10 Schostakowitsch | 10. Sinfonie »Es gab doch nichts zum Jubeln.« - Der Komponist im totalitären Staat B is in die entlegensten Winkel des Privatle bens, sogar bis in die letzte Note einer Oper oder einer Sinfonie reichte der Einfluss des to talitären Staates Sowjetunion der Stalinzeit. Vor einer Ideologie, die in ihrem umfassenden wis senschaftlich-philosophischen Anspruch keine Abweichung von der Lehrmeinung dulden konnte, bekam alles, auch das Nebensächliche, politische Bedeutung und bedurfte einer Aus legung: entweder sozialistisch und volksnah oder formalistisch, kapitalistisch-bürgerlich, volksfremd usw. Bis lange nach seinem Tod lag der Schatten des Mannes, der in maßloser Ei telkeit und Selbstherrlichkeit diese Auslegung vornahm, über dem sowjetisch beherrschten Teil der Welt. Noch 1989 schrieb der aus der ehe maligen DDR stammende Historiker Christoph Hein über Stalin: »Ein Mann, der wohl wie keine andere Person für unsere Zeit stehen kann.« Dmitri Schostakowitsch war als Künstler, der sich im Schatten Stalins behaupten wollte (oder zumindest der ideologischen Verurteilung ausweichen musste), insofern der Gegenspieler des Diktators, dessen Launen über die Reputa tion, oft auch über Leben und Tod eines Künst lers entschieden. Zwischen beiden stand das Re gulativ der Ideologie, das ästhetische Konzept des »sozialistischen Realismus«. Die Sinfonie, die als zutiefst bürgerliche Musikgattung entstan den ist, wurde ideologisch umgedeutet. Der So natenhauptsatz wurde nicht nur als dialektische, sondern geradezu als dialektisch-materialistische Form begriffen und hatte in seinen zwei The men eine positive Figur (Held, Vaterland) und eine negative (Feind) zu verarbeiten, wobei am Schluss der Sieg des Guten zu stehen hatte. Im zweiten (langsamen) Satz war Platz für Trauer, Reflexion, grüblerische Grundhaltung, die je doch im dritten Satz (Scherzo) von volkstümli cher Musik abgelöst werden musste. Der vierte Satz (Finale) brachte die grandiose Schlusswen- Sinfonie Nr. 10 e-Moll op. 93 Entstehung 1953 Uraufführung 1954 Spieldauer ca. 50 Minuten Besetzung Piccoloflöte 2 Flöten (2. mit Piccoloflöte) 3 Oboen (3. mit Eng lischhorn) 3 Klarinetten (3. in Es) 3 Fagotte (3. mit Kontrafagott) 4 Hörner 3 Trompeten 3 Posaunen Tuba Pauken Schlagwerk Streicher