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- 107 — men Tagen seine Rettung verdankt, den General Tottleben dahin zu bewegen, baß jene Strafe un terblieb. Man führte jene Männer bis vor die zum Durchlaufen bestimmte Soldatengasse und ent ließ sie hier mit einem scharfen Verweise. " Schlimmer aber wurde die Lage Berlins, als der General Lascy mit seinen Oesterreichern in der Stadt anlangte. Es war bei Festsetzung der Ueber- gabe ausbedungen worden, daß kein Soldat in der Stadt einquartiert werden solle. Lascy aber nahm mit einem Theile seines Corps gegen den Willen der Russen Quartier in der Stadt, und nun wurde Berlin plötzlich der Tummelplatz von Kosacken, Kroa ten und Husaren, die überall, wo sie hinkamen, raubten und plünderten. Mehre Hundert Häuser wurden erbrochen, die Menschen gemißhandelt und ausgeraubt. Selbst Hospitäler und Kirchen wur den nicht geschont. Auch die Ümgegend von Ber lin hatte viel zu leiden. Da war es, wo sich auch die Sachsen vergaßen. Sie hatten ihr Quartier in Charlottenburg, eine Meile von Berlin. Un- eingedenk, daß der König von Preußen bald wie der nach Sachsen kommen und dort Revanche neh men könne, fielen sie wülhend in das prächtige Lustschloß ein und zerstörten Alles, was ihr Auge sah. Die Offiziere konnten ihre Untergebenen nicht bändigen. Es war Die Rache für die Gefangen nahme bei Pirna. ^Archeuboltz, dem wir hier fol gen,. erzählt in seiner „Geschichte des Siebenjähri gen Krieges" diese Plünderung sehr ausführlich: die kostbaren Mobilien wurden zertrümmert, die Spiegel und Porzellangefäße in kleine Stücke zer schlagen, die Tapeten in Fetzen gerissen, die Fuß böden, Seitenwände und Tbüren mit Beilen zer hauen. Viele Sachen von Werth entgingen der Zerstörung, aber nicht dem Raube; denn die Of fiziere brachten sie für sich in Sicherheit; auch die königliche Kapelle im Schlosse wurde auSgeplündert und die Orgel zerbrochen. Ebenso wurden grie chische Antiquitäten, die Friedrich so sehr liebte und mit großen Kosten gekauft hatte, gänzlich zer stört; ein Verlust, den er am meisten beklagte. Von allen königlichen Lustschlössern .blieb Sans souci, sowie das zu Potsdam verschont. Hier commandirte der österreichische General Esterhazy, der sich durch persönlichen Edelmuth auszeichnete und gute Mannszucht unter seinen Truppen hielt. Schon träumten die Russen und Oesterreicher' von Winterquartieren in Brandenburg, als der König aus Schlesien herankam. Schon sein Kom men reichte hin, die Feinde zum Rückzüge zu brin gen. Die Oesterreicher und Russen verließen eiligst Berlin.- Eben hatte der König mit seiner Armee die säch sische Grenze erreicht, als er genauere Nachrichten über die Plünderung seiner Hauptstadt erhielt. Am schmerzlichsten war ihm die Zerstörung Charlotten burgs, Er befahl, dafür das sächsische Jagdschloß Hubertusburg zu plündern und das Freibataillon de» Quintus JciliuS sollte diesen Befehl auSfüh- ren. Archenhoktz, der die Plünderung Charlotten burg» so ausführlich schildert, ist sehr kurz in der Erzählung der HubertuSburger AffaLre. Er sagt nur^: „In wenig Stunden war die» Geschäft ge. endigt und zwar mit solchem Eifer, daß blo» die nackten Mauern übrig blieben." Er hätte noch kürzer sein können, ,er brauchte nur zu sagen: eS wiederholten sich hier fast die gleichen Scenen wie bei der Plünderung Charlottenburg» — die Preu ßen gaben den Sachsen nichts nach. Wohl aber folgte hier noch ein jüdisches Handelsgeschäftchen. QuintuS JciliuS —'eigentlich Guischardt auS Mag deburg; Friedrich her Oroße hatte seinem Günst ling jenen Namen gegeben — verhandelte das ge plünderte Hubertusburg zur weitern Ausbeute für 72,000 Thlr. an die reichen Berliner Juden Ephraim und Itzig, die damals ihr betrügerisches Unwesen auch in Sachsen trieben. , Diese Juden hatten die Münze gepachtet und wußten daS fo gut zu nützen, daß sie den WechselcurS der größten Hauptstädte nach Belieben ^ommandirten und die reichsten Ju den Europas wurden. Natürlich suchten sie den Kaufpreis wenigstens doppelt wieder zu gewinnen. Der Thurm wurde seiner großen Glocken, seiner kunstvollen Uhr, seines kupfernen DacheS beraubt, die Ltatuen abgetragen und auS dem gewonnenen Metall - der Thurm allein lieferte 90 Centner — ließ Ephraim in der Pleißenburg zu Leipzig jene» schlechte Geld prägen, daS nach ihm mit dem Na men — Ephraimiten — belegt wurde. , Die stark vergoldeten Schlösser und Beschläge der Thürm und Fenster und sonstige Vergoldungen wurden zu weiterer Ausnutzung abgekratzt. DaS gab wieder einen Reingewinn von 12,000 Thlrn. Schon hatten die unersättlichen Juden — wie Bergsträßer in seiner Geschichte HuberrusbürgS er zählt — ihre Hände auch an die von den Solda ten verschonte Kapell? gelegt, schon in der könig lichen Loge angesangen, Schlösser, Draperien und Goldleisten abzureißen, schon schauten sie mit gie rigem und freudigem Blick herab auf die reiche Beute im Innern des Tempels, als Norbert Schu bert, der Hofkaplan, in der Seele ergrimmt ob solchen jüdischen Frevels, daS Heiligthum zu ret ten nach dem benachbarten Dahlen inS Winter quartier keö Königs von Preußen eilt. Friedrich >1. Hal anfangs kein Ohr für seine Bitten, allein Schubert läßt nicht, nach, er bittet inständigst , er bittet fußfällig und' der Zorn des großen Fürsten wird erweicht. Friedrich gebietet der PlünderungS- sucht der Juden Einhalt und die Kirche ist ge rettet. ' Die Plünderung hatte drei Monate gewährt — Hubertusburg, daS durch seinen Glanz ganz Eu ropa von sich reden gemacht hatte, stand wüste und leer und nie wieder Hal es sich zur alten Pracht erhoben. Erft im Jahre 1742 vollendet, hat seine Glanzperiode nur 18 Jahre gewährt; aber eine weltgeschichtliche Bedeuttmg war dem Schlöffe doch noch Vorbehalten, denn von hier auS sollte dan. erschöpfrewEuropa der Friede wiedergegeben werden. Sachsen vermittelte zwischen Oesterreich und Preu ßen. Maria Theresia hatte die Hoffnung, Schle sien zurück zu erobern, aufgegeben. Alle ihre Hülfs-