Programmeinführung Johannes Brahms (1833-1897) Konzert D-Dur für Violine und Orchester op. 77 Im Jahr 1853 kam es in Hannover zu einem schicksalsbestimmenden Zusammen treffen zweier junger und noch dazu außerordentlich begabter Musiker, die ganz am Beginn ihrer Karrieren standen: Joseph Joachim, Konzertmeister und als Wunder geiger gefeiert, und Johannes Brahms, gerade erst zwanzig Jahre alt und mit einem ihm weit vorauseilenden Ruf als hervorragender Pianist. Insbesondere für Brahms sollte sich die Bekanntschaft mit dem zwei Jahre älteren Joachim als ein wahrer Segen erweisen: Ausgestattet mit einem großen Netzwerk führte der Geiger Brahms in den richtigen Kreisen ein; die enge Freundschaft zu den Schumanns, die Brahms Zeit seines Lebens pflegen sollte, ist beispielsweise auf Joachims Empfehlung zurückzuführen. Darüber hinaus wären die Violinsonaten oder das heute auf dem Programm stehende Violinkonzert ohne Joachims Zutun und Expertise möglicherweise nie entstanden, war Brahms doch in erster Linie verständiger Pianist und eben kein Streicher. 25 Jahre nach ihrem ersten Zusammentreffen, im August 1878, erhielt Joseph Joachim Post von seinem Freund. Brahms weilte damals am Wörthersee in Pörtschach zur Sommerfrische und kündigte per Postkarte an: »Ich schicke dir gern eine Anzahl Violinpassagen!« Kurz darauf sandte Brahms einige Auszüge aus dem geplanten Werk und bat Joachim um etwaige Anmerkungen und Verbesserungen: »Ich bin zufrieden, wenn du ein Wort sagst, und vielleicht einige hineinschreibst: schwer, unbequem, unmöglich usw. Die ganze Ge schichte hat vier Sätze, vom letzten schrieb ich den Anfang, damit mir gleich die ungeschickten Figuren verboten werden!« Eine Bitte, der der virtuose Geiger nur zu gern nachkam und nahezu postwendend ant wortete: »Es ist eine große echte Freude für mich, dass du ein Violinkonzert (in vier Sätzen sogar!) auf schreibst. Ich habe sofort durchgesehen, was du schicktest, und du findest hie und da eine Note und Bemerkung zur Änderung.« — »Vier Sätze?«, mag der aufmerksame Beobachter sich nun verwundert fragen. Tatsächlich scheint Brahms zu Beginn der Komposition eine Art Sinfonie mit Solovioline im Kopf gehabt zu Johannes Brahms und Joseph Joachim