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SächMeStaalszeüung Staatsaryeiger für den Freistaat Sachsen Ankündigungen: Di« 32 wm breite Grundzeile oder deren Raum 30 Pf , die 66 ww breit» Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 60 Pf., unter Ein» gesandt 90 Pf. Ermäßigung aus GeschästSanzeigen, Familiennachrichten u. Stellen» gesuche. — Schluß der Annahme vormittag- 10 Uhr. Erscheint W^ktag» nachmittag» mit dein Datum de» Erscheinung»tage». B«zug»pret»: Monatlich 3 Mark. Einzelne Nummern 15 Pf. Fernsprecher: Geschäft»stelle Nr. 21295 — Schriftlritung Nr. 1457». Postscheckkonto Dresden Nr. 2486. — Stadtgirokonto Dresden Nr. 140. Zeitweise Nebenblätter: Landtags »Beilage, LerkausSliste von Holzpflanzen aus den StaatSforstrevierrn. verantwortlich sür die Redaktion: Hauptfchriftleiter Bernhard JolleS In Dresden. Dresden, Sonnabend, 16. August Nr. 190 1924 Die Ueberreichung der deutschen Antwort in London. London, 1S August. Der amtliche englische Funkdienst meldet, daß Reichskanzler Mar; und Reichsminister Stresemann, al» sie morgen in Downtngstreet tzorsprachen, dem britische» Premierminister cin Schrtststück mit der dentschen Antwort auf dl« französisch-belgische« Vorshlägr hinsichtlich der RSnnung de» Ruhrgebiet» übergaben über den Inhalt d.S Schreibens ist nichts bekannt. SS ist möglich, daß die Entscheidung noch morgen fallen wird. Da bisher alle Ber- Handlungen, sofern überhanpt von Verhandlungen gesprochen werden kann, nur mündlich waren, würde die Form für da», was nun nach der Enlscheidung geschehe« soll, noch gcsucht werde« müssen, vermutlich wirs man die Form wählen, daß die Franzose« und Belgier der deutiche» Telegation Mitteilen werden, daß sie ihre Truppen spätestens nach einem Jahre zurüctziehen. Aus die Mitteilung dieser Tatsache würde dann die deutsche Delegation zu antworten haben Ta in der Mantelnote an die Londoner Konferenz die Frage der militärischen Räumung angegeben wurde, würde vielleicht eine Abschrift ber Mantelnote der Konseren, übermittelt werden. Tas wäre nicht nur formal richtig, sondern anch sachlich angemessen, Kam nt die Frage der Räumung noch heute zur Entscheidung, so könnte man mit einem schnellen Schluß der Aonferenz, vielleicht schon morgen oder am Montag, rechne«. Das kleinere Uebel. Die vergangenen Jahre endloser Entbehrungen sollten da» deutsche Volk endlich belehrt haben, politische Entscheidungen, die auf unser Wirtschaft-' leben rückwirkend sind, mit Ruhe und Überlegung zu betrachten, statt das Gefühl wallen zu lassen. Gerade in diesem Augenblick, wo In London wich» tige Entscheidungen für die Zukunft Deutschlands bevoiflehen, ist diese Mahnung mehr als an geb acht. Sie ist deshalb besonders notwendig, weil ein Teil unserer Regierungen der letzten Jahre au» innerpolitisck en Gründen bestimmte Forderungen, die mit dem Versailler Vertrag im Zusammenhang standen, ablehnte, sie dann aber schon nach kurzer Frist unter vicl schwierigeren und schlechteren Umständen aus Sorge um die Wirtschaft und die Exi 'enz des Volkes annahm, ja, um deren Annahme teilweise sogar betteln mußte. Dieser Tragik sollte sich die Bevölkerung unsere- Landes erinnern, wenn heute oder morgen die deutsche Delegation in London sich mit einer Regelung der Räumungsfrage ab- findet, die unter den augenblicklichen politischen Verhältnisse« al» das kleinere Übel betrachtet werden muß. Man darf bet der Be urteilung der letzten Londoner Vorgänge nicht vergessest, daß dke RäumUngSfrage nur ein Teilproblem der Konferencheratungen umfaßt und den wirtschaftlichen Fragen mindestens die gleiche, wenn nicht gar eine höhere Bedeutung zu- kommt. Infolgedessen vertreten