden des Völkerbundes und sein Verlangen nach einer allgemeinen Annahme der Schiedsgerichts barkeit sowie scin Vorschlag einer internationalen Abrüstungskonferenz werden den Gegenstand von Verhandlungen der zuständigen Völkerbuud.'kom- Mission bilden. Eine andere Frage i't, ob ein Ausweg aus dcr durch die Rede Macdoualcs geschaffenen Lage in der Garantiefrage ge- funden und das Grundproblem gelöst werden wird, das von der jetzigen Tagung der Völkerbundsvcrsammlung gelöst werden sollte. Der Standpunkt Macdonalds i» dieser Frag: hat bei einer ganzen Reihe von Tclega- Konen eine sehr große Verstimmung her- norgcrufen und nm so mchr überrascht, als Macdonals sonst den bejahenden Standpunkt seines Startes gegenüber drm Völkeibund vertrat und die Notwendigkeit, die Bestimmungen des Palles durchzusNhren, betonte. G „Ein entschiedener Fortschritt zu verzeichnen." Der Eindruck in französischen Kreisen. Paris, «. Stptcmbcr. Kie der Sonderberichterstatter des „Pctit Parisicn" aus Genf mcldet, geht dcr Eindruck in sranzösifchcn Krciscu dahin, daß in den Vcr- haudllmgcu dcs Völkerbundes bereits cin cM- schicdcr Fortschritt zu vcrzcichnen sci. Tcr Grundsatz drSobligatorischcnSchicds- gerichts, dcn Hrrriot iu London zum Sicgc führte, sand schon jctzt einstimmige Billigung aller Teilnehmer. Auch die Frage der Sanktionen, die von der dcs SchicdsgcrichtS- entwurfS gctrennt werden könne, sci in klarer Mcise aufgeworfen wcrdcn. Man sei sich jctz- darüber einig, durch dcu Vö'kcrbuud cine a>1 gemeine Entwaffnungslonfcrcnz cin- berufen z» lass.«. Es sei aber ebcuso sclbstvcr- ständlich, daß die Verpflichtung zum Schtcds- gericht und die Verhandlungen über die Ent waffnung mit der Sichcrheitsfrage cug vrrkuüpjt feien. Es Hande sich jetzt darum, die näher.-» Eiuzclhcitc« dieser Frigc» zu untersuchen. Tas sei cine Aufgabe, deren Bewältigung Sache dcr dritte-! Kommission se u wür^e. Sie dürste sich bo» Montag ab mit dcm grsamte» Material vr- fajsea, das sich darüber im Lause von virr Jahren angchäuft habe. Zustimmung der englischen Presse. London, 5. Septrmber. Tic englische Presse widmet dc« Ertlärunzc» ihres Premierministers lange Artikel. Tadci wird mehr die Mutung der Rede »ntcrstrichc», als in eine kritische Würdigung cingetrctc«. Zu wesentlichen Punkten, wie dcr Auf nahme Deutschlands und dcr Ein berufung einer Abrüstungskonsercuz, äußert sich die Presse aber zustim mend. Als das dringendste Problem wird die Einberufung einer AbrüsinnLSkonferenz bczctchuct, von dcrcn Gelinge» sehr wczentlich der wcitcrc Aufbau abhängig fein wcr-e. „Die Fahrt nach Orplid". Erstaufführung im Neuen Theater. Himmlische und indische Paradiesesschnsucht ist der Inhalt dieses „Schauspiels unter Auswande rern". Wilhelm Schmidtbonn, der im „Geschlage nen" dcn Sieg dec Tcmut kündete, singt hier das Hohelied der Metaphysik. Zwanzig Auswanderer sind auf diesem Segel schiff, das na h Peru geht, mit viel Idealismus und viel Verworfenheit als Fracht. Eurcpamüde, die sich drüben ein Leben des guten Anfangs er schaffen wellen; cm Leben der Brüderlichkeit, der Natu'.hafligkeit, des gleichen Rechts. Aber sie bringen Europa an den Schuhsohlen mit. Besitz gier, Haß, 1ier:«cher Trieb hindern di; reine Aus wirkung des Zocals. Tcr Führer ist eutschtosssn, nach Europa zurückzukehren, will die Geworbenen ihrem Schicksal überlassen. Nur über dcn Einen, Orphal, hat dis Erfolgfragr keine Macht. Tenn sein Ziel ist nicht