PROCRAMMEINFÜHRUNC Der Ursprung zur Alpensinfonie findet sich eigentlich viel früher in Strauss’ Leben. Im August 1879 schrieb der damals 15-jährige Richard an seinen Freund Ludwig Thuille: »Neulich machten wir eine große Bergpartie auf den Heimgarten, an welchem Tage wir zwölf Stunden gingen. Nachts 2 Uhr fuhren wir auf einem Leiterwagen nach dem Dorfe, welches am Fuße des Berges liegt. Sodann stiegen wir bei Laternenschein in stockfinsterer Nacht auf und kamen nach fünfstündigem Marsche am Gipfel an. Dort hat man eine herrliche Aussicht (...). Dann stiegen wir von der anderen Seite hinab, um nach Walchensee zu kommen, verstiegen uns jedoch und mussten in der Mittagshitze drei Stunden ohne Weg herumklettern (...). Sodann fuhren wir über den See nach Uhr- felden (...). Von da eine Stunde über den Kösselberg eine Stunde an den Kochelsee (...). Schon auf dem Wege daher hatte uns ein furchtbarer Sturm überfallen, der Bäume entwurzelte und uns Steine ins Gesicht warf. (...) Nachdem der Sturm sich gelegt, mussten wir uns, ob wir wollten oder nicht, dazu bequemen, um den ganzen Kochel see (zwei Stunden) herumzulaufen. Auf dem Wege kam wieder Regen, und so kamen wir endlich nach rasend schnellem Marsche (wir setzten nicht eine Minute aus) ermüdet und durchnässt bis auf die Haut, im Schlehdorf an (...). Die Partie war bis zum höchsten Grad interessant, apart und originell. Am nächsten Tage habe ich die ganze Partie auf dem Klavier vorgestellt. Natürlich riesige Tonmalereien und Schmarrn (nach Wagner).« Die erste Idee zur Alpensinfonie war geboren, auch wenn sie zunächst wieder in der Schublade verschwand. 1902 entwarf Strauss eine Sinfonie, die den Titel »Ein Künstlerleben« trug und die Biografie des Schweizer Malers Karl Stauffer-Bern nachzeichnete. Wie Strauss war dieser ein begeisterter Bergwanderer gewesen, weshalb die offensichtliche Nähe zur Wanderung auf den Heimgarten kaum verwundert. Die vorgesehenen vier Teile skizzierte Strauss so: »I. Nacht; Sonnenaufgang/Anstieg; Wald (Jagd)/Wasserfall (Alpen- geist)/Blumenwiesen/Schäfer/ Gletscher/ Unwetter/Abstieg und Rast. II. Ländliches Vergnügen, Tanz, Volksfest/Prozession. III. Träume und Geistererscheinungen (nach Goya). IV. Befreiung durch Arbeit; künstlerisches Schaffen; Fuge.« Doch abermals ver schwand diese Kompositionsidee von der Bildfläche. Erst weitere neun Jahre später besann sich Strauss dieser Skizze und machte sich nun endgültig ans Werk. In seinem Tagebuch notierte er dazu: »Ich will meine Alpensinfonie den Antichrist nennen, als da ist: sittliche Reinigung aus eigener Kraft, Befreiung durch die Arbeit, Anbetung der ewigen herrlichen Natur.« Hier findet sich nun also ein weiterer Bezugspunkt: der Philosoph Friedrich Nietzsche.