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Der Kölner Künstler Hans Palm * Sieben Arbeiten aus der Bildenden Kunst (Nr. 5) Zu Brahms 1. Klavierkonzert und dem nebenstehenden Bild Kurz nach Schumanns Selbstmordversuch begann der junge Brahms mit der Komposition dieser Musik. Zunächst als Sonate für zwei Klaviere, dann als Sinfonie, und als das auch nicht recht voran wollte, träumte er, „Ich hätte meine verunglückte Symphonie zu meinem Klavierkonzert benützt und spiel te dieses vom ersten Satz und Scherzo und einem Finale furchtbar schwer und groß. Ich war begeistert. “ Um die furiose, hochromantische, von abrup ten Stimmungsgegensätzen durchzogene Komposition ein wenig zu beleuch ten, hier einige musikalische Aussagen: Die Einleitung beginnt mit einem Orgelpunkt in d in den Bässen und einem drohend auf- und abschwellenden Paukenwirbel. Die Durchführung bedient sich ausgiebig der Themen des Hauptsatzes, die spannungsreich verarbeitet werden. Nach einer Kadenz endet der dritte Satz mit Doppeltrillern in beiden Händen und fanfarenarti ger Verkürzung des Themas in triumphaler Größe. Derartige Schroffheiten waren dem Publikum der Uraufführung fremd, und nicht anders sah es der Kritiker der Uraufführung: „Das gegenwärtige Konzert des Herrn Johan nes Brahms war wieder ein solches, in dem eine neue Komposition zu Grabe getragen wurde.... Die Gedanken schleichen dahin, entweder matt und siechhaft, oder sie bäumen sich in fieberkranker Aufgeregtheit in die Höhe, um desto erschöpfter in sich zusammen zu brechen... Dieses Würgen und Wühlen, dieses Zerren und Ziehen, dieses Zusammenflicken und Ausein anderreißen von Phrasen und Floskeln muss man eine Stunde ertragen! .... Dann auch noch das Dessert von schreiendsten Dissonanzen und mißlauten- sten Klängenverschlucken! “ - Die vernichtende Kritik traf Brahms zutiefst, ließ ihn jedoch nicht an der Qualität seiner Musik zweifeln. Was soll nun die nebenstehende Malerei in diesem Zusammenhang? Vor einer romantisch anmutenden, in die Tiefe sich erstreckenden Landschaft scharfkantige, wie irgendwo ausgeschnitten wirkende, (aber gemalte!) Ste len mit Tiepolo-Zitaten, scheinbar ein Stilbruch, der aber erstaunlicher weise, wie Sie bemerken werden, die Tiefe und Weite der Landschaft steigert und diese Spannung, diesen Kontrast harmonisch aushält. Man hat mich häufig kritisiert, auf allen Bällen zu tanzen, ohne ein originärer Tänzer zu sein. Dahinter stand (und steht heute oft noch) die Aujfassung, ein Künstler habe sich selbst treu erkennbar, eben original gleich zu sein und gleichzei tig auch noch original neu, wie ein unverwechselbarer Markenartikel. Beginnend mit der in der Romantik entwickelten absoluten Autonomie der Kreativität hat sich in der heutigen Kunst ein absichtlicher, synchroner Stil- und Technikwechsel durchgesetzt. So scheint es mir legitim, die „ Schroffhei ten “ des 1. Klavierkonzerts von Brahms - die heute nicht als solche emp funden werden — mit einem Bild von Gegensätzlichkeiten zu beschreiben. 10 -el Kontrapunkt-Konzerte