Peru, nicht dicse oder jene konkrete Zufaltsoerwirklichung: er ist ein Bürger Orplids, dcs uneischaffenen Landes der ungetrübten, hohen Sehnsucht. Symbolhaft stirbt er, gleich feinem Weibe, vor der Erreichung des höchst problematischen Landungszieles, indes sein lcbrnsheißes Kind sich zn dem jungen Defraudanten, dcm Realisten uud Lebenskämpfer, sind:! und den übrigen Gefährten das Ziel um so weiter in die Ferner rückt, jr mehr sie sich ihm nähern. Tenn nun erst wissen sie: der Mensch trägt sein Paradies in sich selbst und dessen äußere Gestaltung ist nur Niederschlag der eigenen Güte. Tas alles ist sehr schön ersonnen, wenn es auch an sich nichts Neues gibt. Da? Neue könnte in der Formkraft einer Kunst liegen, di: sich be- Harrlich der Region des Symbolismus zu nähern trachtet. Aber bis dahin ist ein weiter Weg. Was hätte Maeterlinck aus diesem Stoff ge- macht! Mit der „Fahri nach Orplid" hat das Reu- Theater seine Winterspielzeit eröffnet. Es war eine Aufführung, die sich sehen ließ und zu Hoff- nungen berechtigt. WernerRafael als „Gottes liebster Fahrgast" Orphal ist ein Idealist voll Mark und Schwung, ein kühner Brückcnschlagcr nach dcm Reih des Unsichtbaren. Da; Erdkind Sanna, hin- und he.gerissen zwischen Pflicht und Liebe, wird in Gertrud Spaltes Darstellung aus einer Theseufizu: zur belebte» Gestalt. Die gütig weise Fran Orphal, die der derben Verwirklichung so sehr mißtraut, daß sie vcr ihr frühzeitig die Augen schließt, gibt Lisa Hellwig mit ver- sichender, zart abtönender Diskretion. Für die hahnebüchene Knabenhaftigkeit dcs „Jungen Men schen" ist Rolf Jahn, der ihn zu spielen hat, nicht zur Verantwortung zu ziehen. Der Säufer, der sich zum Menschen bekehrt (Walter Strom), macht sich im Rahmen der an sich dünnen Hand lung viel zu breit und fällt allmählich auf die Neroen. Ter sonst sehe umsichtigen Regie (Willy Loehr) wäre hier eine gewisse Dämpfung und Zusrnnmcndrängung zu empfehlen. Mitschke- Collande schuf ein malerisches Bühnenbild. Der Erstling des neuen Spieljahres der strebsamen Bühne wurds gut ausgenommen. M. A Staatsopcr. In Bizeis „Carmen" sang gsstem dec neur .Barilonist Josef Correck eist- ! malig den EScamillo (Leitung: Kotzschbach). Wie bei seinem Gastspiel als Hans Sachs siel auch hier wieder die weiche, herzwarme Stimme auf, die mehr für lyrische Partien geeignet erscheint und hier bei drr Zwiesprache mit Carmen ihre schönsten Töne fand. Es tut nicht gut, solch ein melodisches Instrument Gefahren aukzusetzen. Ter Torero verlangt schon bei seinem Auftnltslied metallene Kraft, die das Organ vorläufig noch nicht geben kann, vielleicht auch nicht zu gebe« braucht, da wir genügend Vertreter für diese Partie haben. Die Darstellung ließ eb:«falls mehr auf einen ritterlichen Minnesänger schließen. Sohoffen wir, Josef Correck demnächst als Wolfram, Liebenau usw. zu hören. Um seinetwillen könnte auch Neßlers „Rattenfänger" wieder ans Rampenlicht gezogen werden, oder Kreutzers „Nachtlager". Neu war noch Charlotte Schrader als Frasquita. Ihr Sopran hat sich prächtig ent wickelt und überlichtete manche Ensemblestelle mit Hellem Glanze. Auch bei dem Kartcnduelt (mit Frl. Haberkorn) zeigte sie sich taktsicher und ge wandt. Tino Pattiera, der erstmalig in dieser Spielzeit drn Josö sang, stattete di; „Vlnmenarie" mit seclcnoollem Klangzauber aus, sodaß spontaner Beifall bei offener Szene losbrach. Irma Ter- vani bat ihr Bestes mit der farbensakten „Todes- verkündigung" in der Kartenszene. Sehr cin- dringlrch wirkten die Tänze, hingegen bedürfen einzelne Ensembles der musikalischen Auffrischung. H. P( Tie Tochter des Ehrenbürgers. Die gestrige Berliner Sladiverordnelenoer- sammlnng beschäftigte sich in ihrer nichlöffcnilichen Sitzung mit einer Unterstützungsangelegenheit, die auch für weitere Kreis: Interesse haben dürft;. Es handelte sich, wie das B. T. berichtet, um die jüngste Tochter eines früheren Ehren bürgers von Berlin, die sich in größter Not befindet. Sie ist über 50 Jahre alt, leidend und daher nicht imstande, einen Beruf auszuüben. Infolge der Inflation ist ihr Vermögen voll ständig verloren gegangen oder ertrag los ge- wordeo. Auch das Abvermielen von Zimmern bringt ihr keinen namhaften Gewinn mehr, und sie müßte der Wohlfahrtspflege anheim- fallen, da sie von keiner Seite Unterstützung zu erwarten hat. Tie Stadtverordnetenversammlung bewilligte der Dame, gemäß dem Antrag des Magistrats, eine widerruflich laufende Unterstützang in Höhe voir 225 M. monatlich. Tas ist nicht viel, aber eS dürfte wenigstens ausrcichcn, die Tarne vor der größten Rot zu schützen. Wir wollen nicht vergessen, den Namen des Vaters der Dame, eines um Berlin besonder« verdienten Mannes, zu nennen. Er heißt: Rudolf Virchow. (Es ist gewiß im höchsten Grade bedauerlich, daß eine Hinterbliebene Rudolf Virchows Not leidet. Aber der Hunger, de» die 50jährige, erwerbs unfähige Tochter des Schleusenwärters Schulze leidet, ist wahrscheinlich sciucr Besitzerin auch nil t angenehmer. Ihrs Chancen, cine forllaufende Monatsreute von 225 Mark von der Stadt Berlin zu erhalten, dürsten dennoch nicht erheblich sein. Die Red.) Bcuutznngsgcbiihrcn in dcr Sächiijchcn Laudcs- bibliothek. Während an den meisten deutschen Bibliotheken schon vor dem Kriege -Benutzungs gebühren erhoben wurden, gehörte die Sächsische Landesbibliothek bis jetzt zu den ganz seltene» Ausnahmen, die ihrs Bücher kostenlos aucliehsu. Dicse Freigebigkeit des Staates hatte die erwünscht; Folge, daß die Benutzung der Bibliothek in allen Kreisen lebhaft war. Leider sieht sich run a!ch die Landesbiblivlhck, unter dcm Truck der Gegen wart, gezwungen, von dcr alten rühmlichen llbcr- Ueferunz abzngehcn. Während nämlich auf der einen Seite die Benutzung der Ausleihe und des Lcsesaals stärker und stärker wird, bleibt auf dec anderen Seile die Vermehrung dcr Bücherbestände weit hinter dem zurück, was die Bedürfnisse der Wissenschaft und Geistesbildung gebieterisch fordern. Tie Lücken werden immer bedrohlicher, und da der Staat die nötig:» Mittel für den Ankauf von Büchern nicht bewilligen kann, bleibt nichts anderes übrig, als daß die La ideebibliothek sich eigene Einnahmequellen verschafft. Es ist zu hoffen, daß sich die Benutzer, in Anerkennung der großen Vorteile, die ihnen das Vorhandensein einer großen Landesbibliolhck grwährt, der Einsicht in die Notwendigkeit der Gebührenerhebung nicht verschließen 'werden. Tie Höhe der Gebühren wird so gehalten werden, daß sie nur einen ge ringen Bruchteil dessen bilden, was der Staat sür jede Benutzung drr Bibliothek aufzuwendc» hat, und daß sic auch den Minderbemittelten nicht ernst lich in der ausgiebigen Benutzung der Landes- bibtiothek behindern werden. Nähere Mitteilungen über den Zeitpunkt der Einsührung und die Höhe der Benutzungsgebührcn werden demnächst erfolgen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)