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SächsischeSlaatsMmg Staatsan?eiger für den Zreiftaat Sachfen Ankündigungen: Die 32 mm breite Grundzeile oder deren Raum 30 Pf., die 66 mm breite Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf-, unter Ein gesandt 90 Pf. Ermäßigung auf Geschäftsanzeigen. Familiennachrichten u. Stellen gesuche zur Hälfte. — Schluß der Annahme vormittags 10 Uhr. ErscheintWerktagS nachmittags mit dem Datum des Erscheinungstages. Bezugspreis: Monatlich 5 Mark. Einzelne Nummern 20 Pfennig. Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 21295 — Schriftleitung Nr. 14574. ' Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. Zeitweise Nebenblätter: Landtags-Beilage, Ziehungslisten der Verwaltung der Staatsschulden und der Landeskulturrentenbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der Landes. Brandversicherungsanstalt, Verkaufsliste von Holzpflanzen auf den Staatsforstrcvieren. Verantwortlich für die Redaktion: Hauptschriftleiter Bernhard Zolles in Dresden. Nr. 16 Dresden, Sonnabend, 19. Jannar 1921 Die Vereinbarung Thüringens mit dem Reiche. Aus Weimar wird uns geschrieben: Die Vereinbarung, welche die Differenzen zwischen der Reichsregierung und der geschäfls- führenden thüringischen Landesregierung zu einem vorläufigen Abschluß brachte, hat in bestimmten politischen Kreisen inner- und außerhalb Thüringens unverkennbare Enttäuschung hervorgerufen. Halten doch die politischen Gruppen, von denen die der Neichsregierung gegen die Thüringer Staats- rcgierung zugeleiteten Beschwerden herrührten, mit Bestimmtheit darauf gerechnet, daß die noch amtierenden sozialdemokratischen Minister Thüringens von Reichs wegen abgesetzt und an ihrer Stelle, auf Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung, ein Reichs ko mmissar ein gesetzt würde. Insbesondere die Prcßorgane, die auf eine unversöhnliche Gegnerschaft zur Sozial- demokratie eingestellt sind, hatten mit der Ein setzung des Reichskommissars als mit einer Lösung gerechnet, deren Eintritt nur noch eine Frage weniger Tage sein sollte. Diese Rechnung hat sich als falsch herausgestellt. Deshalb versuchen die Enttäuschten, die Ver einbarung zwischen der Reichsregierung und der thüringischen Landesregierung als eine immerhin beachtliche moralische und sachliche Nieder lage der Thüringer Regierung hinzustellen, ob- schon dazu die wirkliche Sachlage in keiner Weise berechtigt. Durch einzelne Borberichte wurden die Einzel- punkte der inzwischen vom W. T. B. veröffcnt- lichten Vereinbarung zwischen Reich und Thüringen entstellt wiedergcgeben. Die Berichte sprachen von einer „erschreckenden Anzahl grober Verstöße gegen die Verfassung, sowie die Reichs- und Landesbestimmungen", die von den Neichsbeauftragten in Weimar festgestellt worden sein sollten. Sie sprachen ferner von einer „so- zialistischen Günstlingswirtschaft", die in Thüringen, ohne „Rücksicht auf die schwer leidenden Reichsfinanzen", getrieben worden sein soll. Es sollte offenbar der Anschein erweckt weiden, daß in der formulierten Vereinbarung zwischen Reich und Thüringen solche gewiß nicht haltbaren Redewendungen gebraucht wurden. Auch die Behauptung, von Thüringen sei „eine sehr anfechtbare Finanzwirtschafl" getrieben worden, ein Angriff, dessen Haltlosigkeit von berufener Seite in mehrfachen öffentlichen Darlegungen längst nach gewiesen ist, wurde wiederholt. Inzwischen kann man den Wortlaut der Vereinbarung zwischen Thüringen und Reich, der nun durch die gesamte Tagespresse gegangen ist, vergleichen. Gewiß hat die Reichsregierung geglaubt, bestimmte Maßnahmen der thüringischen Beamtenpolitik be anstanden zu sollen. Die Thüringische Regierung hat aber, wie der Wortlaut der Vereinbarung zeigt, demgegenüber an ihrer abweichenden Auffassung durchaus festgehalten und sie zu Protokoll gegeben. Letzten Endes dürfte e- sehr schwer, ja unmöglich sein, zwischen einer entschieden republikanischen und aus Sozial- demokraten bestehenden Landesregierung, wie sic