wir die Auf- fassung, daß ein Urteil über ein wahrschein liches Kompromiß in der RäumungSfrage nur im Zu- sammenhang mit der Lösung der anderen wirt schaftlichen Probleme möglich erscheint. Tatsache ist doch, daß es in London zunächst gelang, eine ganze Reihe wirtschaftlicher Punkte, die in den Beschlüssen der alliierten Konferenz vorgesehen waren, zugunsten Deutschlands zu mildern oder vollkommen auszumerzen. Ta; geschah zum ersten Mal in der Nachkriegszeit durch Verhand- lungen, an denen die deutschen Vertreter mit voller Gleichberechtigung teilna^men, sodaß die wirtschaftlichen Formulierungen, die schließ lich in London nach schwierigen Ver handlungen festgelegt wurden, ohne protokollarische Vorbehalte der deutschen Telegation angenommen werden könnten. Bereits 35 Tage nach der Unterzeichnung des Tawesgutachiens wird auf Grund dieser gegenseitig ner fl chlenven Verein barungen mit der wirtschaftlil en Räumung des Ruhrgebietes begonnen, die Zollime gelangt in Fortfall, und alle wirtschaftlichen Schikanen, denen sich bisher die Bevölkerung des Ruhrgebiets und die Durchreisenden aus dem unbesetzten Gebiet aussetzen mußten, sollen aufhören. Tue in dem Tranrferkomiiee erzielte Regelung bannt die Gefahr einer wirtschaftlichen Überfremdung, und gleichzeitig sind die Rechte der Reparations kommission wesentlich beschränkt. Die AuSsührungsgesetzr zum Dawesgutachten in der Gestaltung, die sie nach den Unterhand lungen mit der deutschen Delegation erhielten, bieten so die Möglichkeit einer Etappe zur natio nalen Befreiung des Ruhrgebiets und zur Rettung der Rheinland«, die noch vor einem Jahre als verloren galten. Sollen wir diesen hoffnungsvollen Ausblick in die Zukunst, die Müg- lichkeiten zur Verminderung der Arbeitslosigkeit in den bi- jetzt noch unbesetzten Gebieten zur nationalen Befreiung de- Ruhrgebietes uns zur endgültigen Rettung deS Rheinland«- auf- geben, nur weil der größere Teil der Besatzung-- truppen des Ruhrgebiete» nicht, wie e- die deutsche Delegation schließlich wollte, in sech- Monaten, sondern in einem Jahre -urückgezogen wird? Sollen wir auf die 800 Millionen-Anleihe verzichten und die unter mühseligen Opfern er- reihte Stabilisierung unserer Finanzen durch eine neue Inflation gefährden, nur, weil unsere Hoff nung, mit den Volk-genoffen in den besetzten Gebieten bald ein Wiedersehen feiem zu können, ein halbe- Jahr später in Erfüllung geht al- anfänglich gehofft war? Wir sind gewiß, daß di: Bevölkerung der besetzten Gebietsteile für die Notwendigkeiten de» Augenblick» mehr Verständnis hat als unsere „nationalen" K eife und gern bereit ist, die Last der Besatzung, die übrigens ganz andere Formen annehmen wird, in dcm Bewußisein zu tragen, Deutschland und sich selbst einen Tienst zu erwri'en. O An Erwartung der deutschen Antwort. Sm e«gttsch-sra«z»Mtzer Awischeusall. Pari-, 15. August. In Erwartung der deutschen Ant wort sind die alliierten Ministerpräsi» denten in London heute vormittag zu einer Sitzung zusammengetreten. Bei der Beratung, zu der die in allen Konferenzkreisen als sehr ge spannt angcsehene Lage Anlaß gab, ist es zu einem scharfen englisch-französischen Zwischenfall gekommen. Nah drr „LiberiS" soll es Macdonald, nach d.m „TempS" Snowden gewesen sein, der an Herriot die Frage gestellt habe, ob die französische Telegation nicht eine Verkürzung der von ihr sür die Räumung des Ruhrgebiets ver langte« Frist von einem Jahre ein treten lassen könnte, in Anbetracht der Tatsache, daß die dentsche Dele gation gegenüber ihrer Regierung in dieser Frage durch Prestige» Engagements gebunden sei und anderseits ein Scheitern der »o«. ferenzdieverhängnisvollstenFolgen