haben. Eine Idee, die er jedoch im Herbst 1878 aufgab, schließlich erst in seinem zweiten Klavierkonzert verwirklichte und in dieses die zwei Mittelsätze aufnahm, die er bereits für das Violinkonzert skizziert und dann wieder gestrichen hatte. Möglicherweise ge schah das Streichen der Mittelsätze auf Drängen Joachims, der das noch nicht fertig komponierte Werk bereits für die Neujahrskonzerte 1879 in Leipzig fest eingeplant hatte — und so den nur ungern unter Druck komponierenden Brahms in unerwünschten Zugzwang brachte, bis dieser aus Zeitmangel von seiner ursprünglichen Konzeption abließ. Nach der Uraufführung im Leipziger Gewandhaus, die Brahms als Dirigent und Joachim als Solist gemeinsam gestalteten, schrieb Eduard Hanslick: »Brahms' Violinkonzert darf wohl von heute ab das bedeutendste heißen, was seit dem Beet- hoven'schen und Mendelssohn’schen erschien; ob es auch in der allgemeinen Gunst mit jenen beiden jemals rivalisieren werde, möchte ich bezweifeln. [...] Manche herr liche Gedanken kommen nicht zur vollen Wirkung, weil sie zu rasch verschwinden oder zu dicht umrankt sind von kunstvollem Geflecht. Ob das Konzert violinmäßig und violindankbar komponiert sei? Manchem Virtuosen dürfte die anhaltend hohe und höchste Lage gefährlich werden; es gibt da sogenannte riskierte Stellen, die selbst Joachim nicht immer ganz rein zustande brachte. Im Ganzen: ein Musikstück von meisterhaft formender und verarbeitender Kunst, aber von etwas spröder Erfindung und gleichsam mit halbgespannten Segeln auslaufender Fantasie.« Übrigens hatte das Konzert am Neujahrstag 1879 ausgerechnet mit dem Violinkonzert Ludwig van Beethovens begonnen, einem wahren Prüfstein der Gattung und zugleich sicherlich Vorläufer von Brahms’ Violinkonzert. Gemein ist beiden Werken ihr gewissermaßen »sinfonischer« Anspruch, der eine Gleichberechtigung von Orchester- und Solopart zum Ziel hat. Exemplarisch zeigt sich das direkt zu Beginn des ersten Satzes, wenn Brahms in einer umfangreichen Orchesterexposition alle wesentlichen Themen vorstellt — und zwar ohne Beteiligung der Solovioline. Diese tritt erst erheblich später mit ambitionierter Virtuosität hinzu. Ausgleich verspricht eine schwärmerische Melodie, die allein der Geige vorbehalten ist und sich über dezenten Pizzicato-Klängen der Streicherkollegen im Orchester erhebt. Der zweite Satz beginnt mit einer der vielleicht schönsten Orchesterpassagen für die Oboe, die das herrliche, weit ausholende Hauptthema dieses Adagios exponiert. Der Geigenvirtuose Pablo Sarasate bemängelte hier überspitzt, er müsse »mit der Geige in der Hand zuhören, wie die Oboe dem Publikum die einzige Melodie des ganzen Stückes vorspielt«. Doch bei genauem Hinsehen zeigt sich, dass Brahms auch hier um ein gerechtes Miteinander