die Thüringische Staalsrcgiening darstellt und der derzeitigen, nur aus Mitgliedern der bürgerliä en Parteien, zusammengesetzten Reichsregienmg über die zweckmäßigste Art von Beamten- Politik in der Republik eine vollstän dige sachliche Übereinstimmung zu er zielen. Die Reichsregierung wird in diesen Fragen, ganz abgesehen von der politischen Ein stellung ihrer Mitglieder, beraten von Verwal- tungsjuristen. Tie bisherige Thüringer Landes regierung hat mit ihrer keineswegs radi- kalen Beamtenpolitik einen kleinen Aus- gleich alter den Arbeitermillionen widerfahrenen Zurücksetzungen anbahnen wollen und dadurch Staatsleben und Arbeitermassen für die Zukunft enger miteinander zu ver flechten versucht. Sie hat ferner begonnen, mittlere Beamten in höhere Stellen aufsteigen zu lassen. Sie wollte durch diese Maßnahmen auch die Republik fester ver- ankern. Forderungen nach einer Beamten- Politik, die eine Befestigung der Republik im Auge ha», sind übrigen» keineswegs nur von sozialdemokratischer Seite, son dern auch von hervorragenden Vertretern der bürgerlichen Demokratie, so u. a. von dem bekannten Berliner Senatspräsidenten l)r. Großmann, wiederholt und mit Nachdruck ver fochten worden. Ter positiven Berechtigung einer republikanisch orientierten Beamtenpolitik, wie sie die Thüringer Regierung behutsam ein geleitet hat, kann der Umstand, daß einige in den Beamtenkörper neuberufene Personen die in sie gesetzten Erwartungen nicht gerechtfertigt haben, keinen Abbruch tun. Unliebsame Erfahrungen dieser Art sind unvermeidliche Begleiterscheinungen jeder Neuorganisation! Die Auslage einer paritätischen Kontrollkom- Mission mit dem Präsidenten des Oberlandes gerichts Jena als Vorsitzendem für die erste Periode des thüringischen Beamlenabbaues, mit dec sich die thüringische Staatcregierung einverstanden erklärt hat, ist keineswegs etwas Unerhörtes, wie man glauben machen möchte. Solche parlamen- tarischcn Kommissionen für den Beamten abbau bestehen auch in Preußen, in Württemberg und Hessen. Eine ge- schäftssührende Regierung pflegt im allgemeinen nur die laufenden staatlichen und unver meidlichen gesetzgeberischen Aufgaben zu er- ledigen. Der Beamtenabbar. ist zweifellos eine sehr einschneidende Maßnahme. Wenn dam nun der Thüringischen Staalsregierunq eine besondere Kommission zur Seite tritt, so ist darm, bei fach- lirber und objektiver Betrachtung aller psychologi schen und politischen Momente, keine Des- avouierung der Thüringischen Regierung zu er blicken. Die Tatsache ferner, daß dem Ibüringischen Finanzminister in der Vereinbarung rnit dem Reiche gegenüber den anderen Ministerien für den Rest der Regierungsperiode besondere Kontroll- rechte eingeröumt werden, spricht nicht dafür, daß die Geschäftsführung des lhüringisä enFinanzmmisters Hartmann etwa in Berlin eine so ungünstige Beurteilung gesunden hat, wie es behauptet wurde. Alles in allem kann die Thüringisä e Re gierung mit dergetrofienenVereinbarung, unheschadet j ihres Widerspruchs gegen bestimmte, n-ch ihrer Ansicht irrige Ausfassungen der Neichsstellen Um Eck öder Wsein der WerW Wdick. Die entscheidende Sitzung des Unter hauses. London, 1». Jannar. Tie „Times" berichten: Die Anordnung für die entscheidende Debatte fertig gestellt. Die Debatte wird von Sir John Timon eröffnet werden, vermutlich wird sich Llohd George «„schließet,. Auch der Premierminister Baldwin wird das Wort ergreifen. Als letzter Regierungevertreter wird der Attorncygeneral Hogg sprechen. Ramfah Macdonald wird die Debatte beschließen. Die Abstimmung wird ll Uhr abends stattsindt«. Nach Annahme der Abänderungs- anträge wird das Unterhaus ans Dientz- tag vertagt werden. I« dieser Sitzung wird Baldwin den Rücktritt der Re gierung verkünden. Tarans erfolgt die Vertagung deS Hanfes b'S zur Bildung der neuen Regierung. Wie verlautet, wird Mac donald eine vertagnng auf drei Wochen beantragen, um dem nrnen Ministerium Zeit zu geben, sich einzuarbeiten. Lord Haldane unterstützt Macdonald. London, 