fürganz Europa habenmüsse. Drma« über das Prinzip der Räumung einig sei, warum wolle die französische Regierung da nicht eine großzügige Geste machen, durch die alle Schwicrigleiten überwunden würden. Herriot soll darauf in großer Erregnng geantwortet haben, daß er nur et« Wort Haber er habe loyal feine Politik auseinandergesetzt «nd er müsse sich aus das Eutschiedeuste weigern, daran rüttel« zu lasse». Er könne auch nie mand das Recht »«gestehe«, Frankreich Groß mut zu empfehle». Wenn Frankreich die Stunde gekommen halte, eine »este der Groß zügigkeit zu machen, so würde er«»tu», ohne einen Anstoß von dritter Seite abzuwarten. Sr müsse eS unter diesen Umstände» auf da» Entschiedenste ablehnen, den englischen Vor schlag erörtern zu lasst«. Wie der „Temps" mitleilt, soll die gestern von Macdonald gegen die d-utsche Delegation eingenommene Haltung in den politischen Kreisen scharfe Kiitik gefunden haben. Mehrere englische Politiker hätten versucht, ihre gulen Dienst« für eine Vermittlung zwischen Frankreich und Deuisch- land anzubieien, seien aber bei den Franzosen auf die schärfste Ablehnung gestoßen. Der Sonder korrespondent des Blatter glaubt, daß di« Ant wort, die di« deutsche Delegation von Berlin erwartet, diese aller Voraussicht nach er mächtigen werde, die französischen Räu- mungSbedingungen unter gewissen Vorbehalten anzunehmen. SS werde ab- zuwaiten bleiben, ob die deutsche Delegation di« französische Haltung in der RäumungSfrage -um Voiwand nehmen werde, um neuerdings zu be haupten, dak tbr di« Unterschrift unter da- Protokoll der Londoner Konferenz abgezwungen sei und ob sie eine Vergeltung für ihren Miß- erfolg durch Unnachgirbigleit in den weiteren, noch ungelösten Fragen des Konferenzprogramms, der Lieferung von Farbstoffen, sowie der Frage der Verfehlungen, zu nehmen versuchen werde. Die Lage ist nicht hoffnungslos. Berlin, 14. Angnst. Die Blätter schließe» an» de» i« vcrli» a>» London emgetroffenrn Nachrichten, daß e» heute z« einer Einigung in derRäumungS- frage und damit z« einer endgültige» Entscheidung über da» Schicksal der L»»d»»er Konferenz kommen »erde. Die Blätter betone», daß di« Verhandlungen der Konferenz über das Tawesgutachten in wesent lichen Punkte« zn einem befriedigen den Ergebnis für Dentschland geführt hätte». Aber auch i» der Frage der Räumung de» Rnhrgebietes srie» i» de» letztc» Besprechung«» vo» der deutsche« Delegatio« Erfolge erzielt worde«. Vor olle« habe Frankreich e» aofgegeben, die Ränmnugsfrage mit wirtschaftlichen Znzeftänd- nijje« in Sache» des deutsch - srauzösischc» Handelsvertrages zu verbinde«. Ferner habe Herriot eingewilligt, daß daS Jahr drr RänmungSfrist bereit» vom Tage der Unterzeichnung de» Londoner Schluß- Protokoll» z« lanfen b. ginne, daß also i« August 192S der letzte französische Soldat da» Ruhrgebiet »erlasst« h'ben werde Ein weiteres Zugeständnis sei vo« Frankreich in der Frage der Eisen bahner gemacht worden. Tie 4000 franzö sisch«, und belgischen Regiearbtiter, dere« Be lassung im Ruhrgtbiet zunächst vorgesehen war, würden verschwindt». Es solle lediglich eine beschränkte Zahl vo» Eisenbahnern al» Genietr»ppr« de» Besatz »gstrnppe» beigegrbt» werde«. Tie deutfchc« relegierten hofft,» n»r noch t» drei Frage» Zugeständnisse zu erreiche» Sie legte» ersten» W.rt darauf, daß die Verpflicht»«« z«r Ränmung de» Ruhrgebiete» i« das Schluß- Protokoll der Lo»d»«er Ko»frrc«z ans- ge«»mmrit und damit von allen Si» gnaiarmächten verbürgt werd,. Z»«t- t,n» solle eine Milderung der ve- satznngsmtthode« erzielt werde». ES solle» nicht »ehr «nter allc» mögliche» Vorvände« Eingriffe i« di, dktttsche Verwaltungs- »nd Jnstizhohcit ,»folgt». Rach Möglichkeit soll, di« Ei»schali»»g ,i»,r schikd»g,richtlich,» Instanz ,rr,icht »«rdcn Schließlich »«Areten die denische, Delegiert,, dit «nffasnng, daß »a» Sa»k««o»»zebie1 vo» Düss,lborf »»d DniSbnr, d,m «nhr gebiet t« jeder Bezichmtg gletchgestelt werde. O Berlin, 16. August. Gegenüber den aus London vortte enden Nachrichten, die auf eine bevorstehende Einigung in der RäumungSfrage hin deuten, betont die Rechtspresse nochmal» mit aller Schärfe, daß für sie da« Dawe-gntachten mit einjähriger Räu mungsfrist unannehmbar bleibe. Im Reich-tagsau-schuß für die besetzten Gebiete wurde von deutschnaüonaler Seite ein schleu- niger Antrag eingebracht, der fordert, daß die ?'>icheregieiu.ig dem Ansprüche der Alliier en, da? sogenannte Sanklionsgebiet erst in Jahresfrist zu räumen, ein unbeugsames Nein ent gegensetze. G Heute vielleicht Schlußsitzung. London, 16. «ugnstt Wie aus Sonserenzkrtisen vtrlauttt, ist eS nicht unmöglich, daß die Schlußsitzung der Konferenz heut, stattfindet. Um 16 Uhr morgcnS ist eine Anzahl Sachvrrstäu- diger zusammengetreten, um ». a. verschirdtne Fragt« betreffend das Rheinland zu erörtern. Um 11 Uhr treffe« sich die deuischt«, frauzö- sischt« und belgische« Ha«ptdelegierte«, um die Verhandlungen von gestern abend fortzu- sttzen. Um S Uhr nachmittag- ist eine Be- sprechmr; der groß,» Bi rzch» anbera»mt worde». Ma» erwartet, daß bei Ende der htulige« Morgeasitzung zwische» de» deutsche», franzö sische» »nd belgische» Ha«pidrlegi,rtt» die Rote» betreffe») die Rnhrrä»m»»g auSgeta«scht werde». * Ssssrtige Räumung der Zone um Dortmund und des Hafens vo» Ruhrort. Pari», 1«. «ugust. Wie der Lo«do»er Sonderberichterstatter de» „Onotidien" «itteilt, soll die französische Re- giernng beabsichtigen, sobald Herriot vo« Parlament daz» rrmächtigt sei, die Londoner Abmachungen „tgüttig zu «nterzrichne», die Ränmung der Zone von Tortmund an- zuordntn. Wie der Londoner Sonderbericht erstatter des „Mati," mitteilt, hatte Gtnerai Rollet abends «in« längere Unterredung mit dt« Gkneralstabschef TegouttcS George, in der die deutsch,« Fordrru,g,« grprüft worde« sei« sollt». Möglicherweise dürfte »icht allein Dort mund, sonder, auch der Hafen vo» Ruhrort schon bei der Unterzeichnung d,s Protokolls geräumt werden. Wie der verichtcrstatter »eiter meldet, lirß Herriot an To»merg«e einen längere« Bericht adg hrn und erkläre«, daß er »ach wie vor zuversicht- Ich sei. G Deutsche und französische Zugeständnisse. Lo«do«, 14. August. Di« Blätter beto»e», daß jetzt zu hoffen sei, daß die RäumungSfrage hent, geregelt werde, wobei von französischer wie anch deutscher Seite Zugeständnisse im Ju- tercss« der Lösung gemacht werde» müßte». „Daily Herald" schreibt, e» s,i möglich, daß die Franzose«, w„« sie erk,««»,«, daß sie die ge samte» Ausgabe« für das Abenteuer Poinrarb» bezahl«« müßte», froh sei« würde», dir Rä». mung noch vor einem Jahr« zn bewirke». Tatz Blatt hebt ferner die frenndschaftliche» Beziehung«« zwischen de, französi schen nnd dentsche» Delegierte» hervor di« viel znr Shaff»»g gegeaseittge« Wohl wollens btigelrage» hätten. Tie „Westminster- Gazette" bezeichn«» als «inziges Argum«nt für die Fottdaner der Rnhrbrsktzung, daß die sranzäsische »sfentlichrMeinnng für eine frühere Räumnng «icht »or deret tet sei, «nd «acht Herriot »nd die britische Regien»«-, für jede» «ißtrfolg oerant- »örtlich, der an» der Fortdauer der Brsetznn, sich ergebe. »Daily Telegraph" hält die Sonft« renz sür gesichert. Die Deutsch,, hätte« scharf nm ein«, frühere« RS»«>ng»zeitp»«kt gekämpft, «an müßte jedoch de« R«ch«»«g trage», daß der Starz Herriot« et»e polittsche Katastrophe vo» gräßtrr vednttung »äre.