1». Januar. Ten „TimeS" zufolge unterstützt Lord Hal da n e M a c d o n a l d bri der Wahl der Persönlich keiten, die die Regierung im Lberhause vertreten sollen. Die diplomatischen Schwierig keiten, die für die Arbeiterpartei im Zu sammenhänge damit vorausgesagt worden seien, würden in unerwarteter Weise über wunden. Es bestehe jetzt kein Zweifel mehr darüber, daß die Geschäfte der Regierung iw Lberhause durch eine genügende Zahl von Wort führern vertretcn sein werden. * Thomas erneuert seine Angriffe gegen Baldwin. London, 18. Januar. An der heutigen Fortsetzung der Adreßdebatle im Unterhause nahmen die weiblichen Abge- ordneten regen Anteil. Zunächst sprach die Herzogin von Atholl (Kons.). Sie befür- wortete die Errichtung von Fortbil dungsanstalten für die jugendlichen Arbeitslosen beiderlei Geschlechts. Im Zu- sammci.hang mit der Arbeitslosigkeit besprach sie die schwere Konkurrenz, die neuerdings von Frankreich aus infolge der Ver schlechterung der französischen Wäh- rung der englischen Industrie gemacht werde. So habe sie erst vor wenigen Stunden erfahren, daß sran-ösische Werften Aufträge in Höhe von 40 000 Pfund erhalten hätten, indem sie die An- geböte englischer Werften bedeutend unterbieten konnten. Thomas erneuerte die Angriffe auf die Regierung und gab eine Er- klärung ab über die Verbindung der Arbeiterpartei mit der Internationale, in der er begründete, weshalb sich die Arbeiter partei wegen dieser Verbindung nicht zu ent- schuldigen brauche. ES gebe heute z«»i«l Leute, die die große» Lpfer Englands verkleinerten und die anz«- nehmen schienen, daß England Angst habe, Arankrrich zu sagen, daß es ciner Katastrophe entgegengche und Dinge tue, die für Ei glaub ruinös seien. Man kö«»r sich nicht wundern, daß Frankreich die englische Regierung mit Verachtung behandle, wenn alle R gierunge« von Woche zu Woche, von Monat zu Monat eine derartig schwankcnde Politik an den lag legten. Schatzkanzler Chamberlain erwiderte namens der Regierung, wenn Themas die Regierung wegen ihrer Untätigkeit gegenüber Fankrcicb verurteile, so möchte er ihn fragen, was er unternommen hätte, um die Durchführung seiner Ansichten gegen- ober Frankreich zu erzwingen. Zum Schluffe sprach Chamberlain die Hoffnung aus, daß die Vorschläge der Rcichskonferenz von der Arbeiterpartei mit größter Sympathie behandelt werden würden. Tie Fortsetzung der Tcballe über den Mißtrauensanirag der Arbeitervariei wurde nach der heutigen Sitzung auf Montag vertagt. * .'irbeiterregierung nnd Kontrolle der deutschen Nüstunqen. London, IS. Januar. Ter diplomatische Korreipondent dcs „Tailq Telcgraph* erfähn, eine Arbeiterregierung. die natürlich für die Turchsührung dcr Ad- rüstungsdcstimmungrn des Versailler Ver trages sein werde, werde vielleicht nicht abgeneigt sein, die von Berlin vor- gebrachteu juristischen Ansichten an- ; «nehmen, daß den Bestimmungcn dieses Vertrages ^Artikel 2lS) entsprechend die Kon trolle der deutschen Rüstungen dem Völkerbünde übertragen wird. * Beueschs Besuch in Londnu. London, 19. Januar. Der diplomatische Berichterstatter der „West minster Gazette" schreibt, lir. Benesch s Be such in London und seine Unterredung mit Curzon, Macdonald und anderen politischen Führern scheine gewisse Mißverständnisse, die seine Politik erweck en, beseitigt zu haben. Was auch immer im übrigen das schließliche Er gebnis dieser Konferenz sein werde, so bestehe kein Zweifel darüber, daß Benesch, wenn er auch ein Übereinkommen mit Frankreich suche, nicht den Wunsch habe, sein Land unter fran zösische Hegemonie zu bringen oder die französische Politik im Ruhrgebiet zu ermutigen, indem er den Siahlring um Deutschland herum enger zusammcnziehe. Die tschechische Tiplomaiic st lle jedenfalls nachdrücklich in Abrede, daß fi, ihre Jnitintibe oder daß die Tsch.choslowakri das «echt d,S freie» EntfchlnsfeS anfgegeben habe, wclche Hal „ng sie «» AnUe eine» künftigen Krieges zwtfchen Fnmkretch nnd Dnitfchlnnd einnehme» '»erbe. über thüringische Maßnahmen, zufrieden sein. Tie Zukunft dürfte weitere Klärungen, insbesondere auch in der Angelegenheit des thüringischen Innenministers Hermann bringen. Tas Reparationsproblem. Der Vorschlag LitwinS Deutschlands Zukunft wird im wesentlichen be stimmt ron der endgültigen Lösung des Repa rationsproblems. Solange diese Frage nicht gelöst ist, w rd der wirtschaftliche Wiederaufbau kaum möglich sein und die politische Verhetzung, unter der wir heute in Teutschla d so bitter leiden, kein Ende nehmen. Wer Ruhe und Ord- nung und eine Konsolidierung der Verhältnisse im Innern unseres Reiches ersehnt, muß es deshalb begrüßen, wenn Vorschläge gemacht werden, die darauf hinauslaufen, eine Besserung der Verhält- nisse durch eine Verständigung zwischen Teutsch, land und Frankreich herbeizuführen. Neuerdings beschäftigt sich der Generaldirektor der Deutschen Evaporator A.-G., Paul Litwin, mit einem ent- sprechenden Vorschläge, der Beachtung verdient. Litwin weilte erst vor wenigen Tagen in Paris und gründet seinen Vorschlag auf Eindrücke, die er, im Verkehr mit maßgebenden politischen und wirt- schafilichen Kreisen Frankreichs, gewonnen hat. Er geht bei seinen Betrachtungen von den bisherigen Repara ionszahlungen Frankreichs aus und glaubt, daß, falls für diese Gelder Rat geschafft würde, es verhältni-mäßig leicht ist, sich über die Höhe, den Zeitpunkt und die Art der Tilgung einer vermutlich bescheidenen Mehrsorderung zu verständigen. Ein konkretes und sofort zu ver- Wirklichendes Angebot Deutschlands in bezug auf diese Gelder dürfte, nach seiner Ausfassung, ge- nügen, die Verhandlungen über die Liquidierung der Besatzung und die damit zusammenhängenden Fragen gleichzeitig in Fluß zu bringen. Ta aber Teutichlauv keine flüjirgk« Mittel mehr besitzt und Amerika sein Geld dem bankrotten Europa nicht anvcrtraucn will, bleibt dem Reich, nach dem Vorschläge Litwins, nichts anderes übrig als Zahlungs mittel als Grund unzweifelhaft vorhoudener Werte leihweise, d. h. provijoriich zu be schossen. Als einzige Mögt chteit hierzu be- trachict er die Heranziehung brr Sach werte der deutsche« Wirtschaft. Charakteristisch ist also, daß auch das Projekt Litwins aus den seil Jahren von der Sonaldemo- kratie vertretenen Gedanken der Sachwertersassung zurückgeh!. Litwin stellt fest, daß deutsches Kapital zum Zwecke von Reparationsleistungen erst in dem Stadium seines wirtschaftlichen Kreis laufes erfaßt werden darf, wo es seine Funktion als Produktionsmittel bereits erfüllt Hai und nichts anderes mehr darstellt, als einen Rechtstitel auf Gewinnbeteiligung aus der schon geleisteten Arbeit. Tie reinste Form eines solchen Besitztitcls erblickt er in der Aktie oder im Anteilschein an irgend einem als juristische Person konstruierten Erwerbsunternehmen. Auf Gruad gcnaucr Vertonung glaubt Litwin annchmc« zu dürfen, baß eine Läproz. Abgabe von Aktien »fw. genügen würde, um Wrrte in dcr Höhe von 4s Milliarde» Goldmark zusammc»z»drmge«. Zollte der Betrag de» Rrparattonsdcdarf übersttige», dann soll er für Zweckt d,r innere» Sanierung, vor allem zur Refundicruug der Kriegsanleihe, Bcrweudung finde«. Ter Plan will die so erfaßten Aktien zur Teckung für das zu schaffende Zahlungsmittel be nutzen. Tie weitere Operation besteht in der Ausgabe verzinslicher Goldbons durch eine Re- parationsbank, und zwar in gleicher Höhe wie die vorliegende Teckung gleichwertiger Goldakiien. Tie Ver insung soll aus den Twidenden und anderen Ertrügniffen erfolgen, wclche die bei der Reparationsbank hinterlegten Aktien einbringen. Eigentümer der Aktien ist das Teutsche Reich, das sie bei der Reparationsbank verpfändet. Tie Ein- lösbarkeit der GoldbonS will der genannte In dustrielle durch ihre Zulassung als Wertpapiere an den großen Bö scn erreichen. Taber soll es den Repara ionsgläubigern freistehen, beliebige Mengen dieser Bons im Rahmen ihrer Forderung direkt zu übernehmen und sie nach eigenen Gu dünken zu erwerben. Hier ergibt sich eine gewisse An näherung an den Plan RechbergS. der be-